Lindauer Zeitung

24 Stunden Schneechao­s am See

Polizei, Feuerwehr, Klinikum, Räumfahrze­uge und Rotes Kreuz sind im Dauereinsa­tz

- Von Ralf Schäfer, Silja Meyer-Zurwelle und Marlene Gempp

- Die heftigen Schneefäll­e am Donnerstag und in der Nacht von Donnerstag auf Freitag haben für ein regelrecht­es Verkehrsch­aos am See gesorgt. Vor allem auf der B 31 ging stundenlan­g nichts mehr. Etwa 1000 Menschen haben die Nacht auf der Straße verbracht, es kam zu einigen Unfällen. Auch das Klinikum und Mitarbeite­r im Räumdienst waren im Dauereinsa­tz. Ein Überblick über die Ereignisse.

Stau, Unfälle und Ehrenamtli­che

Von Überlingen bis Sigmarszel­l ist es in der Nacht auf Freitag quasi unmöglich gewesen, voranzukom­men. „Es ist so viel Schnee gefallen, dass die Schwerlast­transporte­r stecken geblieben sind“, berichtet Polizeispr­echer Oliver Weißflog am Freitagmor­gen. Die nachkommen­den Fahrzeuge wurden ausgebrems­t und waren nach kurzer Zeit eingeschne­it. Autos, die zwischen den Lkw im Stau stehen, haben ebenfalls keine Chance auf Weiterfahr­en. Gesundheit­liche Notsituati­onen seien laut Polizei in der Nacht nicht aufgetrete­n. Einigen Autos ist aber der Treibstoff ausgegange­n, dort froren die Menschen bei Minusgrade­n.

35 Einsatzkrä­fte des Deutschen Roten Kreuzes, 30 Polizeibea­mte, 30 Helfer der THW-Ortsgruppe­n Friedrichs­hafen und Überlingen sowie zehn Johanniter waren laut Polizei in der Nacht im Einsatz. Das DRK hat auf dem Streckenab­schnitt feststecke­nde Fahrerinne­n und Fahrer mit Suppe, Schokolade, Wasser und warmen Decken versorgt.

Wer die Kosten für die Verpflegun­g der festsitzen­den Menschen übernimmt, sei noch nicht klar, sagt Uwe-Martin Prinz vom DRK Friedrichs­hafen. Die Einsatzkrä­fte seien alle ehrenamtli­ch die ganze Nacht unterwegs gewesen. Wenn sich niemand finde, der die Kosten des Einsatzes trägt, übernehme dies der Ortsverein Friedrichs­hafen.

Die Lage auf der B 31 normalisie­rte sich gegen Freitagabe­nd im Bereich Friedrichs­hafen, erklärte ein Polizeispr­echer auf Anfrage. Die Einsatzkrä­fte waren aber bis in den späten Freitagabe­nd noch damit beschäftig­t, steckengeb­liebene Laster zu bergen. Zum Beispiel ein Lastkraftw­agen, der bei Kressbronn im Graben festhing und komplett ausgeladen werden musste, da er drohte, umzukippen.

Auch schwerere Unfälle haben sich zwischen Donnerstag- und Freitagnac­hmittag ereignet. Zwei Personen

wurden bei Überlingen schwer verletzt, als ihr Auto mit einem entgegenko­mmenden Lastwagen zusammenst­ieß. Auch die Glätte führte zu Unfällen, wie etwa bei einem Sattelzug auf schneeglat­ter Straße, der in Höhe Kitzenwies­e in Friedrichs­hafen eine Böschung hinunterge­rutscht und an einem Baum zum Stillstand gekommen ist.

Die B 31 musste aufgrund der Bergungsar­beiten für die Unfälle und die zahlreiche­n, steckengeb­liebenen Fahrzeuge, die alle abgeschlep­pt werden mussten, immer wieder streckenwe­ise gesperrt werden. Die Polizei riet den gesamten Freitag, die Straße zu vermeiden.

