Mehr als Handys auf Rädern
ZF stellt „Middleware“vor und sucht 300 IT-Entwickler
- Zahnräder und Stahl? Rechner und Bytes! Die ZF Friedrichshafen beschleunigt ihre Digitalisierung. Am Mittwoch hat der Zulieferer seine „Middleware“vorgestellt, eine Software zwischen dem Betriebssystem des Autos und einzelnen Anwendungen und Komponenten. Spätestens 2030 will der Konzern, der seine Wurzeln im Getriebebau hat, einen „nennenswerten Geschäftsbeitrag“mit Anwendungen wie diesen erwirtschaften.
Von 2024 an soll die ZF-Middleware in Serienfahrzeugen verfügbar sein. An ersten konkreten Projekten werde bereits gearbeitet, sagte Dirk Walliser, Leiter der zentralen Forschung und Entwicklung des ZFKonzerns, bei einer telefonischen Pressekonferenz. Zahlen und Kunden nannte er nicht. Die Software ist bewusst offen gehalten, also für verschiedene Autohersteller, aber auch andere Zulieferer verfügbar. „Die neue ZF-Middleware unterstreicht den Anspruch von ZF, einer der weltweit führenden Systemlieferanten für das softwaredefinierte Auto der Zukunft zu sein“, sagte Walliser. „Unsere Kunden profitieren von beschleunigten Entwicklungsprozessen und deutlich reduzierter Komplexität bei der Integration von Hardund Software.“Auch der Endkunde gewinne: „Während der gesamten Lebenszeit des Fahrzeugs können Funktionen aktualisiert oder zusätzlich auf Abruf angeboten werden.“
Die Entwicklung der Middleware ist laut ZF eng mit der Entwicklung von Anwendungssoftware für Technologiefelder wie automatisiertes Fahren, integrierte Sicherheit, der Steuerung von Fahrzeugbewegungen und Elektromobilität verbunden. So arbeitet der Konzern an einer Trainingssoftware für die Fahrer von
Hybridautos, die helfen soll, die Verbindung von E-Maschine und Verbrennungsmotor optimal zu nutzen. Wer zum Beispiel seine Ladezeiten verbessert, kann über ein Bonussystem mit kostenlosem Strom oder freiem Parken belohnt werden. Auch bei der Sicherheitstechnik setzt ZF stark auf Software. Dort sollen Systeme mögliche Gefahren und Unfälle schon im Vorfeld erkennen und ihnen ausweichen oder Fahrzeug und Passagiere bestmöglich schützen.
Um die immer wichtigere Software-Entwicklung im Konzern zu bündeln, wird ZF zum Jahreswechsel ein „Global Software Center“aus der Taufe heben, das von Nico Hartmann geleitet wird. Mehrere 100 Entwickler werden dort tätig sein, viele davon in Indien. „Das Hirn“, sprich die Zentrale des „Global Software Centers“, wird aber in Friedrichshafen zu finden sein. Dafür werden noch 200 bis 300 IT-Spezialisten gesucht, die laut Dirk Walliser „am liebsten gestern“bei ZF anfangen hätten können. Es sei nicht das Ziel, die Software-Entwicklung zu zentralisieren, sagte Nico Hartmann. Man werde aber mittelfristig die Strukturen angleichen und eine einheitliche Entwicklungsumgebung im gesamten ZF-Konzern schaffen.
Auf den ersten Blick sei das, was in der digitalen Fahrzeugtechnik passiere, wie „Smartphones auf Rädern“, sagte Dirk Walliser. In Wahrheit stecke aber viel mehr dahinter. Denn bei Handys liege der Schwerpunkt auf Infotainment und Kommunikation, beim Bau „softwaredefinierter Autos“gehe es dagegen auch um Sicherheit und letztlich den Schutz von Leben. Dass das Thema auch wirtschaftlich wichtiger wird, steht für den Chef der ZF-Entwickler außer Frage: „Spätestens 2030 wird der Bereich einen nennenswerten Geschäftsbeitrag leisten.“