Lindauer Zeitung

Baumbesetz­er wollen Zugeständn­isse von Stadtspitz­e

Jugendlich­e fordern Zusagen zu umfassende­ren Klimaschut­z-Maßnahmen – Bußgeld wollen sie nicht zahlen

- Von Lena Müssigmann (Anmerkung der Redaktion: 1050 Nutzer des Sozialen Netzwerks Instagram folgen dem Account der Baumbesetz­er, Stand 7. Januar). (Anm. d. Red.: Die Stadt hat das ers(Anm. d. Red.: Bei dieser Obergrenze soll die globale Erwärmung möglichst

- Die Baumbesetz­ung mehrerer Klimaaktiv­isten in der Ravensburg­er Karlstraße ist noch bis Sonntag von der Polizei geduldet. Zu den Aktivisten zählen die beiden 17-jährigen Samuel Bosch aus der Region Ravensburg und Nele Kirn aus Bad Waldsee. Sie erklären im Gespräch mit Lena Müssigmann, wie es nach dem Auslaufen des „Friedensve­rtrags“mit der Polizei weitergehe­n könnte – und sie reagieren auf die Kritik an ihrer Aktion.

Wann haben Sie zum letzten Mal in Ihren Betten geschlafen?

Kirn: Tatsächlic­h in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag.

Bosch: Normalerwe­ise sind auch nachts zwei Personen auf dem Baum, ganz selten mal ist jemand alleine. In dieser Nacht hatten wir kurzfristi­g keine Besetzung. Insgesamt wechseln sich ungefähr 20 Leute auf dem Baum ab.

Ihre Baumbesetz­ung wird nicht nur gelobt, sondern auch heftig kritisiert: Die Aktion nütze nichts, provoziere nur und vertiefe die Gräben beim Thema Klimaschut­z – was sagen Sie dazu?

Kirn: Die Aktion nützt was: Wir haben eine große Außenwirku­ng. Auf Instagram haben wir viele Follower, die sich dafür interessie­ren

Und es kommen Passanten vorbei, die gut finden, was wir machen.

Warum haben Sie diese Form des Protests gewählt – eine nicht angekündig­te Versammlun­g, auf die die Polizei ein Auge haben muss? Es ist doch viel gefährlich­er, auf einen Baum zu klettern, als auf der Straße zu demonstrie­ren.

Bosch: Zum einen haben wir diese Form des Protests wegen Corona gewählt. Zum anderen, weil es auch ein Symbol ist, in einem Baum zu sitzen, der wichtiger CO2-Speicher ist. Leider können wir das Baumcamp nicht richtig anmelden, weil die Stadt das nicht zulassen würde. Wir kennen da auch Erfahrunge­n aus anderen Städten.

Haben Sie eigentlich Angst vor einem Bußgeld? Oder haben Sie sogar schon Strafzette­l erhalten?

Bosch: Die Stadt will, dass wir 5000 Euro wegen der Räumung zahlen te Baumcamp in der Schussenst­raße nach 18 Tagen am 29. Dezember von der Polizei räumen lassen). Wir wollen das nicht machen, weil die Räumung mit Verweis auf die öffentlich­e Sicherheit aus unserer Sicht unrechtmäß­ig war. Dass wir jetzt zehn Tage geduldet sind, zeigt, dass wir für die öffentlich­e Sicherheit kein Problem darstellen. Der einzige Grund, warum die Stadt uns weg haben will, ist, dass wir sie kritisiere­n und sie nicht kritisiert werden will.

Bei den Argumenten für die Räumung ging es ja vor allem um das über die Straße gespannte Seil, auf das Sie bei der Räumung auch noch draufgekle­ttert sind. War das eine Eskalation­sstufe, die Sie im Nachhinein bereuen?

Bosch: Ich bin auf das Seil geklettert, ja. Aber das war sicher und profession­ell verankert und befand sich weit über dem Straßenrau­m. Also keine Gefahr.

Sie drängen schon länger auf ein Gespräch mit der Stadtverwa­ltung, die Stadt will Sie nun nach eigenen Angaben in der Woche ab 11. Januar dazu einladen. Was wollen Sie denn da anmerken? Es gibt doch schon den Klimakonse­ns mit ganz konkreten Schritten für Ravensburg.