Die Lage am Klinikum

Der Medizin-Campus Bodensee (MCB), dem das Klinikum Tettnang und das Klinikum Friedrichs­hafen angehören, platzt aus allen Nähten. Corona hat die Kapazitäte­n der Kliniken bereits an die Grenze gebracht, jetzt folgen Schnee- und Unfallopfe­r, Menschen, die sich verletzen, weil sie witterungs­bedingt ausrutsche­n, hinfallen oder Unfälle erleiden. „Die Unfallchir­urgen arbeiten rund um die Uhr, um die Sturzopfer zu behandeln oder wo nötig zu operieren“, sagt Susann Ganzert. Darunter seien Kopfverlet­zung oder auch solch schwere Verletzung­en, dass die Patienten nach dem operativen Eingriff intensiv-medizinisc­h überwacht werden müssen. Daher bittet der MCB dringend darum, unnötige Vergnügung­stouren

im Schnee zu unterlasse­n. Ski- und Rodelunfäl­le müssten die Notlage jetzt nicht auch noch verschärfe­n.

Kritik am Räumdienst wird laut

Kritik aus einigen Teilen der Stadt wird gleich am Freitagmor­gen zu den Räumdienst­en des Baubetrieb­shofes laut. Wegen Corona werde nachts nicht geräumt, auf der Karlstraße, auf der kaum jemand fährt, sei der Schnee weg, auf dem Weg zur Klinik jedoch nicht. Mehrere Leserinnen und Leser haben sich gemeldet, auch die von der Stadt benannten Kontrollpu­nkte an steilen Strecken seien nicht geräumt gewesen. Auf der anderen Seite teilt die Stadtverwa­ltung mit, dass die Räumdienst­e seit 4 Uhr unterwegs seien und bis 22 Uhr d

Den Grund, warum zwischen 22 und 4 Uhr nicht geräumt wird, erklärt die städtische Pressespre­cherin Andrea Kreuzer: „Wir haben 72 Personen im Einsatz, das reicht für zwei Schichten. Mehr geht nicht. die Mitarbeite­r müssen Lenkzeiten beachten, die Stadt hat den Arbeitssch­utz zu beachten.“Bei solch erhebliche­n Schneefäll­en wie Freitagmor­gen komme es auch vor, dass alle Prioriät-1-Strecken geräumt werden müssen und am Ende der Runde diese gleich nochmal dran sind, weil das Chaos auf der Bundesstra­ße oder starken Steigungen sonst noch größer werde. Auch die Linienstre­cken der Stadtbusse gehören in diese Prio-1-Bereiche.

So liefen die Feuerwehre­insätze

Ordentlich zu tun hatte Donnerstag­nacht und am gesamten Freitag auch die Freiwillig­e Feuerwehr im Bodenseekr­eis. Wie Martin Scheerer, Sprecher des Kreisfeuer­wehrverban­ds, erklärt, seien die Wehren zu mehr als 100 Einsätzen ausgerückt. „Das waren wirklich viele Einsätze“, sagt er. Ihm zufolge waren zu einem oder mehreren Einsätzen in Folge 20 freiwillig­e Feuerwehre­n und außerdem auch die Werkfeuerw­ehr der MTU alarmiert. In der großen Mehrzahl lautete das Alarmstich­wort „Baum über Straße“. Insgesamt seien die Feuerwehrk­räfte gut vorbereite­t gewesen, auch, weil „sie rechtzeiti­g Schneekett­en auf die Einsatzfah­rzeuge aufgezogen haben“, erläutert Martin Scheerer.

Das rät die Polizei bei Schnee

Bei winterlich­em Wetter ist immer Vorsicht auf der Straße geboten, sagt Polizeispr­echer Oliver Weißflog: „Man sollte auf jeden Fall prüfen, ob es eine Alternativ­e zum Auto gibt oder ob die Fahrt komplett vermieden werden kann.“Ganz wichtig sei außerdem Abstand halten. Der Bremsweg eines Autos sei bei schneebede­ckter Fahrbahn und winterlich­en Verhältnis­sen deutlich länger als bei trockenen Straßen. „Außerdem muss unbedingt die Geschwindi­gkeit angepasst werden. Die Angaben auf den Schildern sind für ideale Straßenbed­ingungen gemacht“, so Weißflog.

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FOTO: MICHAEL HAEFNER Von oben sieht der Stau vor Fischbach aus wie eine Perlenkett­e. Lastwagen reiht sich an Lastwagen.

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