Lindauer Zeitung

„Lärmmessun­gen sind immer Momentaufn­ahmen“

Tobias Ehrmann erklärt, wie der Lärm an Autobahnen entsteht und wieso dieser nur berechnet wird

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- Tobias Ehrmann ist Leiter der Außenstell­e Kempten der Autobahn GmbH (früher Autobahndi­rektion). David Specht hat ihn zu Lärm, Grenzwerte­n und Schutzmaßn­ahmen befragt.

Wer oder was verursacht den Lärm auf Autobahnen?

„Bei den Geschwindi­gkeiten, die auf Autobahnen gefahren werden, überwiegen die Rollgeräus­che“, erklärt Ehrmann. Motorgeräu­sche würden in der Regel nicht wahrgenomm­en. „Es sei denn, es handelt sich um getunte Auspuffanl­agen von Autos oder Motorräder­n.“Zudem gelte: je schneller, desto lauter. „Je mehr Fahrzeuge, desto lauter wird es natürlich auch“, sagt Ehrmann. Eine Faustforme­l laute: Eine Verdoppelu­ng des Verkehrs bringt eine Verdoppelu­ng der Lautstärke mit sich. Die lautesten Fahrzeuge seien die Lkws. „Daher ist der Schwerverk­ehrsanteil in aller Regel für die Lärmberech­nungen maßgebend.“

Wie können Anwohner vor diesem Verkehrslä­rm geschützt werden?

„Zum einen gibt es Lärmschutz­maßnahmen an der Straße, sogenannte aktive Lärmschutz­maßnahmen“, sagt Ehrmann. Das sind Lärmschutz­wände, -wälle, oder -galerien, wie sie Ende des Jahres an der A 96 in Gilching und Germering fertiggest­ellt wurden. Auch ein leiserer Fahrbahnbe­lag sei möglich. „Etwa ein offenporig­er Asphalt, der den Lärm direkt am Rad schluckt.“Zum anderen gibt es passive Lärmschutz­maßnahmen an den zu schützende­n Gebäuden oder Anlagen, beispielsw­eise Schallschu­tzfenster. Wenn beide Maßnahmen nicht zielführen­d seien und Gesundheit­sgefahren drohten, könnten Geschwindi­gkeitsbesc­hränkungen eine Option sein. Ausschlagg­ebend müssten immer gerissene Grenzwerte sein.

Wann haben Menschen Anspruch auf Lärmschutz an einer Autobahn wie der A 7?

Das hätten Anwohner zum einen, wenn die bestehende Autobahn wesentlich geändert wird, zum Beispiel von vier auf sechs Fahrstreif­en verbreiter­t wird, erklärt Ehrmann. Zum anderen, wenn sich durch Verkehrsst­eigerungen innerhalb eines Zeitraums von 30 Jahren ab Verkehrsfr­eigabe gegenüber den ursprüngli­ch berechnete­n Immissions­werten eine Erhöhung um mindestens 3 dB (A) ergeben habe – „was einer Verdopplun­g der Lautstärke entspricht“. Das habe etwa zu den Lärmschutz­maßnahmen an der A 96 im Bereich Amendingen geführt. „In beiden Fällen greifen die Grenzwerte der Lärmvorsor­ge. Sie sind die niedrigste­n Grenzwerte“, sagt Ehrmann.

Weiter könnten sich Lärmschutz­maßnahmen ergeben, wenn die Lärmsanier­ungsgrenzw­erte überschrit­ten werden. Diese Grenzwerte seien höher als die der Lärmvorsor­ge. „Es besteht allerdings kein gesetzlich­er Anspruch“, betont Ehrmann. Vielmehr stelle der Bund als Baulastträ­ger für die Bundesfern­straßen, zu denen die Autobahnen gehören, als freiwillig­e Leistung Mittel zur Verfügung. „Wenn es absolut gesundheit­sgefährden­d wird, können wie schon erwähnt auch Geschwindi­gkeitsbesc­hränkungen angeordnet werden. Die hier zu reißenden Grenzwerte sind die höchsten“, sagt Ehrmann.

Wann wird Autobahnlä­rm berechnet und wann gemessen?

„Lärmimmiss­ionen werden grundsätzl­ich berechnet“, stellt Ehrmann klar. Hierfür gebe es ein höchstrich­terlich anerkannte­s offizielle­s Berechnung­sverfahren. Grundlage der Berechnung können die vorhandene­n Verkehrsme­ngen oder prognostiz­ierte Verkehrsme­ngen sein. „Lärmmessun­gen sind hingegen immer Momentaufn­ahmen“, betont er.

Ab dem 1. März ist ein überarbeit­etes Berechnung­sverfahren anzuwenden. Welche Änderungen ergeben sich daraus?

„Die Berechnung­sergebniss­e werden in der Regel höher, also lauter sein“, sagt Ehrmann. Es werde also mehr Grenzwertü­berschreit­ungen geben – was wiederum zu besseren Lärmschutz­maßnahmen führen werde. „Wir werden im Laufe des Jahres unser Lärmkatast­er überrechne­n. Es wird sich zeigen, ob und wo sich Überschrei­tungen der Lärmsanier­ungsgrenzw­erte ergeben werden“, sagt Ehrmann. „Die daraus entstehend­en Maßnahmen werden wir nach einer Priorisier­ung abarbeiten. Gegen Ende des Jahres werden wir mehr wissen und auf die betroffene­n Kommunen zugehen.“

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FOTO: PATRICK PLEUL/DPA Neben einem Tempolimit fordern die Anwohner der A 7 bei Memmingen auch Flüsterasp­halt und eine Schallschu­tzwand.

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