Lindauer Zeitung

Die Geschichte hinter dem Lächeln

Susann Rek erzählt von Kinderleid, Lebensmut und Mutterglüc­k

- Von Susi Donner

- Das Foto zeigt eine wunderschö­ne junge Frau. Perfekt gestylt, mit einem Glas Weißwein in der Hand, steht Susann Rek am winterlich­en Bodensee in Nonnenhorn. Neben ihr steht ein Teller mit Shrimps auf einer Stele. Ein Bild wie aus einem Lifestyle-Magazin. Ihr gemütliche­r hellblauer Schlabbers­trickpulli bildet einen bodenständ­igen Gegensatz zu ihren streng zurückgebu­ndenen Haaren und dem profession­ell geschminkt­en Gesicht. Ein feines Lächeln. Was steckt dahinter?

Susann Rek ist Unternehme­rin und Model. Sie ist glückliche Ehefrau und liebevolle Mutter von drei Kindern. Das ist der beste Teil ihrer Biografie gleich zu Anfang. Ihre Lebensgesc­hichte ist der Stoff, aus dem Romane und Dramen geschriebe­n werden – oder besser Märchen – denn es gibt ein glückliche­s Ende.

Im Dezember 1983, einen Tag vor Heiligaben­d – Susann war zwei Jahre alt – wurde sie von ihrer leiblichen Mutter an der Klosterpfo­rte der Franziskan­erinnen in Schwäbisch Gmünd abgestellt. Gemeinsam mit ihren beiden Schwestern Jasmin (drei Jahre alt) und Denise (sechs Jahre). Die Mutter fuhr einfach davon und kam nie wieder. Was eigentlich auch schon das Positivste ihrer ersten Kindheitsj­ahre ist. Vielleicht wurden sie aber auch notfallmäß­ig von der Polizei bei den Nonnen abgegeben – das ist die zweite Wahrheit, die man ihr als Kind aber nicht erzählt hat. Denn die Kinder hatten bis zu diesem Zeitpunkt in einem Albtraum gelebt, schlimmes Leid und dramatisch­e Gefährdung für Leib und Seele erlebt. Sie wurden über Tage allein gelassen, an Betten und auf Stühlen angebunden. Sie hungerten. An den Vater hat Susann Rek nur ein dunkle, sehr ungute Erinnerung, von Angst durchsetzt. Der biologisch­en Mutter, von der sie heute sagt, dass sie psychisch krank gewesen sein muss, habe sie längst verziehen, um selbst ihren Frieden zu finden, will sie aber nicht in ihrem Leben.

Das Kloster und die Nonnen wurden für die Mädchen zur Arche. Sie kamen in die Gruppe von Schwester Thaddäa. „Bei ihr haben wir zum ersten Mal in unserem Leben erfahren, was Güte, Geborgenhe­it und Zuneigung sind.“Für die kleine Susi, wie sie genannt wurde, wären schnell Pflegeelte­rn gefunden worden. Aber Schwester Thaddäa wollte die Kinder

nur gemeinsam vermitteln. Schwierig, denn Susanns Schwestern waren hochtrauma­tisiert. Nach einem Jahr fand sich eine Pflegefami­lie. Margarethe und Georg Krämer aus Schwäbisch Gmünd nahmen Susann und ihre Schwestern bei sich auf. Das liebevolle Ehepaar hatte bereits drei leibliche Kinder und machte keinen Unterschie­d zwischen den eigenen und den Pflegekind­ern. „Das Kinderheim im Kloster und diese Familie sind das Beste, das uns passieren konnte“, sagt Susann Rek heute. Aus dem Kloster brachte sie eine Frömmigkei­t und einen Glauben in die neue Großfamili­e, die dort zwar nicht ausgeprägt gelebt wurde, die ihr selbst aber bis heute geblieben sind.

Obwohl nun alles gut gewesen sein könnte, war es für Susann nicht einfach. „Ich war in einem Schmerzzus­tand gefangen, aus dem ich mich erst befreien musste. Meine ersten beiden Jahre waren doch sehr prägend.“Die Schulzeit war schwierig. Sie schämte sich dafür, ein Heimkind zu sein, war schüchtern. „Bis ins Teenageral­ter hatte ich kaum Selbstwert­gefühl“, erinnert sie sich. Aber sie hatte gute Lehrer, die sie unterstütz­ten. Ihre Pflegeelte­rn, die sie den „Segen meines Lebens“nennt, ermöglicht­en ihr das Reiten. „Das gab mir Kraft. Meine Fürsorge für ein altes Pferd, das ich vor dem Schlachter gerettet habe, hat mir gutgetan.“

Susann Rek über Schwester Thaddäa

Sie absolviert­e die mittlere Reife und eine Ausbildung zur Zahnarzthe­lferin. Und sie wurde hübsch. Sehr hübsch. Was ihr selbst gar nicht auffiel. Irgendwann fragte sie ein Fotograf, ob er sie fotografie­ren dürfe. Ein neuer Lebensabsc­hnitt begann für die junge Frau. Sie gewann einen Modelconte­st, bekam Modeljobs, „aber nie Akt“, betont sie, wurde Hausmodel beim Unterwäsch­eherstelle­r Triumph und präsentier­te maritime Mode in Hochglanzm­agazinen. Es tat ihr gut, beachtet zu werden. Sie führte ein Zahnbleach­ing-Center in Stuttgart, vertrieb Produkte für ein strahlend weißes Lächeln und gründete schließlic­h ihre Firma „Einfach Schön“, mit der sie bis heute Ärzten Hyaluron-Produkte gegen Falten verkauft. Eine Branche, die enorm boomt.

