Das Schlechte in Haus und Hof austreiben
Weihrauch erhitzen und damit Wohnung samt Stall klären, das machen Kräuterkundige gerne zum Jahresbeginn
- Die Räume im Haus klären, das Schlechte austreiben – und dazu Fenster und Türen weit öffnen. Das rät Simone Vogler, Bäuerin aus Schöllang. Auch durch den Milchviehstall hat sie in den vergangenen Tagen den Duft von heimischen Kräutern und Weihrauch wehen lassen. Denn Anfang des Jahres sei die beste Zeit dafür, Altes wegzuwischen und Platz für Neues zu schaffen – durch das traditionelle Räuchern.
Dazu braucht man Räucherkohle und getrocknete Kräuter. Die Bäuerin bevorzugt weißen Salbei zum Klären, schwört aber auch auf die Blüten und Blätter des geweihten Kräuterboschens vom Sommer (Christi Himmelfahrt), den sie aufhebt zum Schutz vor Krankheiten bei Mensch und Vieh. In ein Tongefäß oder eine Dose gibt sie zunächst Sand „damit es nicht so heiß wird von unten“. Die Kohle zündet sie nur mit Zündhölzern an – und wartet dann 10 bis 15 Minuten, bevor sie die getrockneten Kräuter und den Weihrauch drauflegt. Mit einer Feder verteilt sie den Rauch im Raum – und zum Schluss reißt sie Türen und Fenster auf.
Klarheit im neuen Jahr schaffen, Altes wegwischen und neu beginnen. Das ist für die Schöllangerin wichtig. Solche Räuchersets mit Weihrauch, Kohle und Kreide gebe es dieses Jahr zum Mitnehmen in der Kirche – beispielsweise in Schöllang „und sicher auch in anderen Gotteshäusern“, sagt die 49-Jährige. Sie habe sich dieses Set gegen eine Spende abgeholt, denn die Sternsinger gehen diesmal wegen der Corona-Pandemie ja nicht von Haus zu Haus. „Weihrauch wirkt klärend, desinfizierend“, sagt Simone Vogler. Und in der Zeit der Raunächte, die am 6. Januar enden, sei die Wirkung am kraftvollsten. „Aber natürlich kann man auch unterm Jahr räuchern“, sagt Vogler.
Im Stall sei das Räuchern ein schönes Erlebnis. „Die Tiere sind neugierig, kommen zu einem“, sagt die Bäuerin. Sie selbst räuchere auch gerne mit einer Freundin, denn Räuchern sei anstrengend, verbrauche „viel geistige Kraft“. Deshalb führe sie den Brauch in Etappen aus. Zunächst im Haus, am nächsten Tag im Stall.
„Und wenn ich es konzentriert und richtig mache, dann spüre ich auch die Energien der Räume.“Es gebe schließlich immer Zimmer, die zum Verweilen einladen und andere, wo man nicht so gerne bleibt. Das Räuchern könne eine gewisse Abhilfe schaffen.
So sei es ihr auch mit ihrem Vogelhäuschen gegangen. Die Vögel wollten den ganzen Winter über von dort keine Körner picken. Als sie das Häuschen aber räucherte, „waren schon am nächsten Tag einige Vögel drin“.
Freilich, das Räuchern ist eine Glaubensfrage – und eine alte Tradition,
vorwiegend in den Raunächten. Manche waschen in diesen Tagen von Weihnachten bis zum Dreikönigstag keine Wäsche, andere tragen keine Holzasche aus dem Haus.
Die Raunächte sind eine Zeit der Geister, heißt es. Und bei unseren Vorfahren waren sie besondere Nächte, sagt beispielsweise Petra le Meledo-Heinzelmann aus Durach, die Kurse zum Räuchern gibt.
Die letzte Raunacht zum 6. Januar sei die Perchtennacht. „An vielen Orten in Bayern und Österreich werden da normalerweise Perchtenläufe abgehalten.“Die Percht gelte als die „Herrin der Raunächte“, ein Dämon in vielen Gestalten.
Die Percht, so heißt es in Überlieferungen, nehme die Seelen verstorbener Kinder mit. Das sei in früherer Zeit für die Eltern beruhigend gewesen.
Zum Übertritt in die Welt der Toten – so glaubte man – seien nur zwei Tore offen: An Allerheiligen/Allerseelen und in den Raunächten.