Für die Kirche ist es noch ein langer Weg
Die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen dauert an – Prävention ist auch den Bistümern in Bayern ein Anliegen
(lby) - Das Thema sexuelle Gewalt aus der Tabuzone holen, Menschen für das Problem sensibilisieren und Opfer ermutigen, sich zu melden – das gehört zu den Aufgaben der Präventionsbeauftragten in den bayerischen Bistümern. Im neuen Jahr sollen zudem unabhängige Aufarbeitungskommissionen eingesetzt werden. Zehn Jahre nach dem Bekanntwerden zahlreicher Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche und dem Beginn des Aufarbeitungsprozesses sehen Bettina Sturm aus Passau und Gabriele Siegert aus Eichstätt die Präventionsarbeit auf einem zwar langen, aber guten Weg.
Jedes Bistum hat ein Team für Missbrauchsprävention. Siegert ist von Beginn an dabei und gehört zum Kreis der Sprecher, Sturm ist seit Herbst im Amt. Nach 18 Jahren in der Schwangerenberatung freut sich die Passauerin auf ihre neue Tätigkeit. Dazu gehört die Schulung von Mitarbeitern in Pfarreien, Lehrern und Gruppenleitern.
Nicht wenige hätten zunächst gewisse Vorbehalte dagegen, wie sie festgestellt hat. Denn neben den Priestern würden zum Beispiel auch Pfarrsekretärinnen, Mesner und Reinigungskräfte geschult. Nicht jeder sehe sofort die Notwendigkeit, sagt
Sturm. Die Schulungstage seien jedoch eindringlich und intensiv und die meisten Teilnehmer hinterher froh, dabei gewesen zu sein. Eine wichtige Botschaft ist: „Wir stellen Pfarrer und Mitarbeiter damit nicht unter Generalverdacht.“
Vielmehr sollen die Teilnehmer bei Übungen unter anderem ein Gefühl für das Verhältnis von Nähe und Distanz bekommen – das fange bei Alltagssituationen wie dem Umziehen der Ministranten in der Sakristei oder dem Absuchen nach Zecken im Zeltlager an. Hier sei Transparenz wichtig, das sollte den Kindern und den Eltern gegenüber klar kommuniziert werden. Beim Einzelmusikunterricht biete es sich an, die Tür offen stehen zu lassen. In neu gebauten Gemeindehäuser würden an Büroräumen häufig verglaste Türen eingesetzt. „Dann kann man die Türe schließen, ohne dahinter unsichtbar zu werden.“
Die Präventionsbeauftragten unterstützen Pfarreien bei der Erstellung sogenannter Schutzkonzepte. „Dazu gehörten Fragen wie: An wen können sich Betroffene wenden? Was sind die Beschwerdewege? Wie reagiert man auf Verdachtsfälle?“, erläutert Gabriele Siegert. Dabei gehe es nicht nur darum, Fälle innerhalb der Kirche aufzudecken oder zu verhindern. Wichtig sei es auch, Pfarreimitarbeiter für mögliche Taten im heimischen Umfeld der Kinder und Jugendlichen zu sensibilisieren. Sie spricht von einer „Kultur der Achtsamkeit“.
Da, wo mit dem Thema offen umgegangen werde und Kinder sagen dürften, was ihnen nicht gut tue, passiere sexualisierte Gewalt wesentlich seltener als dort, wo Kinder schweigen müssten, bilanziert die Fachfrau. Und ihre Kollegin Sturm ergänzt: Wenn Kinder und Jugendliche erfahren, dass es nicht peinlich ist, über das Thema zu sprechen, könnten sie sich auch leichter anvertrauen.
Am 1. Januar 2021 trat die vom Ständigen Rat der Deutschen Bischofskonferenz verabschiedete neue Verfahrensordnung zur Anerkennung des Leids der Opfer von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche in Kraft. Diese sieht unter anderem vor, dass Opfer auf Antrag Ausgleichszahlungen von bis zu 50 000 Euro erhalten können. Zusätzlich können Betroffene Kosten für Therapie- oder Paarberatung erstattet bekommen. In jedem Bistum soll zudem eine unabhängige Aufarbeitungskommission ihre Arbeit aufnehmen.