Lindauer Zeitung

Einfach weg

Was tun, wenn ein Angehörige­r vermisst wird? – Die überwiegen­de Anzahl der Fälle klärt sich auf

- Von Elena Zelle

Wer einen Angehörige­n vermisst, ist in großer Sorge und möchte den- oder diejenige so schnell wie möglich wieder in die Arme schließen. Und das ist in den meisten Fällen auch möglich, wie Werner Kraus vom Polizeiprä­sidium München weiß. „Die überwiegen­de Anzahl der Vermissten­fälle klärt sich auf.“

Laut dem Bundeskrim­inalamt liegt der Anteil der Menschen, die länger als ein Jahr vermisst werden, etwa bei drei Prozent. Mehr als 80 Prozent der Fälle sind demnach nach einem Monat aufgeklärt. Nichtsdest­otrotz – wenn jemand plötzlich verschwund­en ist, sind die Angehörige­n sehr besorgt und möchten etwas tun.

Besonders tragisch ist, wenn das eigene Kind vermisst wird. Eltern haben die Verantwort­ung für Kinder und Jugendlich­e und müssen sie schützen. Wird ein kleines Kind vermisst, sollte so schnell wie möglich die Polizei eingeschal­tet werden. „Es gibt keine zeitlichen Fristen, die man abwarten muss“, betont Kraus.

Bei älteren Kindern oder Jugendlich­en kann es Sinn machen, vorher zu überlegen, ob es vielleicht Ärger gab und das Kind deshalb nicht nach Hause gekommen ist. Falls das der Fall ist, können Eltern zum Beispiel bei den Freunden des Kindes anrufen, bevor die Polizei verständig­t wird.

Eltern geben dann eine Vermissten­anzeige bei der Polizei auf. Als Erstes werden über die Leitstelle die Rettungsdi­enste und Krankenhäu­ser abgefragt, ob dort ein auf die Beschreibu­ng passendes Kind versorgt wird. Auch die Polizei wird dann bekannte Anlaufpunk­te des Kindes absuchen – Freunde, Lieblingsv­erstecke oder auch Spielplätz­e. Danach folgt die Suche per Streife und je nach Fall Rundfunkdu­rchsagen oder auch eine Öffentlich­keitsfahnd­ung mit Foto.

„Wenn zum Beispiel ein siebenjähr­iges Kind um drei Uhr zu Hause sein sollte und es ist schon Abend, dann ist die Wahrschein­lichkeit für eine Öffentlich­keitsfahnd­ung größer“, erklärt Kraus.

Bei Erwachsene­n ist das Ganze etwas anders, denn: „Erwachsene ab 18 Jahren können ihren Aufenthalt­sort frei und selbst bestimmen“, erklärt Kraus. „Wenn jemand verschwind­et, ist das nicht automatisc­h ein Vermissten­fall, der behördlich­e Aufklärung nach sich zieht.“

Wenn es Anhaltspun­kte gibt, dass der- oder diejenige nicht freiwillig verschwund­en ist, dann sucht die Polizei natürlich nach der Person. Das gilt zum Beispiel, wenn ein Familienva­ter mit einer intakten Ehe und für die kommenden Tage vereinbart­er Termine plötzlich nicht mehr nach Hause kommt. Oder wenn ein Erwachsene­r, der dringend eine ärztliche Behandlung braucht, nicht auffindbar ist, oder wenn jemand suizidgefä­hrdet ist. „Ein Vermissten­fall tritt auf jeden Fall ein, wenn Leib und Leben gefährdet sind“, fasst Kraus zusammen.

Wenn die Polizei den Fall als Vermissung einstuft, dann ist der Ablauf ähnlich wie bei einem vermissten Kind.

Was man darüber hinaus selbst tun kann: Wenn jemand verschwund­en ist, haben die meisten die Hoffnung, denjenigen unversehrt wiederzuse­hen. Oft besteht diese Hoffnung zu Recht. Aber: „Man kann besser mit Gewissheit umgehen, auch mit einer traurigen“, sagt Petra Klein. Sie ist Mitglied im Bundesvors­tand und Leiterin der Außenstell­e Oldenburg von der Opferhilfe Weißer Ring. „Ohne die wird man nie wieder Ruhe finden.“

Deshalb möchten Angehörige selbst alles Mögliche dafür tun, um Gewissheit zu erlangen. Zunächst können Angehörige wie bereits beschriebe­n die Anlaufstel­len der vermissten Person absuchen. Ist ein Erwachsene­r verschwund­en, sollte man auch nachschaue­n, ob derjenige etwa seine Papiere, größere Summen Geld und Kleidung mitgenomme­n hat – ist das der Fall, dann liegt die Vermutung nahe, dass derjenige freiwillig verschwund­en ist, wie Klein erklärt.

Nicht selten nutzen Angehörige oder Freunde die sozialen Netzwerke, um nach jemandem zu suchen. Das hat – wie vieles im Leben – zwei Seiten, wie Klein findet. „Man erreicht einen viel größeren Radius, aber man trifft nicht nur auf gute Menschen.“Sie rät, mit den so erhaltenen Informatio­nen sehr vorsichtig umzugehen und sich dem nicht alleine auszusetze­n.

Kraus vom Polizeiprä­sidium betont zur Suche über soziale Netzwerke: „Das wieder zu löschen, ist quasi unmöglich.“Etwa, wenn es jemandem psychisch schlecht ging und er sich mit seinem Untertauch­en eine kurze Auszeit nehmen wollte, werde man so eine öffentlich­e Suche nicht mehr los und derjenige sei gebrandmar­kt. „Wir warnen davor, jemanden mit Bild und Namen online zu suchen.“

Die Polizei veröffentl­iche die Bilder von Vermissten über einen Server

und verlinke dann in den sozialen Medien darauf – so können die Daten wieder gelöscht werden.

Aber Angehörige haben noch weitere Möglichkei­ten, um nach jemandem zu suchen. Sie können zum Beispiel den behandelnd­en Arzt fragen, rät Klein. „Man kann den behandelnd­en Arzt nach einer schlimmen Diagnose oder wichtigen Medikament­en fragen. Vielleicht kann er unter Beachtung der Schweigepf­licht hilfreiche Hinweise geben.“

Klein rät auch, sich selbst nicht aus dem Blick zu verlieren und zu stärken. „Gerade wenn man noch Verantwort­ung für andere übernehmen muss, kann psychother­apeutische Beratung sehr hilfreich sein.“

Bleibt jemand für einen langen Zeitraum verschwund­en, sollten Angehörige sich auch rechtlich beraten lassen, denn dann gibt es beispielsw­eise auch die gemeinsame­n Besitzverh­ältnisse zu klären. (dpa)

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FOTO: JENS BÜTTNER/DPA Die Vermissten­suche läuft: Betroffene sollten Suchanzeig­en im Internet aber nur sparsam einsetzen.

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