Sie graben und graben
Auf dem Zentralfriedhof Kempten gibt es einen starken Befall mit Maulwürfen
- „Der Maulwurf ist nicht unser bester Freund.“Dieser Satz könnte von einem Golfplatz-Gärtner stammen oder von Blumenfreunden, denen der kleine Insektenfresser immer neue (Erd)Haufen zwischen die Beete setzt. Tatsächlich ist es Michael Kaps, Leiter der Friedhofsverwaltung Kempten, der gerade keine innige Freundschaft mit den possierlichen Tierchen pflegt. Es gibt so viele, dass etwa im Zentralfriedhof von einem „extrem starken Befall“die Rede ist. Kaps sagt, dass viele Friedhöfe mit den Tieren zu kämpfen hätten. Aber nur im übertragenen Sinn, denn Maulwürfe stehen unter Naturschutz.
Dass die im Untergrund grabenden Tiere Insekten und Würmer fressen, ist nicht das Ärgernis. Eher die großen Erdhaufen, die sie an der Oberfläche hinterlassen – auf den Grünstreifen zwischen den Gräbern und teils auch auf den Gräbern selbst. Nach 50 Haufen im Umfeld der von ihr gepflegten Grabstelle habe sie das Zählen aufgehört, sagt beispielsweise Gabi Regli aus Kempten. Ihr Versuch, die Tiere mit tief in die Haufen gesteckten Knoblauchzehen zu verscheuchen, brachte nichts. Es handelt es sich um einen Bereich rechts des
Haupteingangs, der nach Ansicht der Stadt „besonders schlimm“betroffen ist.
Was tue die Friedhofsverwaltung, fragt Regli. Im Moment bestehe die Abwehr darin, die Hügel abzutragen und einzuebnen, sagt Pressesprecher Andreas Weber. Leider sei gerade im Winter die schlechteste Zeit, Maulwürfe zu fangen, da hier die Grabetätigkeit am größten ist und Fallen nicht funktionieren. Fallen? Der Maulwurf steht doch unter Naturschutz und darf nicht getötet werden. Wenn, dann verwende man Lebendfallen, erklärt Kaps. Aber die Maulwürfe würden sie mit Erde zuschieben. Nun ebnet die Verwaltung die Hügel halt ein.
Gabi Regli ist davon allerdings wenig begeistert, denn so habe man noch mehr Erde an den Schuhen. Um die Hügel könne man wenigstens herumlaufen. Doch die Stadt will es auch nicht dabei belassen. Ab April wolle man die Maßnahmen intensivieren, sagt Weber – auch mithilfe eines einheimischen Experten. Und die Friedhofsverwaltung stehe den Bürger selbstverständlich als Ansprechpartner zur Verfügung.
Als Hausmittel gegen den Maulwurf nennt die Stadt mit Blick auf den Naturschutz Dinge wie etwa Knoblauch und Essig, um für die Tiere mit unangenehmen Gerüchen zu vertreiben. Doch was im kleinen Garten vielleicht hilft, stellt sich auf einem Friedhof ganz anders da. Entsprechend bringe hier auch der sogenannte „Maulwurfschreck“nichts, meint Michael Kaps. Dabei handelt es sich um Erdspieße, die Maulwürfe und Wühlmäuse mit Piepen und leichtem Rütteln vertreiben sollen. Auf einem großen Friedhof wäre eine Unmenge solcher Erdspieße nötig – und es wäre wohl mit jeglicher Ruhe vorbei.
Doch warum legt der Maulwurf überhaupt im Zentralfriedhof plötzlich so los? Ein Grund für die Zunahme seien die milden Winter der vergangenen Jahre, heißt es bei der Stadt. Dazu kommen die Leerstände in so mancher Grabreihe. Weil viele Menschen inzwischen auf Urnenbestattungen setzen, werden weniger große Gräber ausgehoben. Durch die geringeren Sargbestattungen fänden die Tiere ideale Bedingungen, insbesondere lockeren Boden bis in die Tiefe, sagt Weber. Und andersrum: Wo andauernd der Boden aufgegraben wird, seien Maulwürfe nicht so gerne unterwegs.
Gartenfreunde kennen weitere Mittel, um geruchssensible Maulwürfe zu vertreiben: saure Milch etwa, Hundehaare, Essigessenz und Pflanzenjauchen aus Brennnesseln. Bei all dem sei es aber wichtig, sagen Experten, dass man die Geruchsquellen gleichmäßig alle paar Meter auf das Gangsystem verteilt und je nach Witterung mindestens einmal wöchentlich erneuert.
Übrigens mögen Maulwürfe auch keinen Alkohol. Deshalb soll es sogar ausreichen, einige leere (!) Flaschen mit der Öffnung nach unten in die Gänge zu stecken. Je hochprozentiger der Inhalt der Flaschen war, desto empfindlicher reagierten die Maulwürfe. Auf einem Friedhof dürfte freilich auch ein Haufen leerer Schnapsflaschen kein angemessener Weg sein.