Zeitenwech­sel. Sie gehört jetzt dazu. Vom Aschenputt­el zur Prinzessin. Ist mit Größen der Schönheits­branche wie dem Lindauer Schönheits­chirurgen Professor Werner Mang zu sehen. Bleibt dennoch bodenständ­ig. Ihren Mann Robert, einen erfolgreic­hen Wirtschaft­sprüfer aus Stuttgart, lernt sie an einer Tankstelle kennen. Vor elf Jahren heiraten sie in der Pfarrkirch­e von Wasserburg. Vor neun Jahren kommt Romy zur Welt. „Das hat mich verändert. Seit der Geburt meiner Tochter mag ich mich. Bin ich stolz auf mich und meinen Körper, der so Großartige­s hingekrieg­t hat“, erzählt sie freimütig. Die junge Mutter beginnt wieder zu arbeiten, drei Jahre später kommt Sohn Ron zur Welt. Susan Rek startet dennoch beruflich durch, unterstütz­t von ihrer Schwester Denise, mit der sie ein Herz und eine Seele ist. Ihren Arbeitsrad­ius hat Susann Rek eingeschrä­nkt, betreut mit ihren Produkten den Stuttgarte­r Raum und die deutschspr­achige Schweiz. Womit Nonnenhorn wieder ins Spiel kommt. Hier hat sie neben Stuttgart ihren zweiten Geschäftsu­nd Wohnsitz, weil sie von hier aus gut agieren kann. „Ich will meine Kinder jeden Abend zu Bett bringen“, sagt sie, und fügt leise hinzu, dass sie die Angst, bei ihren eigenen Kindern etwas falsch zu machen, immer wieder verfolge. Vor sechs Wochen kam Romeo, ihr jüngster Sohn zur Welt und sie ist froh, dass sie viele ihrer Tätigkeite­n aus dem Homeoffice heraus bewältigen kann.

Susann Rek ist im doppelten Sinn ein wunderschö­nes Beispiel dafür, dass ein Mensch trotz einer desolaten Kindheit ein glückliche­s Leben finden kann. „Meine Dankbarkei­t darüber ist sehr groß. Ich durfte wunderbare­n Menschen begegnen, und viel Liebe erfahren“, sagt sie und dass sie dem Leben etwas Gutes zurückgebe­n wolle. Deswegen initiiere sie soziale Projekte, mit denen sie vor allem Kinderheim­e unterstütz­e.

Als 2019 ihr Schwiegerp­apa stirbt, der in Kressbronn aufgewachs­en ist, versucht sie, mit ihren Kindern die Trauer zu bewältigen. Daraus ist ihr Büchlein „#Regenbogen­rutsche“entstanden, ihr Trauerbegl­eiter für Kinder, dessen Erlöse sie spendet.

Zurück zum Bild, mit dem Susanns Schwester Denise auf diese besondere Geschichte aufmerksam gemacht hat. Was steht hinter dem Lächeln? Das sonnige Gemüt einer erfolgreic­hen Unternehme­rin, deren Lebensweg düster begann, die aber mit Glück und Tapferkeit auf der Sonnenseit­e des Lebens gelandet ist. Das Glas Wein sei das erste seit ihrer Schwangers­chaft mit Romeo. „Ich wollte mit dem Bild zeigen, dass wir es uns trotz Corona und Lockdown schön machen können. Dass wir uns bewusst machen sollten, wie gut es uns trotz allem geht“, erklärt sie. Was auf dem Bild, das ihr Mann Robert geschossen hat, nicht zu sehen ist: ihre im Schnee tollenden Kinder Romy und Ron. „Meine Familie ist mein allergrößt­er Erfolg.“

„Bei ihr haben wir zum ersten Mal in unserem Leben erfahren, was Güte, Geborgenhe­it und Zuneigung sind.“

„Seit der Geburt meiner Tochter mag ich mich. Bin ich stolz auf mich und meinen Körper, der so Großartige­s hingekrieg­t hat.“

Susann Rek

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FOTO: SUSANN REK Die zweijährig­e Susi mit Schwester Thaddäa, die ihr im Kinderheim wie eine Mutter war. Schwester Thaddäa starb vor neun Jahren.

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