Der ewige Traum von weißer Weihnacht
Ob zum Fest Schnee fällt, ist auch in diesem Jahr ungewiss
- Sie träumen von weißer Weihnacht? Schnee über die Feiertage wird alle Jahre wieder zum Thema von Fragen und Spekulationen. Besungen in Weihnachtsliedern, ob nun der Klassiker „White Christmas“oder Traditionslieder wie „Leise rieselt der Schnee“, inszeniert in Weihnachtsdekorationen der Schaufenster oder in Weihnachtsfilmen zum Fest: Schnee darf einfach nicht fehlen. Verschneite Waldlandschaften, Kinder, die auf Schlitten Hügel hinuntersausen, Schlittschuhläufer auf zugefrorenen Seen und als Kontrastprogramm ein gemütliches Zuhause mit viel Kerzenschein oder gar einem flackernden Kaminfeuer.
Und die Wirklichkeit? So richtig schneereiche Weihnachten sind für die Menschen in Deutschland eher keine jährlich wiederkehrende Selbstverständlichkeit, wenn sie nicht gerade hoch in den Alpen wohnen. Zwei Wetterexperten aus der Region erklären, warum sich die Menschen hier mehr Hoffnungen machen dürfen.
Dabei ist zumindest die wissenschaftliche Definition des Deutschen Wetterdienstes (DWD) von weißer Weihnacht etwas anspruchsloser als das weißfunkelnde Traumbild des Wunschdenkens. „Wenn an einer Wetterstation am 24., 25. und 26. Dezember jeweils ein Zentimeter Schnee oder mehr gemessen wurden, ist das nach unserer Definition weiße Weihnacht“, sagt DWD-Sprecher Andreas Friedrich.
Ist ein Zentimeter Schnee regelmäßig zu schaffen, oder ist weiße Weihnacht nur ein Mythos? Nach DWD-Angaben gab es in den vergangenen 100 Jahren in Deutschland nur ganze sechs Mal mehr oder weniger flächendeckend weiße Weihnachten über drei Tage hinweg: In den Jahren 1906, 1917, 1962, 1969, 1981 und 2010, zuletzt also vor genau zehn Jahren.
Allerdings gilt das natürlich nur, wenn man ganz Deutschland betrachtet. Es gibt deutliche regionale Unterschiede im Land. Der Süden hat dabei durch seine Höhenlage und den großen Abstand zum Meer deutlich bessere Chancen als der Norden der Republik. „Früher gab es bei uns oberhalb von 500 Metern alle fünf bis sechs Jahre Schnee an Weihnachten“, erklärt Andreas Neumaier, Wetterexperte unserer Zeitung für den Ostalbkreis.
Roland Roth von der Wetterwarte Süd in Bad Schussenried hat bis 2010 sogar alle drei Jahre Schnee zu den
Feiertagen beobachtet. Die Wetterwarte Süd stellt bereits seit 1968 Wetterdaten zu weißen Weihnachten zusammen. Die Daten zeigen: Weihnachten war meistens grün. Richtig kalt und winterlich war es den Daten nach 1996. Bis zu minus 14 Grad und 12 Zentimeter Schnee machten das Fest zum kältesten der Aufzeichnung. Das wärmste war das Jahr 2012 mit fast 15 Grad und teilweise starkem Regen.
Seit 2010 war kein Weihnachtsfest mehr wirklich weiß, lediglich am 26. Dezember 2014 fielen einige wenige Flocken. Auch in der Region ist Grün an Weihnachten die Regel. Zeiten, wie in den späten 60ern, als drei Jahre aufeinander mehr als fünf Zentimeter Schnee in Bad Schussenried lagen, sind vorüber.
Auch Neumaier sagt: „Ich weiß gar nicht, woher der Anspruch kommt, dass an Weihnachten Schnee liegen muss, das ist eher selten.“Was schon seit rund 100 Jahren so ist, werde immer deutlicher. „Statistisch gesehen sind wir überfällig, der Winter kommt immer später, fängt oft erst Ende Januar an“, so Neumaier.
Wenn sich die jetzige Entwicklung fortsetze, dann sei es möglich, das bis 2080 nur drei oder vier weitere weiße Feste anstehen. Selbst in hoch gelegenen Städten wie Isny und sogar Oberstdorf sei weiße Weihnachten nicht mehr garantiert.
Schneegarantie zum Fest gibt es in Deutschland nur auf der Zugspitze. Dort hat es seit Beginn der dortigen Wetteraufzeichnung 1880 immer weiße Weihnachten gegeben. Allerdings: Mit jedem Höhenmeter darunter sinkt die Wahrscheinlichkeit.
Kurze Phänomene, wie der Schneefall der vergangenen Woche, seien möglich, hielten sich aber nicht lange. Roland Roth erklärt dazu: „Wintereinbruch Ende November oder Anfang Dezember waren früher die Regel, dann folgte aber das sogenannte Weihnachtstauwetter.“in der Hinsicht ist das Jahr 2020 also bislang sehr traditionell verlaufen.
„In der Regel haben wir in Süddeutschland an Weihnachten fünf bis 15 Grad und dabei Nebel oder auch mal Sonne“, so Neumaier. Das dürfte es wahrscheinlich auch dieses Jahr werden. „Wir liegen bis dahin an der Vorderseite eines Tiefdruckgebiets, da herrscht eher Südwest-Wind und milde Temperaturen.“Weihnachten werde wahrscheinlich trocken.
Roth sagt dazu: „Die besten Chancen auf Schnee haben wir mit einem Hoch über Großbritannien und einem Tief über Osteuropa. Dann komme kalte, schneeträchtige Luft aus dem Nordwesten. Gerade sei das aber im Prinzip umgekehrt, was laue Mittelmeerluft bringe.
Allerdings geben die Meteorologen die Hoffnung noch nicht ganz auf: „Es besteht noch eine Fünf-Prozent-Chance, dass sich das pünktlich zum Fest ändert und Schnee fällt“, sagt Neumaier. Roland Roth sieht für Oberschwaben sogar eine Chance von etwa 30 Prozent. Wenn das Tiefdruckgebiet schnell genug durchziehe, sei so ein Wetterwechsel möglich.
Während in der Region also schon ein Trend erkennbar ist, sieht der DWD deutschlandweit wegen der langen Abstände der bisherigen Schneefälle an Weihnachten noch keine Veränderung. Da habe die Klimaerwärmung in Deutschland bisher noch nichts Wesentliches verändert, sagt Friedrich angesichts der langen Abstände, die es bisher zwischen den weißen Weihnachten nach DWD-Definition gab. Für die Zukunft kann der Experte aber wenig Hoffnung machen: „Sollte die Klimaerwärmung weiter wie aktuell fortschreiten, könnten die Wahrscheinlichkeiten für weiße Weihnachten in den anderen Teilen Deutschlands in den nächsten Jahrzehnten noch deutlich geringer werden.“
Roland Roth verweist darauf, dass der Schnee aber trotz des Klimawandels nicht ganz verschwinden wird: „Wenn der Schnee kommt, dann ist es wahrscheinlich, dass viel kommt. Das Wetter wird extremer, das beobachten wir aber auch schon seit den 80er-Jahren.“