Die Weite ist da – dann fehlen die Worte
Karl Geiger wird in Planica Skiflug-Weltmeister – Bronze für Markus Eisenbichler
Es war ein Moment, wie man ihn nicht jeden Skisprungtag erlebt: Karl Geiger – so gestand Karl Geiger – war schlichtweg „baff “, fand, was ihm gerade gelungen war, „unbeschreiblich“. Das will etwas heißen, denn eigentlich kennt man den 27-jährigen Oberstdorfer als einen, der zwar nie laut, aber überaus eloquent ist. Als einen geigeresk Geerdeten zwar, aber einen mit der Fähigkeit zur feinen Analyse, der, wenn er was sagt, überlegte Dinge sagt, kluge Dinge sagt. Unangestrengt. Nun also Sprachlosigkeit.
Skifliegen ist anders. Das bestätigt einem – auch vor der WM jetzt in Planica – jeder, der diese verschärfte Form des Skispringens je gewagt hat. Skifliegen von der Letalnica-Schanze (Hillsize 240 Meter) mag nochmals anders sein, zumal bei Luftfahrten auf 241, 223,5, 240,5 und 231,5 Meter. Machte zusammen 936,5 Flugmeter Marke Geiger in der Wertung. Weltcup-Spitzenreiter Halvor Egner Granerud aus Norwegen absolvierte 932,5 (221, 229,5, 239 und 243) Meter, hatte die etwas schlechteren Haltungs-, jedoch mehr Windkompensationspunkte. Ewig lang addierte der Computer, dann stand da in Grafiken und an Anzeigetafel, was Karl Geiger die Worte raubte: 0,5 Punkte mehr krönten den Allgäuer zum SkiflugWeltmeister 2020, das sind, in Weite ausgedrückt, exakt ... 41,7 Zentimeter.
Das allein ist schon eine Geschichte, wie sie wohl nur der Sport schreiben kann. Die Pointe aber ist, dass der neue Titelträger bei der WM zuvor – im Januar 2018 auf Oberstdorfs HeiniKlopfer-Schanze, seiner Heim-WM also – nach dem Training aussortiert wurde. Als damals fünfte Kraft bei vier deutschen Startplätzen. Lange her. Und 2020 undenkbar. Weshalb, erklärte Bundestrainer Stefan Horngacher am vergangenen Mittwoch: „Den Karl darf man beim Skifliegen nicht unterschätzen. Er ist ein ausgezeichneter Flieger eigentlich. Für ihn ist es nur wichtig, oben die Übergangsphase richtig zu gestalten, dann kann er sehr, sehr weit segeln.“
Beim Team-Wettbewerb in Planica haben die deutschen Skispringer die Silbermedaille gewonnen. Einzel-Weltmeister Karl Geiger, Markus Eisenbichler, Pius Paschke und Constantin Schmid mussten sich am Sonntag nur Norwegen um Halvor Egner Granerud geschlagen geben. Rang drei ging an Polen. Zur Halbzeit des Wettkampfes hatte Deutschland noch geführt. Im zweiten Durchgang zeigten die Norweger jedoch eine mannschaftlich etwas geschlossenere Leistung und siegten letztlich nicht unverdient.
Für Karl Geiger war es auch wichtig, den Weltcup zuvor in Nizhny Tagil ausgelassen, das Wochenende stattdessen bei seiner hochschwangeren Frau Franziska verbracht zu haben. Noch ist das Töchterchen nicht auf der Welt, in Planica flog Karl Geiger als werdender Vater – als nervenstarker werdender Vater. „Sehr gut getan“habe die Pause zu Hause, gab er nach den 228 Metern in der Qualifikation zu Protokoll. Ach, und: „Der Quali-Sprung hat mir richtig gut gefallen, der hat richtig Laune gemacht.“Trainer Horngacher, der auch im Umgang mit seinen Sportlern ein Händchen hat, konstatierte: „Der Karl ist jetzt frei im Kopf.“Am Samstagabend
„Cooler Wettkampf, spannend bis zum Schluss. Wir können uns echt über Silber freuen“, sagte Karl Geiger nach der Entscheidung. Markus Eisenbichler klang etwas anders: „Ich bin gerade ein bisschen enttäuscht, ich wäre gerne Weltmeister im Team geworden“, verriet der 29-Jährige. „Ein bisschen traurig bin ich schon.“Eisenbichler und Geiger waren, wie schon am Vortag, die besten Deutschen gewesen. Geiger flog 238 und 224,5 Meter weit. Eisenbichler zeigte Flüge auf 230 und 236,5 Meter. (dpa)
legte der 51-Jährige anerkennend nach: „Der ist Profisportler, wenn der hierher reist, dann will er auch gewinnen. Mit so ’nem Sportler kann man richtig super arbeiten.“
Resultat solcher Arbeit ist eine bemerkenswerte Stabilität auf hochsensiblem, forderndem Terrain. „Ein Flug nach dem anderen wie an der Schnur“, staunte Karl Geiger selbst und versuchte sich, als sein „baff“Sein gewichen war, an der Ursachenforschung. „Entschlossenheit, Willensstärke – das ist beim Skifliegen schon wichtig. Ich begeb’ mich da in den Tunnel rein, und wenn’s drauf ankommt, dann drück’ ich drauf und dann riskier’ ich Vollgas.“Das mache ihn zum Wettkampftypen, das könne „natürlich auch in die Hose gehen – aber meistens geht’s gut“. Am 12. Dezember 2020 ging’s goldbringend gut.
Bronze für Markus Eisenbichler – Team- und in Nicht-Corona-Zeiten Zimmerspezl Karl Geigers – war die ideale Dreingabe. Weltmeisterlich formuliert (und ziemlich treffend): „Des is a Wahnsinn!“
Skiflug-WM in Planica, Einzel: Gold: K. Geiger (Oberstdorf) 877,2 Punkte, Silber: Granerud (Norwegen) 876,7, Bronze: Eisenbichler (Siegsdorf) 859,3 (220+247+234,5+230 m), 11. Paschke (Kiefersfelden) 790,9 (212,5+224,5+ 217+213,5), 14. Schmid (Oberaudorf) 767,7 (216,5+219,5+209+213,5).