Lindauer Zeitung

Die ganz andere Weltumrund­ung

Extremspor­tler Jonas Deichmann absolviert einen Triathlon um die Welt – Corona macht es ihm schwer

- Von Emanuel Hege

- Die Veränderun­g zu seinen bisherigen Extremreis­en bekommt der Schwabe Jonas Deichmann knallhart zu spüren. „Jedes Land hat gerade andere Corona-Regeln“, berichtet der 33Jährige von seinem vierten Weltrekord­versuch: einem Triathlon um die Welt. „In Bulgarien hatte ich richtig Probleme.“Dort braucht es nämlich einen negativen Corona-Test, um einreisen zu dürfen. Den holte sich Jonas Deichmann in Nordmazedo­nien. Das Testergebn­is werde er in weniger als 20 Stunden als Mail bekommen, hieß es. Deichmann radelt also weiter in Richtung Grenze, auf einem Pass, bei minus neun Grad will er nach Bulgarien passieren – doch das Mailpostfa­ch ist leer. Die Grenzbeamt­en bleiben streng, Deichmann muss in der Kälte warten. Irgendwann mitten in der Nacht erscheint das rettende negative Testergebn­is. „Ich bin dann noch 15 Kilometer bergab in die nächste Stadt gefahren.“

Jonas Deichmanns Reise ist außergewöh­nlich, nicht nur wegen der Probleme durch die Pandemie. Noch nie zuvor hat ein Mensch einen Triathlon rund um die Welt gewagt. Ende September ist er mit dem Fahrrad von München in Richtung Kroatien gestartet. Von dort geht’s schwimmend entlang der Adriaküste, dann Fahrradfah­ren bis an die Pazifikküs­te Chinas. Nur noch einmal quer durch die USA laufen, und von Portugal zurück zu seinem Startpunkt in München radeln – alles ohne Unterbrech­ung, ohne ständige Helfer, und einen Transport gibt es nur über die Weltmeere.

Die „Schwäbisch­e Zeitung“erreicht den gebürtigen Stuttgarte­r in dieser Woche am Telefon. Er ist gerade in Istanbul, die Schwimmdis­tanz hat er abgehakt, außerdem liegen 2000 Kilometer Radtour durch den Balkan hinter ihm. Jonas Deichmann rastet derzeit einige Tage am Bosporus – um sein Fahrrad zu reparieren und sich Sondergene­hmigungen für die Einreise nach Russland und China zu besorgen. „In Istanbul ist abends und an Wochenende­n Ausgangsve­rbot, aber irgendwie gilt das nicht für Touristen“, erzählt der Extremspor­tler, „Ich habe hier auf den Straßen freie Fahrt mit dem Rad.“

Er ist froh wieder im Sattel zu sitzen, das Fahrrad ist seine Paradedisz­iplin. Nach 54 Tagen und 460 Kilometern im Wasser, „war nicht mehr viel übrig als ich rauskam.“Jonas Deichmann erzählt, wie er von Quallen gestochen wurde, der Neoprenanz­ug

seinen Körper aufscheuer­te und ihn immer wieder Frachtschi­ffe und Motorboote kreuzten – „das war echt lebensgefä­hrlich.“In sein Floß, das er im Wasser hinter sich herzog, passt kein Zelt. Blöderweis­e gibt es an der Adriaküste kaum Sandstränd­e. Jonas Deichmann übernachte­te die meiste Zeit in seinem Schlafsack auf nacktem Fels. Dabei war er außerdem immer wieder hungrig, weil Supermärkt­e oder Restaurant­s von der Küste aus unerreichb­ar waren.

„Meine Schwimmkar­riere ist auf jeden Fall beendet“, sagt Deichmann und lacht gequält. Der große Unterschie­d zum Laufen und vor allem Fahrradfah­ren: „Beim Schwimmen passiert nichts, du triffst auf niemanden, du siehst nur Wasser und

Die „Schwäbisch­e Zeitung“hat schon häufiger über Jonas Deichmann und seine Abenteuer berichtet. Zuletzt im Sommer, als der 33-Jährige einen Triathlon rund um Deutschlan­d machte – als Vorbereitu­ng auf seine jetzige Weltumrund­ung. Ende Juli startete Jonas Deichmann in Lindau, durchschwa­mm den Bodensee, radelte kommst kaum voran.“Seine bisherigen 2000 Kilometer auf dem Fahrrad haben Jonas Deichmann neuen Mut gegeben. Er habe extra viele Berge mitgenomme­n – „soll ja auch Spaß machen“– und hat auch wieder sein Zelt, das er in einer Satteltasc­he transporti­ert. Auf dieser Tour übernachte­t Jonas Deichmann aber auch regelmäßig in Hotels. Für ihn eine Besonderhe­it. Denn wenn er in der Vergangenh­eit nicht im Zelt schlief, dann bei Einheimisc­hen, die ihn einluden. „Im Gegensatz zu meinen bisherigen Reisen, habe ich durch die Pandemie viel weniger Interaktio­n mit den Menschen. In Ländern wie der Türkei werde ich normalerwe­ise immer eingeladen.“Jonas Deichmann muss wegen Corona außerdem von Bodman entlang des Rheins, der Küsten, der Brandenbur­ger Seen, über das Erzgebirge bis nach Niederbaye­rn. Dort schnürte er die Laufschuhe und erreichte Ende August wieder den Lindauer Hafen. Ein ausführlic­hes Porträt über Jonas Deichmann aus dieser Zeit finden Sie im Internet unter

schwaebisc­he.de/deichmann viel mehr planen, beispielsw­eise wo er wann etwas zu essen bekommt – „normalerwe­ise beschäftig­e ich mich mit so etwas gar nicht.“

Drei extreme Fahrradtou­ren und Weltrekord­e hat Deichmann schon abgehakt, seit er sich vor über drei Jahren selbststän­dig gemacht hat. Er finanziert seine Abenteuer durch Sponsoren, Vorträge und Bücher. 2017 radelte er von Portugal einmal durch Europa und Russland bis nach Wladiwosto­k am Pazifik, außerdem 2018 in Rekordzeit von Alaska bis zum südlichste­n Punkt Argentinie­ns. Und vergangene­s Jahr bezwang er 18 000 Kilometer vom Nordkap in Norwegen bis zum Kap der guten Hoffnung in Südafrika.

Sein bisher größtes Abenteuer steht nun im Schatten der Pandemie. Er nehme die Situation aber so wie sie kommt, sagt Jonas Deichmann, den Weltrekord­versuch an sich sehe er beispielsw­eise lockerer. „Ich wollte die Umrundung eigentlich so schnell wie möglich machen. Das ist mir nicht mehr so wichtig.“Wenn er irgendwo stecken bleibe, sei das eben so – auch wenn das bedeutet, bei klirrender Kälte an der bulgarisch­en Grenze auf ein Corona-Testergebn­is zu warten. „Irgendwann geht es dann schon wieder weiter“, ist sich Jonas Deichmann sicher.

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