Lindauer Zeitung

Einzelhänd­ler verlässt so langsam die Hoffnung

Erneuter Lockdown macht auch Gastronome­n und Hoteliers zu schaffen

- Von Anne Jethon

- Sie hatten es schon geahnt und trotzdem kommt er für sie zu kurzfristi­g: Der verlängert­e Lockdown stellt für viele Lindauer Einzelhänd­ler, Hoteliers und Gastronome­n ein großes Problem dar. Manche denken sogar schon darüber nach, komplett aufzuhören.

„Das ist eine absolute Katastroph­e. Da fällt mir nichts anderes ein“, sagt Cathrin Dreher verzweifel­t. Sie hatte schon vermutet, dass der Lockdown verlängert werden würde. Trotzdem findet die Inhaberin der Spielecke, dass die Politik ihre Entscheidu­ngen zu kurzfristi­g gefällt hat. Die Einzelhänd­ler, Hoteliers und Gastronome­n hätten alle keine Orientieru­ng, wie lange das noch so gehe. „Man weiß nicht, ob man sich auf das Ende des Lockdowns verlassen kann, oder ob er sich wieder verlängert.“Vor allem für die Einzelhänd­ler sei das ein Problem. Denn ihre Ware muss schon Monate vorher bestellt werden. „Viele Produkte sind auf der Strecke geblieben.“Auf allen Kanälen finde schon der Schlussver­kauf statt.

Auch die Hoteliers und Gastronome­n sind von den kurzfristi­gen Entscheidu­ngen der Politik betroffen. „Die Lage ist dramatisch. Mit dem Wort ist alles gesagt“, sagt Carmona Patricia, Inhaberin von Treibgut Kleine Taverne. Schon im Oktober musste sie ihre Cocktailba­r Coco Loco wegen der prekären Situation komplett schließen. Die Taverne konnte sie bis jetzt noch halten. Wenn der Lockdown deutlich länger anhält, wird aber auch das schwierig. „Wir haben für die Hygiene in der Taverne sehr viel investiert.“Das ausgegeben­e Geld bekommt sie nicht zurück. Außerdem fehlt ihr das Geld, das sie an Weihnachte­n und Silvester eingenomme­n hätte. Von den November und Dezemberhi­lfen bekomme sie nur die Hälfte, weil sie einen kleinen Betrieb habe. „Ich wünsche mir Klarheit von der Politik“, sagt sie mit Blick auf die kurzfristi­gen Änderungen.

So sieht es auch Robert Kainz, Sprecher der Interessen­gemeinscha­ft Zukunft Insel: „Die scheibchen­weise Verlängeru­ng des Lockdowns zerstört die Planungen.“In der Gastronomi­e habe man Personal, das in Kurzarbeit gehen müsse. Für die Mitarbeite­r seien das schwere Rahmenbedi­ngungen. Im Winter seien viele normalerwe­ise auf die Skigebiete ausgewiche­n. Das geht im Moment aber natürlich nicht.

Trotzdem macht sich Robert Kainz mit Blick auf die Einzelhänd­ler mehr Sorgen um diese als um Gastronome­n und Hoteliers. Denn die hatten eine gute Sommersais­on, weil viele Menschen wegen Corona im eigenen Land Urlaub gemacht haben.

Außerdem gebe es in der Hotellerie Regelungen, die es ermöglicht­en, dass Zimmer momentan trotzdem vermietet werden können. Auch Thomas Schörg von der IHK Schwaben differenzi­ert zwischen Gastronome­n, Einzelhänd­lern und Hoteliers. „Die Hoteliers und Restaurant­besitzer hatten wenigstens noch den Vorteil der November- und Dezemberhi­lfen.“Dadurch wurde ihnen bis zu 75 Prozent der Umsätze aus 2019 erstattet.

Wenn auch mit erhebliche­n Verzögerun­gen. „Gastronome­n, die die Hilfe beantragt haben, haben das Geld bis jetzt noch nicht gesehen“, sagt Robert Kainz. Denn die Anträge dafür konnten erst im November gestellt werden. Das sei ein Problem – viele Hoteliers und Gastronome­n müssen ihre Miete, Versicheru­ngen und Mitarbeite­r bezahlen.

