Papier ist ungeduldig
Experten in Sachen Bürokratie kennen das Papier-Paradoxon: Obwohl wir inzwischen fast alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, digitalisiert haben, steigt unser Papierverbrauch an. Das liegt zum einen daran, dass eine erhebliche Zahl von Menschen, wenn sie eine E-Mail bekommen, diese erst einmal ausdrucken. Denn es geht ja nichts über das sinnliche Erlebnis von Papier zwischen den Fingern. Andererseits werden auch heute, im endlich ausgehenden Jahr 2020, Zeitungen noch immer fahrlässigerweise gedruckt ausgeliefert.
Papier, so sagt es der zur Besserwisserei neigende Volksmund, sei geduldig. Daher kann es auch völlig gelassen auf sein angebliches Ende warten, das in regelmäßigen Abständen ausgerufen wird. In Wahrheit ist Papier meistens aber sehr ungeduldig. Mahnbriefe zum Beispiel, die den Kunden an versäumte Zahlungen erinnern und mit hässlichen Fristen Ungemach androhen, haben nichts von der gemütlichen Duldsamkeit, die dem Papier nachgesagt wird. Von Strafzetteln ganz abgesehen, die glatt das genaue Gegenteil von Geduld sind. Dokumentieren diese unschönen Fetzen doch, dass der Parkraumüberwacher die Geduld verloren hat mit dem ordnungswidrigen Falschparker.
Ein Kapitel für sich ist freilich der Papiertiger. Eigen ist ihm, dass er zwar das Maul weit aufreißt, sich aber beim Zuschnappen zumeist als zahnlos erweist. Das wiederum hat den Vorteil, dass man Papiertiger nicht einzusperren braucht. Und wenn sie zu laut brüllen, sorgt ihr natürlicher Fressfeind – der Reißwolf – für Ruhe. (nyf )