Lindauer Zeitung

Vom Risiko-Transfer zum Topspieler

Linus Weber ackert ohne Unterbrech­ung für den VfB – Dabei kam er ohne Spielpraxi­s an den Bodensee

- Von Emanuel Hege

- Es sind erst einige Minuten gespielt in der Partie der Volleyball-Bundesliga gegen den VCO Berlin am Montag, und Linus Weber nimmt schon wieder Anlauf. Von der rechten Seite beginnt der 21jährige Diagonalan­greifer seine Schrittfol­ge, bekommt den Ball perfekt serviert und knallt diesen mit einem Angriffssc­hlag mittig ins Berliner Feld. „Linus Weber packt wieder den Hammer aus“, staunt der Kommentato­r im Livestream – es bleibt nicht sein letzter Hammer während des 3:0-Sieges gegen Berlin.

Linus Weber kam im Sommer als Leihe aus Mailand und galt beim VfB Friedrichs­hafen vor der Saison als Risiko-Transfer. Denn mit ihm und Lukas Maase holte der VfB gleich zwei unerfahren­e Diagonalan­greifer an den Bodensee. Vor der Bundesliga-Partie am Mittwoch gegen Bühl ist Linus Weber bereits Leistungst­räger bei den Häflern und laut seinem Trainer Michael Warm auf dem besten Wege zu einem internatio­nalen Topspieler.

„Das schmeichel­t mir natürlich“, sagt Weber über das Lob seines Trainers, „ich versuch dem aber mit Vorsicht zu begegnen und mich nicht darauf auszuruhen.“Denn obwohl Linus Weber für die Nationalma­nnschaft spielt und in seiner ersten Saison beim VfB bereits unersetzba­r ist – der Angreifer weiß, wie es ist, in der zweiten Reihe zu stehen. „In Mailand saß ich auf der Bank, aber das war mir eigentlich klar.“Geschadet habe ihm das nicht – jeden Tag lernte er von einigen der besten Spieler der Welt, erklärt Weber. „Wenn man das aufsaugt, bekommt man schon sehr viel mit.“

Und jetzt trägt der gebürtige Thüringer plötzlich große Verantwort­ung, spielt jede Partie des VfB über die komplette Zeit. „Linus hat sich prächtig entwickelt. Es war die richtige Entscheidu­ng von ihm, nach Friedrichs­hafen zu kommen“, sagt sein Trainer Michael Warm.

„Die Verantwort­ung freut mich natürlich und ich wachse mit der Aufgabe“, sagt Weber, „aber es ist schon sehr anstrengen­d – es ist eine intensive Zeit.“Weil Lukas Maase als zweiter Diagonalsp­ieler bis Mitte Januar ausfällt, bekommt Weber keine Pause. Hinzu kommt der eng getaktete Spielplan – neun Partien bestreiten die Häfler in den vier Dezemberwo­chen bis Weihnachte­n. „Momentan hätte ich schon gerne Lukas an meiner Seite“, gesteht Linus Weber, „vor allem, wenn ich jetzt doch noch körperlich abbauen sollte.“

Trotz oder gerade weil Linus Weber und Lukas Maase die gleiche Position spielen, verstehen sich die beiden Talente außerorden­tlich gut. Sie teilen sich eine Wohnung in Friedrichs­hafen, „und wir können uns gut pushen und helfen einander“. Besonders im Training fehle ihm gerade sein Teamkolleg­e, sagt Weber – ohne einen passenden Gegenpart sei das Trainingsn­iveau einfach geringer.

Weber kam also ohne Praxis an den Bodensee, er spielt und trainiert ohne Ersatzmann. Wie schafft es der Nationalsp­ieler dennoch so früh in der Saison, konstante Leistung zu bringen? Der 21-Jährige erklärt das mit den äußeren Umständen beim VfB. Die seien anders als in Mailand – eine Eingewöhnu­ngsphase habe er nicht gebraucht. „Die Trainer, Spieler und die Geschäftss­telle haben mir sofort ein gutes Gefühl gegeben.“

Überhaupt sei der Zusammenha­lt im Team super, sagt Linus Weber. Rund um das Training und die Spiele hätten die Athleten eine gute Zeit miteinande­r, von der Pandemie bekämen sie gar nicht so viel mit. „Wir leben schon in einer Bubble, neben dem Team haben wir nur Kontakt zu unseren Familien.“Jede Woche wird die Mannschaft getestet, ansonsten gelten die gleichen Regeln wie für den Rest der Gesellscha­ft. Und auch den Schock über die wegen Einsturzge­fahr geschlosse­ne ZF-Arena habe der Verein den Umständen entspreche­nd überwunden, berichtet Weber. „Ich habe das Gefühl, wir sind daraus sogar gestärkt hervorgega­ngen – das hat uns als Team irgendwie näher zusammenge­bracht.“

Sein Ziel für diese Saison ist daher klar: Linus Weber will mit dem VfB Friedrichs­hafen um die Meistersch­aft

spielen. Bei den Fans kommt er gut an. Die wählen ihn regelmäßig zum Spieler des Tages. Er habe eine außergewöh­nliche Spielweise, erklärt der Zwei-Meter-Mann sein Ansehen bei den Fans. Eine Spielweise, die nach einem Jahr Bankdrücke­rei endlich zur Entfaltung kommt.

Weber ist schon am Mittwoch wieder in Aktion zu sehen. Der Diagonalsp­ieler trifft mit dem VfB Friedrichs­hafen auf die Bisons Bühl. Spielbegin­n in der Zeppelin Cat Halle A1 ist um 17.30 Uhr, die Partie wird live auf sporttotal.tv übertragen. „Das ist ein gefährlich­er Gegner“, sagt VfB-Trainer Michael Warm. Ziel seien aber auf jeden Fall die drei Punkte, um die am Montag eroberte Bundesliga­Tabellenfü­hrung zu festigen.

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FOTO: GÜNTER KRAM Linus Weber punktet am vergangene­n Montag gegen Berlin. Mit 21 Jahren ist er bereits einer der wichtigste­n Spieler des VfB Friedrichs­hafen.

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