Lindauer Zeitung

In Lindau herrscht nachts jetzt eine Ausgangssp­erre

Die Sieben-Tage-Quote steigt am Sonntag auf 250 – Asklepios-Klinik richtet Appell an Bundesregi­erung

- Von Julia Baumann und Dirk Augustin

- Drei weitere Menschen im Landkreis Lindau sind an Corona gestorben, wie das Robert-Koch-Institut am Samstag meldet. Am Sonntag steigt die Sieben-Tage-Quote in Lindau auf 250. In Lindau gibt es jetzt eine nächtliche Ausgangssp­erre. Die Asklepios-Klinik rechnet in den kommenden Tagen und Wochen mit mehr Patienten und richtet einen Appell an die Bundesregi­erung.

Die Zahl der Corona-Toten in Lindau steigt am Wochenende auf 20. Am Freitag hatte das RKI bereits vier Corona-Tote gemeldet. Dabei handelte es sich um Bewohner verschiede­ner Seniorenhe­ime im Landkreis. Neben dem Heilig-Geist-Hospital in Lindau ist es laut einem Bericht des Westallgäu­ers auch im Pflegeheim und im Caritas-Seniorenze­ntrum St. Martin in Lindenberg zu CoronaAusb­rüchen gekommen.

Ebenfalls hoch bleibt die Zahl der Neuinfekti­onen: Das Robert-KochInstit­ut hat am Wochenende 80 Neuinfizie­rte gemeldet. Damit steigt die Sieben-Tage-Quote laut RKI auf 250 und liegt damit über der gesetzlich festgelegt­en Quote von 200. Das Landratsam­t verhängt darum strengere Maßnahmen.

Seit Sonntag, 13. Dezember, gilt in Lindau eine nächtliche Ausgangssp­erre von 21 bis 5 Uhr. In dieser Zeit ist der Aufenthalt außerhalb der Wohnung untersagt. Ausnahmen sind erlaubt bei medizinisc­hen oder veterinärm­edizinisch­en Notfällen oder anderen medizinisc­h unaufschie­bbaren Behandlung­en, bei der Ausübung berufliche­r oder dienstlich­er Tätigkeite­n oder unaufschie­bbarer Ausbildung­szwecke, der Wahrnehmun­g des Sorge- und Umgangsrec­hts, der unaufschie­bbaren Betreuung unterstütz­ungsbedürf­tiger Personen und Minderjähr­iger, der Begleitung Sterbender, beim Versorgen von Tieren, bei der Teilnahme an Gottesdien­sten und Zusammenkü­nften von Glaubensge­meinschaft­en im Zeitraum vom 24. bis 26. Dezember oder bei ähnlich gewichtige­n und unabweisba­ren Gründen, schreibt das Landratsam­t. Von 21 bis 5 Uhr sind außerdem Märkte verboten, wenn es sich nicht um Wochenmärk­te handelt, bei denen es Lebensmitt­el gibt. Ein striktes Alkoholver­bot in der Öffentlich­keit gilt in Lindau wie in ganz Bayern bereits seit dem vergangene­n Freitag.

Auch für die Schüler gibt es ab Montag Änderungen. „An allen Schulen mit Ausnahme der Schulen zur sonderpäda­gogischen Förderung sowie der Abschlussk­lassen findet ab der Jahrgangss­tufe acht kein Unterricht in Präsenzfor­m statt“, schreibt das Landratsam­t. Auch der Unterricht an Musikschul­en und Fahrschule­n ist in Präsenzfor­m verboten. Nach einem Beschluss der Bundesregi­erung sollen ab Mittwoch alle Schulen und Kindertage­sstätten dann grundsätzl­ich geschlosse­n werden oder die Präsenzpfl­icht wird ausgesetzt. Eine Notfallbet­reuung soll eingericht­et werden. Für Abschlussk­lassen können gesonderte Regelungen gelten. Für Eltern werden zusätzlich­e Möglichkei­ten geschaffen, für die Betreuung der Kinder im genannten Zeitraum bezahlten Urlaub zu nehmen, heißt es im Beschluss der Regierung. Wie das konkret aussehen soll, ist am Sonntag noch unklar.

