Goodbye, Mr. Trump
„Ihre Zeit ist abgelaufen“– Wie sich Politiker aus der Region vom 45. US-Präsidenten verabschieden
- Heute geht sie zu Ende, die Amtszeit von Donald Trump. Als der 45. Präsident der Vereinigten Staaten vor vier Jahren ins Weiße Haus einzog, blickte die Welt mit Besorgnis in die USA – aber auch mit der Hoffnung, dass das Amt den New Yorker Immobilienmogul formt und nicht umgekehrt. Dass diese Annahme zu optimistisch war, zeigte sich alsbald. Trump verfolgte seine „America First“-Strategie und zog sich aus der internationalen Gemeinschaft zurück. Mit der gleichen Deutlichkeit teilte der Präsident via Kurznachrichtendienst Twitter mit, was er von Mexikanern, Migranten und Medien hielt. Er traf Diktatoren wie Kim Jong-un und äußerte sich wenig schmeichelhaft über Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die „Schwäbische Zeitung“hat sechs Politiker um persönliche letzte Worte an Trump gebeten. Hier ihre Zeilen.
Sie verlassen das Präsidentenamt mit einem besonders hässlichen Paukenschlag, denn Sie tragen die Verantwortung für den faschistischen Angriff auf das Kapitol, der kein spontaner Gewaltausbruch war, sondern Teil Ihrer gezielten Strategie der Zersetzung und der Hetze. Sie und Ihre Gefolgschaft haben ganz bewusst Millionen von Menschen mit Lügen, Hass und übelstem Rassismus aufgehetzt.
Dieser Hass wird wohl kaum verschwinden, wenn Sie die politische Bühne verlassen. Denn Ihr Erbe sind nicht nur eine außer Kontrolle geratene Pandemie und eine Wirtschaft im Sinkflug. Sie werden auch in die Geschichtsbücher eingehen als peinlichster und unfähigster Präsident, der die politischen Gräben weiter aufgerissen, enorm viel Leid verursacht und gesellschaftliche Probleme massiv verschärft hat.
Hoffnung macht in solchen Momenten der Mut von Menschen wie dem Polizisten Eugene Goodman. Anders als Sie wird er als Held in die Geschichte eingehen. Denn er stand am 6. Januar allein zwischen den ins Kapitol eindringenden Extremisten und dem
Raum, in dem sich die Senatorinnen und Senatoren aufhielten. Mutig und selbstlos lenkte er die Angreifer von dort weg und beschützte so Menschen und auch die Demokratie.
Eine Lehre aus der Geschichte ist, dass die Demokratie beschützt, gelebt und verteidigt werden muss. Das Gebot der Stunde ist daher der Zusammenhalt aller demokratischen Kräfte, über Grenzen von Fraktionen und Ländern hinweg. Wir dürfen die Chance für eine neue transatlantische Partnerschaft auf keinen Fall verstreichen lassen, denn die Herausforderungen und Chancen sind riesig – ob in der Pandemie, der Klimakrise oder beim Schutz der Demokratie.
Agnieszka Brugger
Ihre Zeit als Präsident der USA ist abgelaufen. Letztendlich haben auch Sie das Verlieren lernen müssen, auch wenn Sie es sich und anderen nicht eingestehen. Über die Stärke der USDemokratie bin ich sehr froh! Für viele gemeinsame Herausforderungen und die transatlantische Freundschaft waren die vergangenen vier Jahre verlorene Jahre: Durch Ihr „America-First“Programm leiden zwar langfristig insbesondere die US-Bürgerinnen und Bürger, aber auch wir Europäer waren unglücklich darüber, keine abgestimmte China-Strategie entwickelt zu haben und uns stattdessen bei Handels- und Klimathemen mit unserem engsten Verbündeten über Selbstverständlichkeiten streiten zu müssen. Auch wenn sicherlich nicht auf einen Schlag alles besser wird: Durch die Wahl Ihres Nachfolgers ist der Boden für vertrauensvolle Freundschaft wieder bereitet. Nichts ist wichtiger für diese Welt und unsere beiden Kontinente, als die entscheidenden Schritte gehen zu können, die zu Wohlstand, Sicherheit und Frieden führen. Diese Schritte können wir nur gemeinsam gehen, dann werden viele folgen. Auch als Wahlverlierer sind Sie Teil dieses Weges und sollen bei konstruktiver Mitarbeit – trotz allem, was geschehen ist – nicht ausgeschlossen sein!
