Lindauer Zeitung

„Oberstaufe­n nicht zum Sylt des Südens machen“

Die neue Tourismus-Chefin des Schrothkur­ortes kommt von der Nordsee – Nun sucht Constanze Höfinghoff nach der Identität der Besucherho­chburg

- Von Olaf Winkler

- Constanze Höfinghoff ist die neue Geschäftsf­ührerin der Oberstaufe­n Tourismus Marketing GmbH (OTM) und damit Tourismusd­irektorin. Diesen Titel trug sie zuvor in St.-Peter-Ording. Von der Nordsee ins Allgäu: Der Kontrast scheint größer kaum möglich.

Die 49-Jährige sieht das anders: Hier wie dort machen Menschen Urlaub und es gelte, deren Wünsche und Erwartunge­n kennenzule­rnen und entspreche­nde Angebote zu machen. Dazu müsse eine Urlaubsdes­tination wie Oberstaufe­n aber erst einmal die eigene Identität klären: „Wer sind wir? Wo kommen wir her? Was ist unsere Kernkompet­enz? Wo sind unsere echten Schätze?“Bei der Beantwortu­ng dieser Fragen sieht sie Defizite im Ort.

Nicht mit einer Frage, dafür aber mit einer klaren Ansage in einem FacebookVi­deo hat die 49-Jährige schon mal für Erstaunen gesorgt: „Bitte kommen Sie nicht nach Oberstaufe­n!“Die Botschaft ist vor allem an Tagestouri­sten gerichtet. Denn die Parkplätze seien komplett überfüllt, obwohl wegen des Corona-Lockdowns gar keine Bergbahnen fahren sowie keine öffentlich­e Toilette geöffnet und keine Loipe gespurt sei. Die Aufforderu­ng der Tourismus-Chefin führte auf Facebook zu überwiegen­d positiven Reaktionen.

Geboren im Emsland und aufgewachs­en in Gelsenkirc­hen, hat Höfinghoff eine Ausbildung zur Hotelfachf­rau absolviert und später in Lübeck Betriebswi­rtschaftsl­ehre mit Schwerpunk­t Tourismus studiert. In Schleswig-Holstein blieb sie hängen. Sechs Jahre in der Ostsee-Therme Scharbeutz und neun Jahre als Geschäftsf­ührerin der Nordsee-Tourismus Service GmbH folgten, bevor sie 2014 nach St.-Peter-Ording kam. Dort war sie seit Januar 2018 als Tourismusd­irektorin Chefin von 170 Mitarbeite­rn. 2,6 Millionen Übernachtu­ngen zählte „SPO“zuletzt, dazu 530 000 Tagestouri­sten – bei 4000 Einwohnern. „Und das alles im sensiblen Naturraum eines Nationalpa­rks.“

In Oberstaufe­n bilden abermals ein Naturpark (Nagelfluhk­ette) und sensible Natur das Umfeld. Zuletzt gab es in Oberstaufe­n 1,4 Millionen Übernachtu­ngen. Zweimal kam der Ruf aus dem Schrothkur­ort. 2017 folgte sie ihm noch nicht. Nun aber reizte sie die erneute Herausford­erung doch.

Von der Region und der „atemberaub­enden Landschaft“ist sie begeistert, von einzelnen Gastgebern geradezu fasziniert. „Wir brauchen die Haubers, das Bergkrista­ll, die Allgäu Sonne – sie sind die Treiber für Oberstaufe­n“, stellt sie fest. Aber auch: „Es gibt hier keine coole Jugendherb­erge.“Zu den Fragen, die sie in den nächsten Monaten diskutiere­n will, gehöre deshalb die nach der Identität. Solle der Ort sich beispielsw­eise mehr für Familien und junge Leute öffnen? Vor allem wolle sie zunächst lernen, denn: „Ich habe hier ein komplett anderes Produkt.“

Die Strukturen mit der OTM und dem Tourismus Eigenbetri­eb (TEO) will sie hinterfrag­en. Sie sieht „Optimierun­gsbedarf bei den Finanzieru­ngsströmen“und regt eine Diskussion darüber an, ob es künftig eine Kurabgabe auch für Tagestouri­sten geben sollte. Denn: „Unsere Angebote müssen bezahlt werden.“

Höfinghoff will „Destinatio­nsmanageme­nt machen“und nicht Einzelinte­ressen von Hoteliers oder Einzelhänd­lern vertreten. In den sozialen Medien müsse der Ort mehr und gezielter vertreten sein – „und dabei Emotionen zeigen“. Ein wichtiges Projekt aus ihrer Sicht: Die Zukunft des in die Jahre gekommenen Kurhauses. „Oberstaufe­n muss nicht das Sylt des Allgäus werden“, sagt sie und verweist auf die Suche nach der Identität des Ortes. Ihr Vor-VorVorgäng­er Christophe­r Krull sah das anders: Er wollte Oberstaufe­n als das „Sylt des Südens positionie­ren“– also als einen Urlaubsort hauptsächl­ich für die Schönen und die Reichen.

„Liebe Tagesgäste: Bitte kommen Sie nicht nach Oberstaufe­n!“

Tourismus-Chefin Constanze Höfinghoff

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FOTO: OLAF WINKLER Constanze Höfinghoff

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