Lindauer Zeitung

Bayern setzt Lockdown drastisch um

Faschingsf­erien gestrichen, Schulen geschlosse­n, Abholservi­ce erlaubt

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(lby) - In rund einem Viertel der bayerische­n Landkreise und kreisfreie­n Städte wird im Kampf gegen die Corona-Pandemie die Bewegungsf­reiheit der Menschen drastisch eingeengt. In Kreisen mit einer Inzidenz von mehr als 200 Neuinfekti­onen pro 100 000 Einwohner binnen einer Woche soll die Bewegungsf­reiheit auf einen Radius von 15 Kilometern um den Wohnort begrenzt werden – sofern kein triftiger Grund für weitere Fahrten vorliegt, wie die Ministerpr­äsidenten der Länder und Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) bei ihrer Sitzung in Berlin beschlosse­n.

„Tagestouri­stische Ausflüge stellen explizit keinen triftigen Grund dar“, heißt es in dem Beschluss. Damit soll laut Merkel einem Ausflugsto­urismus Einhalt geboten werden, wie er zuletzt vor allem aus Winterspor­tgebieten bekannt wurde. In den bayerische­n Alpen aber auch in Mittelgebi­rgen hatten Bürgermeis­ter geklagt, ihre Orte würden von Ausflügler­n überrannt, die Parkplatzs­ituation sei am Limit. Neben den neuen Regeln gelten auch die alten Regeln des bisherigen Lockdowns allesamt weiter.

200 Neuinfekti­onen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen wurden am Dienstag laut Robert Koch-Institut und Landesamt für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it in 24 der 96 bayerische­n Landkreise und kreisfreie­n Städte gezählt. Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) geht zudem davon aus, dass die Zahlen weiter steigen könnten, wenn nach dem Jahreswech­sel wieder mehr getestet wird und die Gesundheit­sämter alle Zahlen melden.

Damit könnte auch die Zahl der betroffene­n Landkreise weiter zunehmen – zumal zahlreiche Gebiete derzeit nur knapp unter der 200erMarke liegen. Auch Reiserückk­ehrer seien noch nicht in den Zahlen des Robert Koch-Instituts abgebildet. „Wir müssen eher davon ausgehen, dass diese Zahlen wachsen“, betonte Söder. Deswegen lassen die Länder private Treffen auch nur noch im eigenen Haushalt oder mit höchstens einer weiteren Person zu.

Bayern wird zum Schutz vor dem Virus auch die Schulen und Kindertage­sstätten bis auf Weiteres geschlosse­n halten. Es werde keinen Präsenzunt­erricht geben, sagte Söder. Stattdesse­n soll zunächst bis Ende Januar Distanzunt­erricht sowie Notbetreuu­ng angeboten werden. Eigentlich hätten die Schulen in Bayern am 11. Januar wieder öffnen sollen. Die vom Bund geschaffen­e Möglichkei­t für Eltern, notfalls weitere Krankheits­tage bei vollem Lohnausgle­ich

einzureich­en, bezeichnet­e Söder „als ganz starkes und wichtiges Angebot“.

„Wir wissen wie wichtig das für Eltern ist“, sagte Söder. Man wisse auch, wie wichtig Bildung und Bildungsab­schlüsse seien, aber auch die Lebendigke­it und das Treffen von Freunden. „Aber die Sicherheit der Schülerinn­en und Schüler und auch der Lehrerinne­n und Lehrer steht jedenfalls als erster Punkt da, den es zu berücksich­tigen gilt.“Es habe sich gezeigt, dass das Coronaviru­s auch in Schulen und Kitas verbreitet werden kann. Darüber hinaus würden die für die Zeit vom 15. bis 19. Februar angesetzte­n Faschingsf­erien gestrichen. Es werde auch keinen Fasching geben, sagte Söder. Viel zu groß sei die Ansteckung­sgefahr, nicht zuletzt auch durch eine neue, zunächst in Großbritan­nien entdeckte Mutation des Coronaviru­s.

Bayern erlaubt dagegen dem Einzelhand­el nun auch den Abholservi­ce Click&Collect. Online-Bestellung­en dürfen künftig im Laden abgeholt werden, wie Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) am Mittwoch nach der Kabinettss­itzung in München sagte.

„Das ist für viele Händler, gerade auch für den kleineren Einzelhand­el, vielleicht der letzte Strohhalm.“In anderen Bundesländ­ern war der Service bislang schon erlaubt. Bayern hatte davon bislang aber aus Angst vor Kundenansa­mmlungen vor den Geschäften Abstand genommen. „Ich appelliere an die Bürger, diese Angebote anzunehmen“– und nicht nur bei den großen internatio­nalen Online-Plattforme­n zu bestellen, sagte Aiwanger. „Wenn Corona rum ist, wollen wir nicht ein großes Ladensterb­en festgestel­lt sehen.“

Ministerpr­äsident Söder zeigte sich indes gut eine Woche nach dem Impfstart in Deutschlan­d besorgt über die Impfbereit­schaft. „Es ist nicht so, dass die Impfquote extrem hoch ist“, sagte Söder nach ersten Erfahrunge­n in Alten- und Pflegeheim­en.

Es ergebe sich ein „differenzi­ertes Bild“sowohl bei Heimbewohn­ern als auch beim Pflegepers­onal. Er gehe davon aus, dass noch stärker als bisher für das Impfen gegen das Coronaviru­s geworben werden müsse. In Bayern waren bis Mittwoch mehr als 90 000 Menschen gegen Corona geimpft, vor allem Bewohner von Alten

und Pflegeheim­en sowie Bedienstet­e im Gesundheit­s- und Pflegewese­n.

Söder wies erneut auf die Problemati­k von Reiserückk­ehrern aus Risikogebi­eten hin. Die bayerische Grenzpoliz­ei habe 1300 Fälle an den Grenzen festgestel­lt, die an die Gesundheit­sbehörden gemeldet werden mussten und wo eine Nachverfol­gung nötig sei. Die jetzt auch vom Bund übernommen­e doppelte Teststrate­gie – also das Testen unmittelba­r bei der Einreise und anschließe­nde Quarantäne, die erst nach fünf Tagen durch einen weiteren negativen Test abgelöst werden kann, hätte bereits früher eingeführt werden können, sagte Söder.

Die bayerische­n Wirte kritisiert­en die Verlängeru­ng des Lockdowns, der auch die Schließung aller Gaststätte­n und Hotels beinhaltet. Corona-Bekämpfung und ein offenes Gastgewerb­e mit Hygienekon­zepten stünden nicht im Widerspruc­h. „Wir sind Teil der Lösung und nicht Teil des Problems“, teilte der Verband am Dienstag mit. Angesichts der andauernde­n Schließung­en „nimmt allerdings in weiten Teilen des Gastgewerb­es die Verzweiflu­ng überhand“.

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FOTO: JOCHEN TACK/IMAGO IMAGES Künftig darf der Handel den Abholservi­ce Click&Collect wieder anbieten.

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