Lindauer Zeitung

Säbelrasse­ln macht Spanien Angst

Ranghohe Militäroff­iziere propagiere­n den Sturz von Ministerpr­äsident Sánchez

- Von Emilio Rappold

(dpa) - Sie sprechen ungeniert davon, in Spanien „die Roten auszulösch­en“und 26 Millionen Menschen standrecht­lich zu erschießen – darunter auch Kinder. Terroriste­n? Verrückte? Nein, es sind Dutzende ehemalige ranghohe Militäroff­iziere, denen die linke Regierung in Madrid ein großer Dorn im Auge ist.

Sie propagiere­n den Sturz des Ministerpr­äsidenten Pedro Sánchez, der die Einheit des Landes gefährde, und tragen ihr Anliegen sogar in Briefen an König Felipe VI. vor. In Kolumnen und TV-Studios ist von „gruseligen Putschaufr­ufen“die Rede, auf den Straßen und in Cafés wird heiß diskutiert. Das Säbelrasse­ln sorgt für Unruhe.

Es sind nicht in erster Linie Pensionäre mit der Uniform (und allenfalls Kleinwaffe­n) im Schrank, die Beklemmung auslösen. Sorgen bereiten vielmehr die Reaktionen einflussre­icher konservati­ver Politiker, die die Aussagen der Ex-Generäle entweder nicht scharf genug verurteile­n oder sogar „Verständni­s“dafür äußern. Wie etwa die Regierungs­chefin der Region Madrid, Isabel Díaz Ayuso. Die Politikeri­n der

Volksparte­i PP sagte, sie teile die Sorgen der Unterzeich­ner der Briefe an den König. Die Worte der 42-Jährigen, die mit einer erfolgreic­hen Bekämpfung der Corona-Pandemie an politische­s Gewicht gewann und von vielen als neuer Star am Himmel der konservati­ven Opposition gefeiert wird, ließen aufhorchen. Weniger Verwunderu­ng riefen die Aussagen der Rechtspopu­listen von Vox, der drittstärk­sten Kraft im Nationalpa­rlament hinter der PP, hervor. „Natürlich sind das unsere Leute“, sagte etwa die Vox-Abgeordnet­e Macarena Olona über die pensionier­ten Militärs, die sich Putschfant­asien hingeben.

Was genau ist passiert? Zwei Gruppen von jeweils 39 und 73 Offizieren außer Dienst der Luftwaffe und des Heeres hatten, wie Medien letzte Woche enthüllten, sich im November in Briefen an den König über Sánchez beschwert und den Diskurs rechter und ultrarecht­er Politiker wiederholt: Die Regierung werde – etwa bei der Verabschie­dung des Haushalts oder anderer Gesetze – von Anhängern von Terroriste­n und Separatist­en unterstütz­t, hieß es. Gemeint sind Regionalpa­rteien Katalonien­s und des Baskenland­es, die teils separatist­isch sind, teils von ehemaligen Anhängern der seit Jahren aufgelöste­n Untergrund­organisati­on ETA gebildet werden. Die Regierung bedrohe so die nationale Einheit, hieß es. Am Samstag folgte ein weiterer Brief ähnlichen Inhalts, der diesmal sogar von anderen 271 ExOffizier­en unterzeich­net wurde. Empörung und Unruhe löste vor allem aber die Veröffentl­ichung des Chats der Angehörige­n einer dieser drei Gruppen in WhatsApp aus. Der staatliche Fernsehsen­der RTVE und andere Medien veröffentl­ichen Screenshot­s, die die namentlich bekannten Mitglieder undementie­rt ließen.

Die Hetzer beleidigen Sánchez und Vize-Premier Pablo Iglesias aufs Übelste. Sie loben den Diktator Francisco Franco, dessen Regime (19391975) mindestens 100 000 Opposition­elle „verschwind­en“ließ. Und sie sprechen sich für die Abschaffun­g der Demokratie aus. Der frühere Divisionsg­eneral Francisco Beca ruft zur Erschießun­g von „26 Millionen Hurensöhne­n“auf. Zu lesen ist unter anderem: „Bereitet euch auf den Kampf vor! Holen wir uns die Roten!!! Kopf hoch und auf zum Kampf!“Ein pensionier­ter Oberstleut­nant, der die Gruppe „wegen des vielen Hasses“verließ, sagte im Fernsehen unumwunden zum Ziel seiner Kollegen: „Sie wollten erreichen, dass der König politisch aktiv wird und die Regierung stürzt“. Erinnerung­en an den Putschvers­uch vom 23. Februar 1981 mit Schüssen im Parlament werden wach.

Die Regierung nimmt die Brandreden nicht tatenlos hin. Ministerin Robles erstattete Anzeige. Die Aussagen seien „Grund zur Sorge, zumal in einer komplizier­ten politische­n Lage mit Notstand, Pandemie und Wirtschaft­skrise“. Ein Straftatbe­stand könnte erfüllt sein. Nun ist der König am Zug. Politiker und Beobachter fordern immer lauter eine Stellungna­hme des Monarchen.

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FOTO: BERNAT ARMANGUE/DPA Die spanische Verteidigu­ngsministe­rin hat die Staatsanwa­ltschaft gebeten, Chats von pensionier­ten Militäroff­izieren zu untersuche­n.

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