Krematorium: Stadt erzwingt Betreiberwechsel
Kemptener Verwaltung untersagt dem bisherigen Besitzer, das Gewerbe weiterzubetreiben
- Das Krematorium hat einen neuen Betreiber: Seit Januar gehört es zur Gruppe „Facultatieve Deutschland GmbH“. Dem bisherigen Besitzer der Einrichtung hat die Stadt Kempten untersagt, das Gewerbe weiterzubetreiben. Dieser war wegen illegaler Geschäfte mit Zahngold verurteilt worden. Er hatte zuletzt aber noch einen zweiten Standort in der Daimlerstraße gebaut, der mittlerweile auch in Betrieb ist.
Das Schöffengericht Augsburg hatte den bisherigen Besitzer im Oktober 2019 wegen Steuerhinterziehung für schuldig erklärt und eine Bewährungsstrafe verhängt. Der Vorwurf: Aus der Asche von Toten seien Zahngold, künstliche Gelenke und Herzschrittmacher ausgesondert und verkauft worden. Der Erlös sei teilweise am Finanzamt vorbei in die Taschen der Verantwortlichen geflossen.
Als die Vorfälle in dem Kemptener Krematorium ans Tageslicht kamen, war der Schock in der Stadt groß. Viele Hinterbliebene belastete der Gedanke, dass mit den Überresten ihrer Angehörigen womöglich Geschäfte gemacht worden waren.
Im Juni untersagte die Stadt Kempten dem damaligen Betreiber „aufgrund seiner strafrechtlichen Verurteilung“, sein Gewerbe weiter auszuüben, sagt Stadtdirektor Wolfgang Klaus. Die Stadt habe aus gegebenem Anlass geprüft, ob der Gewerbetreibende unzuverlässig ist und ob ihm dann „zum Schutz des Wirtschaftsverkehrs“die Ausübung seines Geschäfts untersagt werden müsse. Den Krematoriumsbesitzer, der für die Allgäuer Zeitung nicht erreichbar war, bewerteten die Verantwortlichen nach dem Gerichtsprozess schließlich als „unzuverlässig“.
Der Betreiber habe laut Klaus darauf verzichtet, Rechtsmittel einzulegen, und die Anordnung damit anerkannt. Die Stadt gewährte dem Krematoriumsbesitzer deshalb eine Frist bis Ende 2020. Die habe er eingehalten und das Krematorium nun an „Facultatieve Deutschland GmbH“verkauft. Die holländische Gruppe, zu der der deutsche Ableger gehört, betreibt in Deutschland eigenen Angaben zufolge mit Kempten nun ihr viertes Krematorium. Damit aber nicht das erste im Allgäu: Auch das Krematorium in Memmingen ist Teil der Facultatieve-Gruppe. Dort befindet sich der Hauptsitz des deutschen Ablegers.
Das Kerngeschäft des laut Internetseite 1874 gegründeten Unternehmens umfasst Dienstleistungen und Technik im Bereich Bestattung. „Qualität der Dienstleistung, Zusammenarbeit und Respekt für Verstorbene und Angehörige haben immer höchste Priorität“, teilt Patrick De Meyer, Vorstandsvorsitzender der Facultatieve-Gruppe, mit. „Wir freuen uns, dass die Mitarbeiter im Krematorium Kempten bleiben, sie sind jedem bekannt und vertraut“, sagt Stefan van Dorsser, der das Krematorium nun leitet.
Einen ruhigen Start haben die neuen Betreiber allerdings nicht: Die Corona-Pandemie verursache mehr Arbeitsdruck in der gesamten Bestattungsbranche, sagt van Dorsser. Er und sein Team wollen ihre Erfahrung nutzen, um den Service zu optimieren. An den Kosten ändert sich ihm zufolge nichts.
Mit dem neuen Standort in der Daimlerstraße seien mittlerweile insgesamt sechs Öfen in Betrieb. Neben der Asche des Verstorbenen bleiben auch Metalle nach der Einäscherung zurück. Diese können nach Wunsch der Angehörigen der Asche zugesetzt oder recycelt werden. „Der Erlös daraus wird für wohltätige Zwecke verwendet“, sagt der neue Leiter.
Von politischer Seite sei immer wieder die Frage aufgekommen, ob die Stadt das Krematorium nicht als Eigenbetrieb weiterführen könne, sagt Rechtsreferent Klaus. „Das ist definitiv nicht möglich.“Die Stadt als öffentliche Hand dürfe sich nicht – finanziert durch Steuergelder – auf dem freien Markt betätigen, solange es Bewerber aus der Privatwirtschaft gebe.
Und auch dann wäre fraglich, ob ein Eigenbetrieb sinnvoll ist. Die Stadt Kempten hätte Anlagen abkaufen und Mitarbeiter übernehmen müssen. Eine Feuerbestattung sei jedoch nicht zwingend vorgeschrieben und gehöre daher auch nicht zu den kommunalen Aufgaben einer Stadt.