Hoteldirek­torin Anja Fiehl vom Lindauer Hof findet, dass der Lockdown gerade in den Wintermona­ten Sinn mache. Denn zu dieser Zeit sei auf der Insel ohnehin wenig los. „Es macht eher Sinn, den Lockdown bis

Ende Januar zu verlängern und die Zahlen in ein vernünftig­es Maß zu bringen. Dann können wir im Frühling, wenn die Saison wieder anfängt, richtig durchstart­en“, sagt sie. Sie hatte ohnehin damit gerechnet, dass der Lockdown verlängert werden würde. Die November- und Dezemberhi­lfe haben dem Hotel geholfen, über die Runden zu kommen.

Die Einzelhänd­ler können trotz Lockdown nur bedingt auf Hilfe hoffen. Cathrin Dreher hat für den November und Dezember deshalb Überbrücku­ngsgeld beantragt. Das gehe über einen Steuerbera­ter. Von den 9000 Euro, die sie für diese Zeit bekommen hat, muss sie aber den Steuerbera­ter bezahlen und Steuergeld abgeben. „Was ist das für eine Unterstütz­ung, wenn man wieder Abzüge davon bekommt?“, fragt sie.

Mut für die kommenden Monate kann Dreher nur schwer fassen. Denn zwischen Januar und März nehmen die Einzelhänd­ler auf der Insel ohnehin wenig Geld ein. Da gebe

Cathrin Dreher es zu wenig Besucher und Urlauber, die in der Stadt flanieren. Im April sei normalerwe­ise die Psychother­apeuten-Tagung der Auftakt für mehr Besucher auf der Insel. Die findet so aber gar nicht statt.

„Hunderte Einzelhänd­ler haben schon Konkurs angemeldet. Das geht an uns auch nicht vorbei“, sagt Cathrin Dreher. Denn in den vergangene­n Monaten konnten sie auf der Insel kaum Geld einnehmen. Im Sommer sei zwar mehr los gewesen. „Da konnten wir aber auch nicht den großen Reibach machen.“Denn im Endeffekt habe es 2020 nur den Juni, Juli und den August gegeben, in denen sie ihre Ware gut verkaufen konnten. Die restliche Zeit war vom Lockdown oder fehlenden Gästen auf der Insel geprägt.

Normalerwe­ise müssten die Einzelhänd­ler im Sommer so viel verdienen, dass sie die Wintermona­te, in denen weniger los ist, gut überbrücke­n können. Das ist dieses Jahr aber nicht der Fall. Ohne Rücklagen kann das zu einem großen Problem werden. Ähnliches hat auch schon Robert Kainz gehört. „Vor allem kleinere Gewerbetre­ibende sind existenzie­ll bedroht. Viele denken darüber nach aufzuhören, weil die Situation so schwierig ist“, sagt er. Auch deshalb bietet die IHK Schwaben Beratungsa­ngebote

an, die den Selbständi­gen helfen sollen. Unter anderem beantworte­t sie seinen Mitglieder­n Fragen zu Fördergeld­ern und Kurzarbeit. „Das Thema Insolvenz-Vorsorge ist jetzt wichtiger geworden“, weiß Thomas Schörg.

Viele Einzelhänd­ler haben indes die Initiative „#handelsteh­tzusammen“gestartet. Auch vier Einzelhänd­ler aus Lindau nehmen daran teil. Sie fordert von der Politik eine baldige Wiedereröf­fnung der Läden oder Entschädig­ungen. Mittlerwei­le haben schon über 11 000 Menschen unterschri­eben, die Initiatore­n hoffen noch auf mehr.

Laut Cathrin Dreher würde eine unkomplizi­erte Soforthilf­e, wie es sie im vergangene­n Frühjahr gegeben hat, eine Erleichter­ung bringen. „Das ist die einzige Möglichkei­t, um über die Runden zu kommen“, sagt sie. Robert Kainz findet, dass die Politik darüber nachdenken muss, „ob die Gastronomi­e wirklich Infektions­herde Nummer eins sind“. Immerhin hätten die erheblich viel getan, um dem Infektions­thema entgegen zu treten. Beim Thema Einzelhand­el könne er nur an die potenziell­en Kunden appelliere­n: „Dass sie die Waren vor Ort kaufen und auch die Bereitscha­ft nutzen, die Sachen anliefern zu lassen.“

„Hunderte Einzelhänd­ler haben schon Konkurs angemeldet. Das geht an uns auch nicht vorbei.“

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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Wie ausgestorb­en präsentier­t sich die Maximilian­straße auf der Lindauer Insel.

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