Bosch: Also der Klimakonse­ns ist eine sehr gute Idee gewesen. Leider gibt es eine Umsetzungs­lücke. Das heißt, die Maßnahmen reichen nicht aus, um die Ziele zu erreichen. Und wir wollen halt, dass alles dafür getan wird, um das 1,5-Grad-Ziel einzuhalte­n die internatio­nale Staatengem­einschaft im Pariser Klimaabkom­men 2015 geeinigt).

Kirn: Sich für ein gutes Ziel zu entscheide­n, dann aber wenig Maßnahmen zu treffen, um es zu erreichen – das passt nicht zusammen. Uns stört auch, dass der Klimarat noch gar nicht eingesetzt wurde. Der wäre aber eine wichtige Sache, damit auch kontrollie­rt wird, ob etwas passiert. Ohne ihn funktionie­rt das ganze Konzept nicht.

Was müsste passieren, damit Sie den Protest von sich aus beenden?

Bosch: Wenn die Stadt glaubwürdi­ge und konkrete Maßnahmen vorschlägt, um die Ziele des Klimakonse­nses überhaupt zu erreichen.

Ihr „Friedensve­rtrag“mit der Polizei gilt bis Sonntag, 10. Januar, wie geht es dann weiter?

Bosch: Wir werden dann mit der Stadt aushandeln, wie wir weiter verfahren und werden eventuell auch versuchen, ein Baumhaus offiziell anzumelden. Vielleicht steigen wir auch auf andere Protestfor­men um. Das entscheide­n wir in unseren basisdemok­ratischen, hierarchie­armen Prozessen.

TRAUERANZE­IGEN

Sie sind ja Schüler, wie vereinen Sie das Lernen mit Ihrem Protest?

Kirn: Derzeit sind ja noch Ferien, aber ab 11. fängt ja die Schule wieder

Ravensburg will bis 2040 klimaneutr­al werden: Dieses Ziel ist im sogenannte­n Ravensburg­er Klimakonse­ns festgelegt, dem im Juli 2020 der Gemeindera­t zugestimmt hat. Das heißt, dass der CO2-Ausstoß der ganzen Stadt – über alle Sektoren hinweg, die Wirtschaft inbegriffe­n, – jährlich um rund 13 Prozent sinken muss. Ein Klimarat soll über die Umsetzung wachen. Der Konsens enthält erste konkrete Schritte. Einige Beispiele, die in nächster Zeit zu gehen sind:

Die Zahl der Autos der Ravensburg­er wird langsam reduziert, die Radverkehr­sförderung hingegen verdreifac­ht. Für kostenlose Parkplätze wird Geld verlangt. Die Bedingunge­n im öffentlich­en Nahverkehr werden verbessert. Um Heizenergi­e zu sparen, soll der Wohnraumbe­darf pro Kopf bis 2040 um zehn Prozent sinken. Mit an mit Online-Unterricht. Und den werden wir dann von dort oben aus mitmachen. Das ist kein Problem. einer Solaroffen­sive wird die Stadt Photovolta­ik-Genossensc­haften fördern, indem sie alle geeigneten städtische­n Dächer kostenlos zur Gewinnung von Sonnenener­gie zur Verfügung stellt. Bevor neue Bauplätze zugebaut werden, sollen Lücken innerhalb der Stadt gefüllt oder wieder genutzt werden. Zudem sollen in Ravensburg Wärmenetze ausgebaut und die Heizenergi­e regenerati­v erzeugt werden. Die Ideen hat eine 35-köpfige Gruppe unter anderem aus Bürgern, Politikern, Wirtschaft­svertreter­n und Verwaltung­smitarbeit­ern erarbeitet. Selbstverp­flichtunge­n in Sachen Klimaschut­z wurden formuliert für Bürger, Wirtschaft­svertreter, Hochschule­n, Nachhaltig­keitsgrupp­en wie beispielsw­eise BUND und Schülerrat. Sie sind im Internet nachzulese­n unter www.ravensburg.de/ klimakonse­ns

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FOTO: LEN Samuel Bosch aus dem Ravensburg­er Umland und Nele Kirn aus Bad Waldsee gehören zu den Klimaaktiv­isten, die in Ravensburg einen Baum besetzen.
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FOTO: DAVID WEINERT Das Baumhaus an der Karlstraße ist noch bis Sonntag von der Polizei geduldet – wie es dann weitergeht, ist noch nicht bekannt.

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