Stillstand im Sport
Sportvereine sind unglücklich über die Zwangspause
Von Isabel de Placido
- Bereits zum zweiten Mal müssen die Sportvereine coronabedingt eine Pause einlegen. Turnhallen, Sport- und Fußballplätze sind seit November wieder für den Vereinssport geschlossen. Der Bayerische Landessportverband hat bereits massenhafte Austritte registriert und fürchtet zum Jahresbeginn noch mehr. Wie sieht die Lage bei den Sportvereinen der bayerischen Bodenseegemeinden aus, und wie ist bei ihnen die derzeitige Stimmung? Die Lindauer Zeitung hat sich beim BC Bodolz, beim Turnverein Wasserburg und beim Sportverein Nonnenhorn umgehört.
„Ich hätte am liebsten gesagt, es geht uns „einigermaßen“, antwortet Manfred Wydra, Vorsitzender des BC Bodolz, auf die Frage, wie es denn dem Bodolzer Verein mit dem zweiten Lockdown in diesem Jahr, gehe. Aber so wirklich und aus vollster Überzeugung kann er denn doch nicht sagen, „einigermaßen“. Stattdessen berichtet er, dass der Verein bereits Austritte zu beklagen hat, die zumindest zum Teil coronabedingt seien. Grundsätzlich, so sagt er, müsste sich zwar keiner für einen Austritt rechtfertigen. Manche würden dies aber trotzdem tun und ihn damit begründen, dass sie aufgrund ihrer coronabedingten finanziellen Situation jede Ausgabe auf den Prüfstand stellten. Eine Vereinsmitgliedschaft gehöre dann eben nicht zu den unbedingt notwendigen dazu. Aber: „Bis jetzt halten uns 95 Prozent der Mitglieder die Treue“, freut sich der Vorsitzende und erzählt, dass just in diesen Tagen die Kündigungsfristen für das kommende Jahr abgelaufen seien. „Aber natürlich nehmen wir auch noch danach Kündigungen an. Wir sind ja ein Verein“, betont er, hofft allerdings, und gerade, weil der
BC Bodolz ein Verein ist, dass tatsächlich keine Kündigungen mehr ins Haus flattern. „Sonst wäre unser finanzielles Budget schnell erschöpft, und wir kämen in Bedrängnis“, fürchtet er und beziffert die Gesamtzahl derer, die aus welchen Gründen auch immer heuer ausgetreten seien, auf fünf Prozent.
„Ich habe schon Verständnis für die Maßnahmen, ich gehöre mit über 70 Jahren ja selbst der Risikogruppe an. Aber aus Vereinssicht ist es schon schwierig“, gibt Wydra zu bedenken. Am härtesten hätte es die 140 Mitglieder der Gymnastikabteilung getroffen. „Die können seit dem ersten Lockdown überhaupt nicht mehr trainieren“, während die Fußballer und Tennisspieler in der Interimszeit wenigstens draußen im Freien spielen konnten. Denn anders als die Nachbarvereine in Wasserburg und Nonnenhorn hat der BC Bodolz für seine rund 470 Mitglieder keine Halle, sondern lediglich den Sportplatz in Enzisweiler. Dementsprechend ist das sportliche Angebot ausgerichtet. Neben Fußball kann hier auf vier Plätzen Tennis gespielt werden. Und seit dem vergangenen Jahr steht hier auch das Minispielfeld, das außer von Vereinsfußballern gleichberechtigt auch von Freizeitkickern genutzt wird. Doch auch dies ist jetzt erneut geschlossen. Als Indoor-Trainingsmöglichkeit haben die Freizeitsportler nur den sogenannten „Gymnastikraum“. Ein Raum in der Bodolzer Feuerwehr, in dem der BC Bodolz klassische Gymnastik ebenso anbietet, wie Yoga, Step-Aerobic, Zumba und Line-Dance. Allerdings ist dieser Raum so klein, dass ein Sportbetrieb, als dieser noch erlaubt war, hier nur mit sechs Personen gleichzeitig möglich war. „Aber die Gymnastikdamen halten uns die Treue und ich weiß, dass sie ganz viel telefonieren. Und dass sie sich zum Nordic Walking getroffen haben.“
Besonders große Sorgen macht sich der Vorsitzende um die Kinder. „Wir alle brauchen Sport, aber wenn Kinder nur noch am Computer sitzen können, dann ist das schlimm“, findet Wydra und betont dabei noch einmal, dass er voll und ganz hinter den Beschränkungen stehe und überzeugt sei, „ohne die Maßnahmen geht es nicht“. Deswegen will er nicht jammern. Vor allem deshalb nicht, weil: „Auch wenn wir nicht glücklich sind, aber vor dem Zusammenbruch stehen wir nicht.“