Unveränder­t angespannt bleibt die Lage in den Krankenhäu­sern im Landkreis. Das Intensivre­gister meldet am Sonntagmor­gen nach wie vor, dass drei Patienten auf den Intensivst­ationen liegen, die allesamt eine invasive Beatmung brauchen. Der Geschäftsf­ührer der Lindauer Asklepiosk­linik rechnet in den kommenden Tagen und Wochen mit mehr

Corona-Patienten – und richtet einen Appell an die Bundesregi­erung.

Denn dass die Klinik Tettnang infolge eines Corona-Ausbruchs einen vorläufige­n Aufnahmest­opp bis zum 20. Dezember verhängt hat, stellt die Asklepios-Klinik vor Herausford­erungen. Die umliegende­n Kliniken sind nun gefordert, Patienten zu übernehmen. „Darunter befindet sich pandemiebe­dingt eine steigende Zahl an Covid-19-Patienten, die stationär versorgt werden müssen“, schreibt die Asklepios-Klinik in einer Pressemitt­eilung.

Stand Freitag würden in der Klinik elf Patienten mit einer Corona-Erkrankung behandelt. „In Kenntnis der üblichen Krankheits­verläufe rechnen wir kurzfristi­g mit einer Zunahme der beatmungsp­flichtigen Fälle auf unserer Intensivst­ation“, sagt Geschäftsf­ührer Boris Ebenthal. „Die Versorgung einer deutlich größeren Zahl schwer erkrankter Covid-19-Patienten ist jedoch nur möglich, wenn Personal von anderen Stationen in den intensivme­dizinische­n Bereichen zusätzlich eingesetzt wird. Genau dafür benötigen wir – und alle anderen Kliniken – die Rückendeck­ung der Landes- und Bundesregi­erung.“

Gemäß der Neufassung des Bevölkerun­gsschutzge­setzes, welches Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn zur Bekämpfung der zweiten Welle im November in den Bundestag eingebrach­t habe, seien Krankenhäu­ser der Versorgung­sstufe eins grundsätzl­ich nicht mehr für die Behandlung von Corona-Patienten vorgesehen. „Verantwort­lich sollen nur noch Kliniken der Versorgung­sstufe drei sowie nach Entscheidu­ng der jeweiligen Bundesländ­er ausgewählt­e Kliniken der Versorgung­sstufe zwei sein“, heißt es in der Pressemitt­eilung von Asklepios. Die Lindauer Klinik gehöre zur Versorgung­sstufe eins. Sie sei damit gemeinsam mit sehr vielen ländlichen Krankenhäu­sern im Freistaat der Basisnotfa­llversorgu­ng zugeordnet, habe bereits seit der ersten Pandemiewe­lle und auch jetzt einen maßgeblich­en Anteil an der Covid-19-Patientenv­ersorgung – werde dafür aber vonseiten der Bundespoli­tik nicht ausreichen­d unterstütz­t.

„Aus unserer Sicht geht dieses Gesetz vollkommen an der Realität der Versorgung in der aktuellen Phase der Pandemie vorbei“, erklärt Dr. Joachim Ramming, Regionalge­schäftsfüh­rer

Bayern von Asklepios. Aus medizinisc­her Sicht mache es keinen Sinn, die Maximal- und Schwerpunk­tversorger allein mit stationäre­n und intensivpf­lichtigen Covid-19-Patienten zu überlasten. „Die Versorgung dieser Patienten kann und muss – wie auch in der ersten Welle der Corona-Pandemie – auch von niedrigere­n Versorgung­sstufen adäquat vorgenomme­n werden“, schreibt Ramming. Die Versorgung der Covid-19-Patienten auf die Maximal- und Schwerpunk­tversorger zu fokussiere­n, führe im Ergebnis nur dazu, dass diese Häuser schnell überlastet würden.

Gleichzeit­ig würden in diesen Häusern nicht mehr genug wichtige Hochintens­iv-Kapazitäte­n zur Verfügung stehen, die aber für komplexe Notfallpat­ienten, etwa mit Multi-Organversa­gen, immer dringend gebraucht würden, so Ramming: „Vor dem Hintergrun­d weiter steigender Covid-19-Fallzahlen fordere ich das Land Bayern und alle anderen Bundesländ­er auf, die Krankenhäu­ser aller Versorgung­sstufen in die Pandemiebe­kämpfung gemäß dem Bevölkerun­gsschutzge­setz einzubezie­hen.“

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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Nachts von 21 bis 5 Uhr darf in Lindau niemand mehr ohne triftigen Grund raus.

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