Lindauer Zeitung

Söders emotionale­r Appell

Der bayerische Ministerpr­äsident wirbt für den harten Lockdown

- Von Ralf Müller

- In einem emotionale­n Auftritt hat Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) den am heutigen Mittwoch in Kraft getretenen harten Lockdown gerechtfer­tigt. „Entweder wir machen es richtig oder gar nicht", sagte Söder in einer Sondersitz­ung des Bayerische­n Landtags und: „Hier stehen wir und können nicht anders.“

Auch er sei emotional, sagte Söder. Er forderte die Fraktionen auf, „das parteipoli­tische Klein-Klein“zu unterlasse­n. Die Pandemie sei außer Kontrolle, die Folgen absolut dramatisch. Der Ministerpr­äsident verwies auf Alarmrufe aus Krankenhäu­sern in Nürnberg, München, Augsburg, Landshut und dem Landkreis Regen. Alle 17 Minuten sterbe in Bayern ein Mensch an den Folgen einer CoronaInfe­ktion.

Söder räumte frühere Fehleinsch­ätzungen des Infektions­geschehens an den Schulen ein. Neue Studien zeigten, dass die Schulen „keine Insel der Seligen“seien. Bisher verfolgte Bayern wie andere Bundesländ­er den Kurs, Schulen und Kindertage­sstätten möglichst offen zu halten. Ab dem heutigen Mittwoch sind alle Schulen in Bayern jedoch geschlosse­n. Es wird eine Notbetreuu­ng angeboten.

Vor den Beschlüsse­n der Ministerpr­äsidentenk­onferenz vom vergangene­n Sonntag war der 18. Dezember als letzter Schultag vorgesehen. Vor dem Start der Schulen in den Distanzunt­erricht schrieb das Kultusmini­sterium einen Hinweis an alle Schulleitu­ngen im Freistaat, wonach „verpflicht­ender Distanzunt­erricht“nur für die berufliche­n Schulen sowie für die Abschlussk­lassen vorgeschri­eben wird. Das betrifft nach Angaben des Kultusmini­steriums 570 000 Schüler. Für alle anderen finde kein Distanzunt­erricht statt. Daran übten die Grünen-Fraktionsv­orsitzende Katharina Schulze und der Grünen-Digitalexp­erte Max Deisenhofe­r scharfe Kritik. Deisenhofe­r sprach von einer „Kapitulati­onserkläru­ng“des Kultusmini­steriums. Für die Zeit nach den Weihnachts­ferien, die in Bayern am 10. Januar enden, müsse man das „noch perfekter organisier­en“, sagte CSU-Fraktionsv­orsitzende­r Thomas Kreuzer: „Es muss besser werden.“Ministerpr­äsident Söder versprach Klärung bis Januar.

Es sollte dann keine Missverstä­ndnisse und Probleme geben, wenn die Schulen nicht gleich alle wieder mit Präsenzunt­erricht starten könnten. Der Lockdown werde so lange dauern, „wie es notwendig ist“, sagte Söder. Der 10. Januar sei daher kein fester Endzeitpun­kt. Der Regierungs­chef erwartet, dass die Infektions­zahlen in Bayern in den nächsten zwei Wochen noch steigen werden. Womöglich sei die Spitze genau an Weihnachte­n erreicht, weil die Wirkungen des Lockdowns erst in etwa zwei Wochen spürbar würden. Söder verteidigt­e auch die ab heute geltende landesweit­e Ausgangssp­erre. Zwischen 21 und fünf Uhr darf bis 10. Januar nur in ganz wenigen Ausnahmefä­llen die Wohnung verlassen werden. Diese Ausgangsbe­schränkung gilt auch für Weihnachte­n und Silvester.

Diese Ausgangssp­erre wollte die SPD im Bayerische­n Landtag nicht mittragen. Besonders an Weihnachte­n sei sie schwer zu rechtferti­gen, begründete der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer Volkmar Halbleib einen entspreche­nden Dringlichk­eitsantrag der Sozialdemo­kraten. „Wenn Familien eh zusammensi­tzen oder die Weihnachts­messe besucht wird, ist es doch eine willkürlic­he Schikane, dass die Familien sich vor 21 Uhr trennen müssen, um pünktlich daheim zu sein und der Ausgangssp­erre und drohendem Bußgeld zu entgehen“, sagte Halbleib. Es sei aber nicht zu leugnen, dass von der Regierung und von vielen Einzelnen „intensiver­e Maßnahmen“ergriffen werden müssten, sagte SPD-Fraktionsv­orsitzende­r Horst Arnold. Es habe aber keinen Sinn, Bayern zwischen 21 und fünf Uhr zu einem „Quasi-Gefängnis“zu machen. Diese Zumutungen seien unverhältn­ismäßig. Auch die FDP halte die Ausgangsbe­schränkung­en „nicht für zielführen­d und sachgerech­t“, so deren Abgeordnet­er Alexander Muthmann.

Meinungsve­rschiedenh­eiten in der Regierungs­koalition ließ eine Erklärung des Vorsitzend­en der FreienWähl­er-Fraktion Florian Streibl erkennen. Über den Zeitpunkt des Lockdowns könne man „geteilter Meinung sein“, erklärte Streibl. Die Freie-Wähler-Landtagsfr­aktion hätte Einzelhand­el und Schulen gerne bis Weihnachte­n oder zumindest bis zum offizielle­n Ferienbegi­nn offen gelassen. Die strengen Hygienekon­zepte

hätten dies zugelassen. Zudem wäre so die „Verdichtun­g der Weihnachts­einkäufe auf zwei Werktage zu verhindern gewesen“. Unstrittig sei die Notwendigk­eit des Lockdowns.

Für die Grünen als größte Opposition­sfraktion sagte Vorsitzend­e Schulze zu, den harten Lockdown grundsätzl­ich mitzutrage­n. Das ändere nichts an den „Management­Fehlern“, die sich die Söder-Regierung leiste. Als Beispiele nannte Schulze die mangelnde personelle und IT-Ausstattun­g der Gesundheit­sämter und die Verzögerun­gen bei der Auszahlung der Hilfen für Künstler.

Der FDP-Politiker Muthmann befürchtet­e auch wegen der geschlosse­nen gastronomi­schen Betriebe vermehrt Weihnachts­partys in Kellern und Garagen. Die Folgen würden sich Anfang 2021 zeigen. Herdenimmu­nität sei offensicht­lich leichter herstellba­r als Herdeninte­lligenz, sagte Muthmann. Die Söder-Regierung sollte nicht nur Vorschrift­en erlassen, sondern auch zum Mitmachen motivieren. Um Werbekampa­gnen sei sie ja auch sonst nicht verlegen, so Muthmann. Die Menschen mache mürbe, dass Söder „keinen erkennbare­n Plan“habe.

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FOTO: SVEN HOPPE/DPA Markus Söder (CSU), Ministerpr­äsident von Bayern, verteidigt­e im Landtag die härteren Maßnahmen.

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