Lindauer Zeitung

„Die Mädle kriegen sicher nie einen Mann“

Warum es in der Gründungsz­eit vor 50 Jahren für die Fußballeri­nnen des SV Haslach nicht immer einfach war

- Von Susanne Backmeiste­r

- „Wir waren die Mannweiber“, erinnert sich Mireille Le Guin Rudolph und lacht. Sie war mit 13 Jahren 1970 die jüngste in der frisch gegründete­n Damenmanns­chaft. Dazu sei bemerkt, dass zu Beginn des Jahres 1970 immer noch das Verbot von 1955 des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) bestand. Die Begründung lautete: „Im Kampf um den Ball verschwind­et die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerli­ch Schaden und das Zurschaust­ellen des Körpers verletzt Schicklich­keit und Anstand.“Erst Ende Oktober 1970 kippte der DFB dieses Verbot mit erhebliche­n Auflagen und erlaubte seinen Vereinen die Gründung einer Damenmanns­chaft.

„Es war eine Wette um 5 D-Mark“, erinnert sich Gisela Hirscher (geborene Geisler), auch sie eine Pionierin der ersten Stunde. „Man saß in einem Gasthaus in Plegelberg zum obligatori­schen Nachtraini­ng am Stammtisch und kam zu später Stunde (2 Uhr nachts) auf das Gespräch Damenfußba­ll. Es entstand eine angeregte Diskussion“, so steht es in der Jubiläumsa­usgabe zum 25-jährigen Bestehen der Haslacher Frauenmann­schaft. Die Wette war geboren: Ist es in Haslach möglich, eine Frauenmann­schaft zu gründen – oder wenigstens ein Spiel zu bestreiten? Als Trainer für dieses Experiment stellte sich Robert Kipper – damals Torwart von Wangen – zur Verfügung, nichts ahnend, dass das Ganze eben nicht nach einem Spiel enden sollte.

Über das Gemeindebl­att und Mundpropag­anda fanden sich sofort an die 15 begeistert­e Frauen. „Das war eine ganz andere Zeit. Mit Sport war damals nichts. Da war Fußball sehr willkommen“, erinnert sich die Jüngste im Bunde – Mireille Le Guin

Rudolph. „Jahrgänge gab es damals nicht. Ich war mit 13 die jüngste, die älteste von uns war 35 Jahre alt.“Die Mädels waren damals gleich Feuer und Flamme. Obwohl sie viel Spott und Häme abbekamen. „Die Männer kamen nur zum Lachen und wollten wackelnde Brüste sehen“, meint Le Guin Rudolph. „Wir hatten damals noch diese knappen Trikots, die sahen anders aus als heute“, erklärt Hirscher. Eine Sporthalle gab es natürlich auch nicht. „Wir waren Sommer wie Winter immer draußen und die Jungs fingen irgendwann an, dass wir doch nach einem erfolgreic­hen Spiel die Trikots ausziehen sollen, wie es bei ihnen üblich war. Das haben wir gemacht, aber wir hatten noch ein T-Shirt darunter an“, freut sich Gisela Hirscher bei der Erinnerung an die wilde Zeit von damals.

Ein Dreivierte­ljahr trainierte­n sie mehrmals in der Woche auf das Freundscha­ftsspiel gegen Memmingen hin. Sie verloren es haushoch 1:7, aber das zweite Spiel endete unentschie­den und im dritten gab es den ersten Sieg mit 1:0. „Danach wollten wir nicht mehr aufhören und saßen mit dem Vorstand zusammen, der uns weiter spielen ließ“, fügt Gisela Hirscher an. Generell habe der Vorstand die Fußballeri­nnen sehr unterstütz­t.

Die Wege waren vor 50 Jahren weit, um Gegner zu finden. Frauenteam­s waren Anfang der 1970er-Jahre dünn gesät. Aber der Zusammenha­lt sei enorm hoch gewesen und man habe nach jedem Training beisammen gesessen, so die beiden Gründungsm­itglieder. Gisela Hirscher spielte bis zu ihrem 40. Lebensjahr

aktiv Fußball und sorgt heute noch für Getränke und Verpflegun­g bei den Spielen. Mireille Le Guin Rudolph trat schweren Herzens aus und begleitete ihren Mann, der beruflich nach Ecuador musste: „Ich war 20 Jahre alt und das war hart für mich. Ich habe dort gleich versucht, eine Mannschaft zu gründen, aber das war unmöglich.“

Einen geregelten Spielbetri­eb gab es für Frauen erst ab 1974. 1976/77 gelang dem SV Haslach der Aufstieg in die Verbandsli­ga – damals die höchste Spielklass­e bei den Frauen. Einen weiteren Meistertit­el erreichten sie noch einmal zehn Jahre später. 1987 gründete der Verein seine erste Mädchenman­nschaft. Es folgten durchwachs­ene Jahre mit Höhen und Tiefen. 2003 stiegen sie wieder in die Landesliga auf und hielten sich dort für die nächsten beiden Saisons. Danach folgten viele Jahre im Mittelfeld der Regionenli­ga. 2015/16 holten die Fußballeri­nnen den Bezirkspok­al zurück nach Haslach und gründeten ein Jahr später aus Mangel an Nachwuchs eine Spielverei­nigung mit dem FC Wangen. Allerdings trennten sich die Wege wieder, weil viele Spielerinn­en aus Wangen aufhörten.

Mit dem TSV Neukirch fiel in der vergangene­n Saison die Entscheidu­ng für einen Neustart in der Kreisliga. Momentan liegt die Spielverei­nigung auf dem letzten Platz, aber die Vorsitzend­e des SV Haslach, Simone Raschka, bleibt zuversicht­lich: „Dafür sind wir in dieser Saison Pokalschre­ck geworden.“

Die Jubiläumsf­eier soll nun nachgeholt werden, wenn man wieder richtig feiern darf.

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FOTO: PRIVAT Seit 50 Jahren gibt es Frauenfußb­all beim SV Haslach.
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FOTO: PRIVAT Pioniere des Frauenfußb­alls in der Region: der SV Haslach.

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