Landwirte fordern schnelle Öffnung des Schlachthofs
Schlachtbetrieb in Biberach weiter geschlossen – Land prüft Bundesratsinitiative zu Fleischpreisbindung
- Jetzt soll es schnell gehen. Wenige Wochen nach der Schließung des Biberacher Schlachthofs fordert der Bauernverband, diesen baldmöglichst wieder zu öffnen. Zwar sei die juristische Aufarbeitung und die Klärung der Verantwortung wichtig, sie dürfe sich aber nicht über Monate ziehen, sagt Gerhard Glaser, Vizepräsident im Landesbauernverband und Kreisvorsitzender des Bauernverbands Biberach-Sigmaringen. „Wir fordern, dass der Blick jetzt in die Zukunft gerichtet und der Schlachthof neu aufgestellt wird.“Die Landwirte wollen lange Transportwege vermeiden, Vertrauen wiederherstellen und verweisen auf das Problem hinter dem Problem: die mangelnde Wertschätzung.
Ende November wurde der Biberacher Schlachthof wegen offenbar tierschutzrechtlicher Missstände geschlossen. Hintergrund waren Videoaufnahmen der Tierschutzorganisation Soko Tierschutz. Sie zeigten unter anderem, wie die Tötung von Rindern durch fehlerhafte Bolzenschussgeräte unnötig in die Länge gezogen worden sein sollen. Das Kreisveterinäramt Biberach hatte die Vorwürfe bestätigt, Agrarminister Peter Hauk (CDU) verkündete daraufhin, den Betrieb vorerst zu schließen. „Bis zur Klärung der Frage, wie es zu solch untragbaren Szenen kommen konnte, dürfen an dem betroffenen Schlachthof keine Tiere mehr geschlachtet werden“, sagte er.
Gerhard Glaser befürchtet, diese Klärung könne sich in die Länge ziehen. Landwirte aus der Region müssten dann womöglich noch monatelang auf andere Schlachthöfe ausweichen. „Längere Transportzeiten sind sicher nicht im Sinne des Tierwohls“, sagt Glaser. Und: „Es geht jetzt darum, das lädierte Vertrauen schleunigst wiederherzustellen. Und das passiert nur, wenn die defekten Geräte ausgetauscht werden und der Betrieb in Biberach mit geschultem Personal neu startet.“
Das zuständige Ministerium hat das Regierungspräsidium Tübingen mit der Auswertung des Bildmaterials aus dem Schlachthof Biberach beauftragt. Bisher liegen keine Ergebnisse vor, heißt es auf Anfrage. Zudem gebe es zwei laufende Ermittlungsverfahren gegen den Schlachthof und amtliches Personal, denen man nicht vorgreifen dürfe. „Für uns ist klar, dass die Mängel, die zur Schließung des Schlachthofs geführt haben, behoben sein müssen. Wir haben einen umfassenden Maßnahmenplan für das Tierwohl in Schlachthöfen erarbeitet, dieser umfasst zum Beispiel auch die Schulung der Mitarbeiter im Umgang mit den Tieren. Der Tierschutz bei der
Schlachtung muss erfüllt sein, das ist für uns die Voraussetzung zur Wiedereröffnung“, teilt eine Ministeriumssprecherin mit. Grundsätzlich könne man die Argumentation der Landwirte aber verstehen. „Wer kurze Wege und damit Tierwohl beim Transport möchte, der muss auch Ja zu regionalen Schlachthöfen sagen“, sagt Minister Hauk.
Dabei ist der Fall in Biberach bereits der dritte Schlachthof in BadenWürttemberg, in dem es in den vergangenen zweieinhalb Jahren zu massiven Tierschutzverstößen gekommen sein soll. Immer wieder ist der öffentliche Aufschrei groß, immer wieder heißt es auch, die Schlachthöfe stünden unter massivem wirtschaftlichen Druck und würden es deshalb mit den hohen Tierschutzanforderungen nicht so genau nehmen.
Tatsächlich liegt der Preis für Fleisch derzeit extrem niedrig. Der Schlachtschweinepreis etwa ist auf 1,19 Euro pro Kilogramm abgestürzt – der tiefste Stand seit Jahren und ein
Minusgeschäft für Tierhalter, -händler und Schlachthofbetreiber. Dass der Preis im Keller ist, liegt einerseits an der Afrikanischen Schweinepest und dem damit verbundenen Verbot von Schweinefleischexporten in Drittländer wie China. Die Gleichung gehe jedoch schon sehr lange nicht mehr auf, heißt es vom Landesbauernverband. „Was die Gesellschaft an Tierschutz fordert, spiegelt sich nicht im Preis wider“, sagt eine Sprecherin.
Minister Hauk will die regionale Produktion deshalb über den Preis stärken. „Es kann nicht sein, dass ein Tier stirbt, damit wir Fleisch essen können, und dieses Fleisch dann zu Billigpreisen über die Theke geht“, sagt er. Man bereite eine Bundesratsinitiative vor, in der vom Bund eine Tierwohlabgabe und ein Werbeverbot für Billigfleisch gefordert werde. Auch eine Fleischpreisbindung sei denkbar. Eine entsprechende Bundesratsinitiative des Landes werde derzeit geprüft.
Landwirt Glaser glaubt an die Zukunft der regionalen Schlachthöfe. „Ich persönlich glaube schon daran, dass es möglich ist, diese Tierschutzpflichten zu erfüllen. Die Voraussetzung ist halt, dass die Konsumenten auch bereit sind, die regionale Schlachtung in Wert zu setzen und zu belohnen. Die Mühen sind ja viel größer als in einem großen Schlachthof“, sagt er. Wie aber ein Mindestpreis für Fleisch, wie ihn Minister Hauk vorschlägt, konkret funktionieren soll, kann sich Glaser angesichts der offenen Märkte nicht vorstellen. „Wer hält Aldi und Lidl davon ab, dass sie dann statt in Deutschland eben nur noch in Brasilien oder sonstwo einkaufen?“