Und noch eins: Sie wurden insbesondere in abgehängten Landesteilen gewählt. Warum haben Sie die Lage der Menschen dort nicht verbessert? Kann es sein, dass Sie nur deren Stimmen missbrauchten, die Menschen dort deshalb noch weiter abgehängt haben? Was für vertane Chancen für die USA: Ihr Frevel!
Roderich Kiesewetter
Ihre Präsidentschaft hat gezeigt: Das demokratische System ist verletzlich. Die Verfassung muss gelebt werden. Sie hängt an der zustimmenden Haltung der Bürger und der Politiker. Demokratie bedeutet Ausgleich und Kompromiss. „America First“ist das Gegenteil, Politik ohne Rücksicht auf andere. Ihr abfälliger Umgang mit Mitbewerbern bis hin zur Verächtlichmachung, Ihre fehlende Kritikfähigkeit – all das unterhöhlt Ansehen und damit Vertrauen in die Demokratie.
Auch bei uns gibt es die Tendenz, das Austarieren von Interessen als Schwäche zu diskreditieren, die eigene Position als absolut anzusehen, Widerspruch niederzubrüllen. Demokratie ja – solange sie den eigenen Interessen dient. Das ist Ihre Methode, die Methode Trump.
Man ließ Sie gewähren – aus Opportunismus, Ratlosigkeit oder der Haltung: Es wird schon nicht so schlimm. Ein Trugschluss. Die Demokratie muss verteidigt werden. Immer wieder aufs Neue. Ich hoffe, dass wir eines Tages sagen können: Und Sie waren uns dafür ein Weckruf.
Pascal Kober
Wie die meisten bin ich heilfroh, dass Sie abtreten müssen. Sie sind leider keine tragikomische, orangene Witzfigur, sondern eine ernsthafte und sehr bedrohliche Gefahr für die amerikanische Demokratie. Und die ist leider nicht gebannt, denn der Kult um Sie geht ja weiter. Was es heißt, wenn ein Narzisst und Egomane ein Land regiert, haben wir nun alle miterlebt: der Aufstieg rechtsextremer Gewalt, die Trennung geflüchteter Kinder von ihren Eltern, die Polizeigewalt
gegen Afroamerikaner, die Aufkündigung internationaler Verträge und Bündnisse etc. Nur vier Jahre haben Sie als Rechtspopulist gebraucht, um die USA außenpolitisch zu einem höchst unsicheren Partner zu machen und eine der ältesten und stabilsten Demokratien in ihren Grundfesten zu erschüttern mit dem vorläufigen traurigen Höhepunkt am 6. Januar 2021. Ich hoffe daher, dass sich zumindest ein Teil der republikanischen Partei seiner Verantwortung besinnt und gemeinsam mit den Demokraten Sie für immer von politischen Ämtern verbannt. Nur so hat Joe Biden eine Chance, die Demokratie in den USA zu festigen.
Hilde Mattheis
Bis zu Ihrer Amtszeit galt für mich die Feststellung, dass jemand ein „präsidiales Auftreten“hat, als Ausdruck höchsten Respekts und der Ehrerbietung. Sie haben diese Vorstellung zum Schaden Ihres Landes laufend pervertiert. Ich gehe fest davon aus und freue mich darauf, dass Joe Biden dem Amt wieder Würde und Ehre verleiht und gerade mit Deutschland wieder das Miteinander nach vorne stellt. Ich hoffe, dass Ihr „Beispiel“lehrt, dass die sozialen Medien bei Wahlentscheidungen ein katastrophaler Ratgeber sind. Laut und schrill reicht mir jedenfalls schon lange. Dazu gehört auch die Einsicht, dass man ein Land nicht per Twitter regieren kann.
Georg Nüßlein
Fraglos wirkte Donald Trumps Agieren nach seiner Wahlniederlage häufig verstörend. Seine Öffentlichkeitsarbeit war oft sehr unpassend. Ob zu Recht oder Unrecht; seine Amtszeit wird mit dem Eindringen von Krawallmachern ins Kapitol in Verbindung bleiben, auch wenn das Amtsenthebungsverfahren scheitern wird. Seine unbestreitbaren innenpolitischen Erfolge werden, insbesondere den Europäern, vor diesem Hintergrund kaum in Erinnerung bleiben.
Alice Weidel