Baumbesetzer wollen Zugeständnisse von Stadtspitze
Jugendliche fordern Zusagen zu umfassenderen Klimaschutz-Maßnahmen – Bußgeld wollen sie nicht zahlen
- Die Baumbesetzung mehrerer Klimaaktivisten in der Ravensburger Karlstraße ist noch bis Sonntag von der Polizei geduldet. Zu den Aktivisten zählen die beiden 17-jährigen Samuel Bosch aus der Region Ravensburg und Nele Kirn aus Bad Waldsee. Sie erklären im Gespräch mit Lena Müssigmann, wie es nach dem Auslaufen des „Friedensvertrags“mit der Polizei weitergehen könnte – und sie reagieren auf die Kritik an ihrer Aktion.
Wann haben Sie zum letzten Mal in Ihren Betten geschlafen?
Kirn: Tatsächlich in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag.
Bosch: Normalerweise sind auch nachts zwei Personen auf dem Baum, ganz selten mal ist jemand alleine. In dieser Nacht hatten wir kurzfristig keine Besetzung. Insgesamt wechseln sich ungefähr 20 Leute auf dem Baum ab.
Ihre Baumbesetzung wird nicht nur gelobt, sondern auch heftig kritisiert: Die Aktion nütze nichts, provoziere nur und vertiefe die Gräben beim Thema Klimaschutz – was sagen Sie dazu?
Kirn: Die Aktion nützt was: Wir haben eine große Außenwirkung. Auf Instagram haben wir viele Follower, die sich dafür interessieren
Und es kommen Passanten vorbei, die gut finden, was wir machen.
Warum haben Sie diese Form des Protests gewählt – eine nicht angekündigte Versammlung, auf die die Polizei ein Auge haben muss? Es ist doch viel gefährlicher, auf einen Baum zu klettern, als auf der Straße zu demonstrieren.
Bosch: Zum einen haben wir diese Form des Protests wegen Corona gewählt. Zum anderen, weil es auch ein Symbol ist, in einem Baum zu sitzen, der wichtiger CO2-Speicher ist. Leider können wir das Baumcamp nicht richtig anmelden, weil die Stadt das nicht zulassen würde. Wir kennen da auch Erfahrungen aus anderen Städten.
Haben Sie eigentlich Angst vor einem Bußgeld? Oder haben Sie sogar schon Strafzettel erhalten?
Bosch: Die Stadt will, dass wir 5000 Euro wegen der Räumung zahlen te Baumcamp in der Schussenstraße nach 18 Tagen am 29. Dezember von der Polizei räumen lassen). Wir wollen das nicht machen, weil die Räumung mit Verweis auf die öffentliche Sicherheit aus unserer Sicht unrechtmäßig war. Dass wir jetzt zehn Tage geduldet sind, zeigt, dass wir für die öffentliche Sicherheit kein Problem darstellen. Der einzige Grund, warum die Stadt uns weg haben will, ist, dass wir sie kritisieren und sie nicht kritisiert werden will.
Bei den Argumenten für die Räumung ging es ja vor allem um das über die Straße gespannte Seil, auf das Sie bei der Räumung auch noch draufgeklettert sind. War das eine Eskalationsstufe, die Sie im Nachhinein bereuen?
Bosch: Ich bin auf das Seil geklettert, ja. Aber das war sicher und professionell verankert und befand sich weit über dem Straßenraum. Also keine Gefahr.
Sie drängen schon länger auf ein Gespräch mit der Stadtverwaltung, die Stadt will Sie nun nach eigenen Angaben in der Woche ab 11. Januar dazu einladen. Was wollen Sie denn da anmerken? Es gibt doch schon den Klimakonsens mit ganz konkreten Schritten für Ravensburg.
Bosch: Also der Klimakonsens ist eine sehr gute Idee gewesen. Leider gibt es eine Umsetzungslücke. Das heißt, die Maßnahmen reichen nicht aus, um die Ziele zu erreichen. Und wir wollen halt, dass alles dafür getan wird, um das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten die internationale Staatengemeinschaft im Pariser Klimaabkommen 2015 geeinigt).
Kirn: Sich für ein gutes Ziel zu entscheiden, dann aber wenig Maßnahmen zu treffen, um es zu erreichen – das passt nicht zusammen. Uns stört auch, dass der Klimarat noch gar nicht eingesetzt wurde. Der wäre aber eine wichtige Sache, damit auch kontrolliert wird, ob etwas passiert. Ohne ihn funktioniert das ganze Konzept nicht.
Was müsste passieren, damit Sie den Protest von sich aus beenden?
Bosch: Wenn die Stadt glaubwürdige und konkrete Maßnahmen vorschlägt, um die Ziele des Klimakonsenses überhaupt zu erreichen.
Ihr „Friedensvertrag“mit der Polizei gilt bis Sonntag, 10. Januar, wie geht es dann weiter?
Bosch: Wir werden dann mit der Stadt aushandeln, wie wir weiter verfahren und werden eventuell auch versuchen, ein Baumhaus offiziell anzumelden. Vielleicht steigen wir auch auf andere Protestformen um. Das entscheiden wir in unseren basisdemokratischen, hierarchiearmen Prozessen.
TRAUERANZEIGEN
Sie sind ja Schüler, wie vereinen Sie das Lernen mit Ihrem Protest?
Kirn: Derzeit sind ja noch Ferien, aber ab 11. fängt ja die Schule wieder
Ravensburg will bis 2040 klimaneutral werden: Dieses Ziel ist im sogenannten Ravensburger Klimakonsens festgelegt, dem im Juli 2020 der Gemeinderat zugestimmt hat. Das heißt, dass der CO2-Ausstoß der ganzen Stadt – über alle Sektoren hinweg, die Wirtschaft inbegriffen, – jährlich um rund 13 Prozent sinken muss. Ein Klimarat soll über die Umsetzung wachen. Der Konsens enthält erste konkrete Schritte. Einige Beispiele, die in nächster Zeit zu gehen sind:
Die Zahl der Autos der Ravensburger wird langsam reduziert, die Radverkehrsförderung hingegen verdreifacht. Für kostenlose Parkplätze wird Geld verlangt. Die Bedingungen im öffentlichen Nahverkehr werden verbessert. Um Heizenergie zu sparen, soll der Wohnraumbedarf pro Kopf bis 2040 um zehn Prozent sinken. Mit an mit Online-Unterricht. Und den werden wir dann von dort oben aus mitmachen. Das ist kein Problem. einer Solaroffensive wird die Stadt Photovoltaik-Genossenschaften fördern, indem sie alle geeigneten städtischen Dächer kostenlos zur Gewinnung von Sonnenenergie zur Verfügung stellt. Bevor neue Bauplätze zugebaut werden, sollen Lücken innerhalb der Stadt gefüllt oder wieder genutzt werden. Zudem sollen in Ravensburg Wärmenetze ausgebaut und die Heizenergie regenerativ erzeugt werden. Die Ideen hat eine 35-köpfige Gruppe unter anderem aus Bürgern, Politikern, Wirtschaftsvertretern und Verwaltungsmitarbeitern erarbeitet. Selbstverpflichtungen in Sachen Klimaschutz wurden formuliert für Bürger, Wirtschaftsvertreter, Hochschulen, Nachhaltigkeitsgruppen wie beispielsweise BUND und Schülerrat. Sie sind im Internet nachzulesen unter www.ravensburg.de/ klimakonsens