Warum Toiletten und die Getränkekarte meist unerwähnt bleiben
Derzeit ist oft zu lesen, dass in Zeiten der Pandemie Briefeschreiben wieder in Mode kommt. Ganz in diesem Sinne möchten wir heute ein paar Leseranfragen beantworten, die uns in den vergangenen Monaten erreicht haben. Vor einiger Zeit schrieb ein freundlicher Herr, er wundere sich über die Gastro-Kolumne in der „Schwäbischen Zeitung“, die er zwar sehr gerne lese, die ihm aber ein wichtiges Thema konsequent unterschlage: „Warum sehen Sie sich beim Restaurantbesuch eigentlich nicht die Toiletten an und schreiben darüber?“Im Begriff Gastronomie stecke schließlich das griechische Wort für Magen drin. Und was biologisch gesehen auf den Magen folge, wüssten wir ja alle.
Also: Warum nicht mal ein bisschen WC-Kritik?
Ich erinnere mich an eine berühmte Szene aus dem Film „Brust oder Keule?“mit dem unvergleichlichen Louis de Funes. Darin spielt er einen selbstherrlichen Restaurantkritiker, der aber so berühmt ist, dass er nur noch in bizarren Verkleidungen unerkannt essen gehen kann. Ausstaffiert als cowboystiefeliger Amerikaner mit kolossalem Hut betritt er in einer legendären Szene ein französisches Lokal auf dem Land, in dem allerdings äußerst unappetitliche Zustände herrschen und die Hygiene eine Katastrophe ist. Nach den Toiletten fragend, stolpert de Funes versehentlich in die Küche. Der Kellner hatte ihm als WC-Ortsangabe „da, wo die meisten Fliegen sind“hinterhergerufen. Der Koch blafft ihn an, hier sei die Küche und nicht das WC, worauf de Funes klagt: „Aber hier riecht’s doch so!“Ist es also gerechtfertigt, vom Zustand der WCs auf die Küche und umgekehrt zu schließen und diesen Parameter zur Beurteilung eines Lokals heranzuziehen? Wenn überhaupt, sicher nur zu einem Tageszeitpunkt, an dem noch nicht viele Gäste ein Lokal besucht haben können. Da gibt’s wenig Ausreden, weshalb das stille Örtchen nicht blitzsauber dastehen sollte. Letztendlich gibt es aber Wichtigeres. Denn einerseits ist die Personaldecke stellenweise so dünn, dass längst Dienstleister von außen für die Reinigung sorgen, andererseits hat es die Gastronomie auch ohne Corona nicht leicht, sodass sich viele Wirtsleute schwer damit tun, zu investieren – zum Beispiel in moderne Toiletten.
Joachim S. aus Biberach wollte kürzlich wissen, warum das Getränkeangebot in der Kolumne keine Rolle spiele, wo er als Weinkenner doch die Wahl seiner Restaurants an den Bestand edler Tropfen knüpfe. Dazu lässt sich grundsätzlich sagen, dass der Wandel in der Gastronomie schon seit Längerem dazu geführt hat, dass sich nur noch ganz wenige Restaurants einen aktiv gemanagten Weinkeller leisten – und leider nicht in vielen Lokalen Sommeliers ihren fachkundigen Dienst am Gast leisten. Oder anders gesagt, lieber Herr S.: Es gibt sehr oft einfach nichts Interessantes über die Getränkekarte zu erzählen. Ausnahmen bestätigen allerdings die Regel. Unbedingt zu nennen ist zum Beispiel das Restaurant Villino in Lindau, wo Rainer Hörmann keiner Weinkarte, sondern vielmehr einer Weinbibel vorsteht, die in Hunderten von Positionen große Jahrgänge der besten Lagen von Frankreich bis nach Franken auflistet. Und im Prinzip die ganze Welt in Flaschen abbildet. Charmant moderiert von Hörmann, der zu normalen Zeiten auch lehrreiche Degustationen für Genießer inszeniert.
Augenblicklich wegen der Umstände natürlich nicht. Leider. Und auch saubere Toiletten haben ihre Schattenseite, wenn sie nur deshalb glänzen, weil niemand kommen darf.
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