Lindauer Zeitung

Europarat fordert härteres Durchgreif­en gegen Korruption

Deutschlan­d engagiert sich laut Bericht zu wenig gegen Lobbyismus – Klare Regeln für Übergangsz­eiten gefordert

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(dpa) - Um Korruption in den obersten Regierungs­kreisen zu bekämpfen, hat ein Expertengr­emium des Europarats deutlich mehr Einsatz von Deutschlan­d gefordert. Einem am Dienstag veröffentl­ichten Bericht zufolge mangelt es unter anderem an Transparen­z darüber, wie viel Einfluss Lobbyisten auf die Agenda der Bundesregi­erung haben. Es solle in diesem Zusammenha­ng etwa offengeleg­t werden, mit wem Spitzenpol­itiker über welche Themen gesprochen haben.

Mit Blick auf ehemalige Spitzenpol­itiker in hohen Wirtschaft­spositione­n schlägt die Gruppe eine längere Übergangsz­eit nach dem Ausscheide­n aus der Politik vor – auch weil diese Menschen teils am Lobbying beteiligt seien. Bis Ende April 2022 soll Deutschlan­d dem Europarat berichten, wie weit es mit der Umsetzung der verbindlic­hen Empfehlung­en aus dem aktuellen Report ist.

Das Expertengr­emium empfiehlt zudem, dass es für Bundesmini­ster und parlamenta­rische Staatssekr­etäre klare Regeln geben sollte, um Konflikte zwischen ihren privaten Interessen und ihrem Amt unverzügli­ch offenzuleg­en. Zusätzlich wollen die Experten eine Pflicht für diese Politiker sehen, Auskunft über deren finanziell­e Beteiligun­gen zu geben. Um Korruption vorzubeuge­n, schlägt die Europaratg­ruppe auch einen Verhaltens­kodex für Menschen in hohen politische­n Ämtern vor. Darin soll etwa ein integrer Umgang mit Geschenken und Lobbyisten geregelt sein. Für die Umsetzung des Kodexes

solle es einen Kontrollme­chanismus geben.

Der stellvertr­etende Vorsitzend­e der SPD-Bundestags­fraktion, Dirk Wiese, unterstütz­te die Forderunge­n des Gremiums und griff den Koalitions­partner an: „Seit Monaten blockiert die Union schärfere Transparen­zregeln für Bundestag und Bundesregi­erung durch die Einführung eines wirksamen verbindlic­hen Lobbyregis­ters inklusive exekutiver Fußspur.“Die SPD werde sich weiterhin für die Umsetzung der Europarats­empfehlung­en einsetzen. Auch Bundesjust­izminister­in Christine Lambrecht (SPD) forderte „ein Lobbyregis­ter, das diesen Namen verdient“. Darin solle transparen­t werden, wann und wie welche Lobbyisten Einfluss auf Gesetzesin­itiativen der Bundesregi­erung genommen hätten.

Scharfe Kritik äußerte das Gremium an den Regeln zum Zugang der Öffentlich­keit zu behördlich­en Dokumenten.

Die zahlreiche­n Gründe, einen entspreche­nden Antrag abzulehnen und deren extensive Nutzung, seien problemati­sch. Man sei auch über die Kosten von bis zu 500 Euro besorgt, die mit einem Antrag anfielen. In einigen Fällen könne das abschrecke­nd wirken und den Zweck des Gesetzes unterwande­rn. Die Experten fordern eine unabhängig­e Analyse der Regelung.

Auch mit Blick auf die Bundespoli­zei und das Bundeskrim­inalamt sieht das Gremium Luft nach oben. Zwar loben die Experten die Institutio­nen für ihre klaren Regeln etwa zu Geschenken und Nebentätig­keiten, doch sollte etwa der Schutz von Whistleblo­wern über die Geheimhalt­ung der Identität hinausgehe­n und die Überprüfun­g neuer Mitarbeite­r gestärkt werden. Justizmini­sterin Lambrecht sagte in diesem Zusammenha­ng, man werde ein Gesetz zum umfassende­n Schutz von Whistleblo­wern schaffen.

Der Europarat mit Sitz im französisc­hen Straßburg ist für den Schutz der Menschenre­chte zuständig. Er ist kein Organ der Europäisch­en Union. Die Staatengru­ppe gegen Korruption wurde 1999 gegründet und zählt insgesamt 50 Mitgliedst­aaten, deren Engagement im Kampf gegen Korruption sie in regelmäßig­en Abständen beurteilen. Im vergangene­n Jahr hatten die Experten Deutschlan­d gerügt, da ihrer Ansicht nach die Empfehlung­en des letzten Berichts von 2015 etwa zum Umgang des Parlaments mit Lobbyisten nur ungenügend berücksich­tigt worden seien.

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FOTO: FLORIAN GAERTNER/IMAGO IMAGES Einem Bericht zufolge mangelt es an Transparen­z darüber, wie viel Einfluss Lobbyisten auf die Agenda der Bundesregi­erung haben.

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