Weit entfernt von einem Zusammenbruch ist auch der Turnverein Wasserburg. Aber: „Bei uns ist der komplette Sportbetrieb eingestellt“, bedauert Vorsitzender Wolfgang Rehfuß. „97 Prozent unserer Angebote finden in der Sumserhalle statt und können momentan nicht stattfinden. Deswegen haben wir alles auf Pause gestellt.“Was den Vorsitzenden umso betrübter stimmt, nachdem ein ausgefeiltes Hygienekonzept den Sport- und Spielbetrieb des Vereins sicherstellen sollte. Denn nicht nur beim Hallensport mit seinen vielen Turn-, Gymnastik- und Fitnessangeboten geht gar nichts mehr, auch der komplette Ballspielund Fußballbetrieb ist vorerst eingestellt. Nachdem anfangs noch Fußballspiele möglich waren, mussten die Spiele wieder abgesagt werden, berichtet Rehfuß, der die D-Jugend in der JSG Hege-Nonnenhorn-Bodolz trainiert. Gerade für die Kinder sei dieser Vereins-Lockdown – und damit teilt er die Ansicht seines Bodolzer Kollegen – „extrem schade“. Dabei fürchtet er, dass auch nach dem Lockdown so manches Kind nicht mehr den Weg zurück finden werde. „Es wird schwierig werden, sie zu motivieren.“So wie die jüngsten Mitglieder unter dem Sportentzug leiden, so leidet die betagtere Generation unter dem Vereinsentzug. „Wir haben die ein oder andere Seniorengruppe, und denen geht es extrem ab, dass sie nicht mehr zusammenkommen dürfen“, weiß Rehfuß und erzählt von einer Gruppe, deren Mitglieder, vor allem Damen, sich seit 40 Jahren jeden Montag zur Gymnastik getroffen haben. „Denen fehlt das jetzt.“Und da mag es nicht so sehr der Sport sein, der ihnen abgeht, sondern das gesellige Zusammensein. Aber auch das ist es, was einen Verein ausmacht. Zum Glück hat Rehfuß im Gegensatz zu Wydra noch keine coronabedingten Austritte zu verbuchen. „Der TV Wasserburg ist ein Verein und kein Dienstleister“, fasst er das Ergebnis jener Diskussion zusammen, die bereits vereinsintern stattgefunden hat. Demnach grenzt sich der Verein klar von der Einstellung ab, dass Geld für ausgefallene Übungsstunden zurückerstattet gehöre. „Bei uns zahlt man die Vereinszugehörigkeit und nicht die Übungsstunde“. Allerdings rechnet er schon damit, dass noch Austritte kommen werden. Vor allem bei den Kleinkindern, in deren Gruppen der Verein rigorose und nicht ganz unpopuläre Vorsichtsmaßnahmen ergriffen hatte. So wurden die Gruppen auf Wasserburger Kinder und damit auf solche reduziert, die sowieso schon tagtäglich im Kindergarten oder in der Schule zusammenkamen. „Wir hatten Angst, zum Superspreader zu werden“, begründet Rehfuß den Ausschluss der Kinder aus Nachbargemeinden
und erklärt, dass es trotz aller Bemühungen eben schwierig sei, kleine Kinder in der Turnstunde auf Abstand zu halten. „Da gab es dann Eltern, die sich ausgeschlossen gefühlt haben“, weiß der Vorsitzende. Um eine finanzielle Schieflage zu verhindern, hat der Vorsitzende sicherheitshalber die Gemeinde angeschrieben und um Nachsicht bei der Miete für die Sumserhalle gebeten. „Wir konnten sie ja im Frühjahr und jetzt seit November nicht nutzen“, sagt Rehfuß. „Ich bin gespannt, wie sich die Gemeinde in Richtung Ehrenamt entscheidet.“
Wie schon der TV Wasserburg hat auch der Sportverein Nonnenhorn keine coronabedingten Kündigungen zu verbuchen. „Gott sei Dank halten uns die Mitglieder die Treue“, freut sich Vorsitzender Marius Spöttl, wenngleich er einräumt: „Uns trifft der Lockdown schon hart.“Insbesondere für die klassischen Sportarten, die nur in den Turnhallen trainieren, sei es heftig. Die Gymnastikgruppen hätten sich zwar im Sommer damit beholfen, nach draußen zu gehen, aber sie seien dann auch froh gewesen, als Sport wieder drinnen, und damit im Stedi, möglich war. „Und jetzt können sie wieder nicht.“Jetzt allerdings, mit dem zweiten Lockdown, seien nicht nur die Turner aller Altersgruppen betroffen, sondern alle Sportler, bis hin zu den Fußballern. „Gerade draußen, im Outdoorsport, ist das Verbot nicht nachvollziehbar. Hier könnte man mehr erlauben“, findet Spöttl. Grundsätzlich aber macht er sich keine Sorgen um den Verein oder darüber, dass er in eine finanzielle Schieflage geraten könnte. Was aber besonders fehle, sei die Gemeinschaft. „Das sind die Dinge, die schmerzen.“Schon allein deswegen hofft er darauf, dass bald wieder „Normalität“eintreten möge.