Abschied von der bunten Pillenbox
Schutz vor Herzinfarkt: Aktuelle Studie belegt Nutzen der Poly-Pill
nungshemmer“, erläutert Eschenhagen, der auch Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung ist. „All diese Mittel besitzen natürlich Nebenwirkungen, aber die werden ja nicht größer, wenn man sie in einem Präparat zusammenfasst.“Bei einigen PolyPillen habe man sogar die Dosis einiger Blutdrucksenker, relativ zu ihrer üblichen Einzeldosierung, heruntersetzen können, weil sie offenbar synergistisch Hand in Hand arbeiten. „Und wenn ich die Dosis reduzieren kann, bedeutet dies in der Regel auch weniger Nebenwirkungen“, so Eschenhagen.
Andererseits haben Einzelpräparate den Vorteil, dass man sie – sofern sich Nebenwirkungen zeigen – leicht
ein anderes Einzelpräparat austauschen kann. Bei den Kombis hingegen bedeutet der Wechsel auf ein anderes Produkt meistens auch, dass gleich mehrere Wirkstoffe ausgetauscht werden. „Das wird dann unübersichtlich, und es kann auch passieren, dass eine Nebenwirkung verschwindet, aber dafür eine andere kommt“, warnt Eschenhagen.
Womit ein weiteres Kernproblem der Poly-Pills angesprochen ist: ihre Zusammensetzung. Die Hersteller scheinen da ihre individuellen Vorlieben zu haben, und nicht immer sind sie nachvollziehbar. So enthält Polycap den Blutdrucksenker Atenolol, den Eschenhagen als „einen der schlechtesten Betablocker überhaupt“einschätzt. Zudem sind Betablocker
als Blutdruckmittel ohnehin nur noch bei einzelnen Patientengruppen die erste Wahl. Dies könnte auch erklären, warum Polycap allein in der Studie nur mäßig wirksam war und erst in Kombination mit Aspirin durchschlagende Erfolge zeigte.
Ein weiterer Bestandteil von Polycap, nämlich der entwässernde Blutdrucksenker Hydrochlorothiazid, ist problematisch, weil er das Risiko für weißen Hautkrebs erhöht. Auch da gebe es bessere Alternativen, so Eschenhagen. Die Bilanz des Pharmakologen zu den Poly-Pillen daher: „Die Idee dahinter ist sicherlich gut. Aber wie immer bei einer guten Idee kommt es eben auch darauf an, wie sie im Detail umgesetzt wird.“
Multimorbidität ist vor allem ein Problem älterer Menschen: Etwa die Hälfte der über 65-Jährigen in Deutschland leidet unter drei oder mehr chronischen Erkrankungen.
Innerhalb eines Jahresquartals nehmen 42 Prozent der Patienten über 65 Jahre fünf oder mehr Wirkstoffe ein. Jeder Vierte von ihnen bekommt eine PIM, also eine potenziell inadäquate Medikation, die eigentlich für ihn ungeeignet ist.
25 Prozent dieser Mittel zählen zu den Medikamenten zur Behandlung von Herz-KreislaufErkrankungen. (jözi)