Ansturm der Skitourengeher erwartet
Experten warnen: Auf geschlossenen Pisten können Schneebretter abgehen
- Alle Lifte und Bergbahnen stehen still, die meisten Pisten sind offiziell geschlossen. Und doch tummeln sich auf den Abfahrten Tourengeher und Schneeschuhläufer. Seit Mittwoch liegt auch abseits der gesicherten Pisten genug Schnee für Wintersportler.
Doch mit den Niederschlägen hat auch die Lawinengefahr drastisch zugenommen: Von der Stufe 1 („gering“) am Dienstagmorgen auf 3 („erheblich“) am Mittwoch. Und es soll noch viel mehr Neuschnee geben. Der bayerische und der Vorarlberger Lawinenwarndienst gehen davon aus, dass die zweithöchste Warnstufe 4 („groß“) erreicht werden könnte. Denn außer dem Niederschlag hat das nächste Schneetief viel Wind im Gepäck, der die Lawinengefahr verschärft. Ein Zwischenhoch am Samstag wird vermutlich wieder zu einem Ansturm der Wintersportler sorgen.
Thomas Hafenmair, Bergführer aus dem Ostallgäuer Roßhaupten, kennt sich als langjähriger ehrenamtlicher Mitarbeiter des Lawinenwarndienstes, in den winterlichen Bergen aus. Er sagt, heuer sei natürlich alles anders: „Die Pisten sind in diesem Winter genauso gefährlich wie der alpine Raum“, sagt er. Denn es gebe dort keine Lawinensprengungen, keine Sicherungen und Absperrungen durch die Betreiber. Entsprechend müsse man auch auf Pisten die gängige Notfallausrüstung bei sich haben: Lawinen-VerschüttetenSuch-(LVS)-Gerät, Schaufel und Sonde. Anders als bei geregeltem Skibetrieb sei jetzt jeder Schneesportler eigenverantwortlich unterwegs. „Auf Schneedepots aufgehäufter Kunstschnee, Gräben oder Leitungen zu den Schneekanonen können beispielsweise das Skifahren gefährlich machen“, heißt es vom Deutschen Alpenverein.
Angesichts der geschlossenen Skigebiete hatten sich viele Wintersportler
Schneeschuhe oder eine Tourenski-Ausrüstung zugelegt, während Pistenskier wegen der geschlossenen Bahnen und Lifte zu Ladenhütern geworden sind. „Es nutzt aber nichts, ein LVS-Gerät und die Sicherheitsausrüstung dabei zu haben, wenn man damit nicht umgehen kann“, sagt Bergführer und Lawinenexperte Bernd Zehetleitner aus dem Oberallgäuer Burgberg.
Seit 24 Jahren organisiert seine Bergschule Oberallgäu jeweils im Januar den Allgäuer Lawinentag, an dem Interessierte einen Einblick in wichtige Aspekte der Lawinenkunde erhalten und die Anwendung der Sicherheitsausrüstung praktisch geübt wird. Doch wegen Corona fällt der Allgäuer Lawinentag genauso aus wie Kurse bei Alpenvereins-Sektionen oder Bergschulen.
Können Online-Angebote solche Lawinenkurse ersetzen? „Nein“, meint Bergführer Hafenmair. Digital-Schulungen könnten eine interessante Ergänzung sein, der Faceto-Face-Unterricht
sei dadurch aber nicht zu ersetzen. Das sieht sein Kollege Bernd Zehetleitner genauso: „Das A und O ist die Praxis“, sagt der Bergführer. Beispielsweise müsse der Umgang mit dem LVS-Gerät, mit Schaufel und Sonde auch von erfahrenen Alpinisten regelmäßig geübt werden. Denn wenn nach einem Lawinenabgang ein Mensch verschüttet ist, zählt jede Sekunde: Bereits nach etwa 15 Minuten hat sich die Überlebenschance halbiert. Bis professionelle Retter kommen, dauert es aber in aller Regel länger. Entsprechend wichtig ist das richtige Verhalten der Ersthelfer. Damit es gar nicht so weit kommt, ist laut Zehtleitner das richtige Risiko-Management als Teil der Tourenplanung wichtig. Dazu bedarf es wichtiger Grundkenntnisse, beispielsweise über die Steilheit eines Hangs. Beträgt diese über 30 Grad, sollte man ihn bei Lawinenwarnstufe 3 generell eigentlich nicht mehr betreten oder befahren.