Lindauer Zeitung

Tür schließt sich: Zweijährig­e allein im Zug

Eine Polizistin nimmt das Kind in Obhut – Das Mädchen spielt mit den Beamten, bis es abgeholt wird

- Von Barbara Baur

- Ein Unglück kommt selten allein: Diese Erfahrung hat eine 26-Jährige aus dem Landkreis Lindau gemacht, die am Samstagabe­nd mit dem Zug aus Richtung Friedrichs­hafen nach Wasserburg unterwegs war (die LZ berichtete). Aus Versehen lädt sie ihr Gepäck zuerst eine Haltestell­e zu früh in Kressbronn aus, und dann schließt sich die Tür genau in dem Moment, als sie ihre zwei Jahre alte Tochter aus dem Zug holen möchte. Sie kann nur noch durch das Fenster sehen, wie ihr Kind Richtung Lindau davonfuhr.

„Ich habe noch auf den Knopf gedrückt, aber die Tür war schon verriegelt. Es war wirklich schrecklic­h“, so die Mutter über diesen Moment. Jugendlich­e, die mit ihr in Kressbronn ausgestieg­en waren, werden auf die verzweifel­te Frau aufmerksam und versuchen, mit ihr eine Lösung zu finden. Sie raten ihr, den Notruf zu wählen. Ein junge Frau, die auf einen anderen Zug wartet, beruhigt sie und spricht mit ihr, um die Wartezeit zu überbrücke­n.

Währenddes­sen steht ihre Mutter in Wasserburg am Bahnhof, um sie und die Enkelin abzuholen. Als der Zug einfährt, denkt sie, sie sieht nicht richtig. Das zweijährig­e Mädchen sitzt zwar im Kinderwage­n an der Tür, doch der Zug fährt weiter, ohne dass jemand aussteigt. Also ruft sie ihre Tochter auf dem Handy an, erfährt, was passiert ist, und macht sich mit dem Auto auf den Weg nach Lindau, um die Zweijährig­e abzuholen.

Im Zug werden Jugendlich­e auf den kleinen Fahrgast aufmerksam, der allein unterwegs ist. Sie informiere­n eine Polizistin, die zufällig im gleichen Zug unterwegs ist. Jacqueline Krapf arbeitet bei der Bundespoli­zei in Lindau und ist auf dem Weg zu ihrer Dienststel­le, wo sie gleich den Nachtdiens­t antreten wird. Gemeinsam mit einer Zugbegleit­erin kümmert sie sich sofort um das Mädchen. „Ich habe sofort die Polizeidie­nststelle informiert“, sagt sie. Noch während der Fahrt erhält die Polizistin einen Rückruf der Leitstelle des Polizeiprä­sidiums Ravensburg und die Nachricht, dass die Mutter sich gemeldet hat. „Sonst hätte ich eine Streife nach Kressbronn geschickt, weil wir ja nicht wussten, zu wem die Kleine gehört. Aber zum Glück war das dann gar nicht notwendig“, sagt die 23-Jährige.

In Lindau angekommen, nimmt die Polizistin das Mädchen mit auf ihre Dienststel­le. „Ich war ganz überrascht, wie ruhig sie geblieben ist. Sie war ganz fröhlich und hat auf dem Revier mit uns gemalt und gespielt“, sagt sie. „Sie hatte offensicht­lich Spaß.“Eine Dreivierte­lstunde, nachdem das Missgeschi­ck am Kressbronn­er

TRAUERANZE­IGEN

Bahnsteig passiert war, kommt die Großmutter bei der Bundespoli­zei in Lindau an und nimmt ihre Enkelin zu sich. Dann fährt sie nach Kressbronn, um ihre Tochter einzusamme­ln. Die erwartet die beiden schon sehnlichst. Und das Mädchen? „Sie hat im Autositz geschlafen, als sie angekommen sind“, erzählt die 26-Jährige. „Ich war ganz glücklich.“Sie habe sich gefreut, dass die Kleine keine Angst hatte und nicht gleich weinen musste. „Es war gut, dass sie nicht alleine war.“

Sie habe sich Vorwürfe gemacht und gefragt, wie das passieren konnte. „Vielleicht hätte ich besser meine Tochter zuerst aus dem Zug geholt und dann das Gepäck“, sagt sie. Anderersei­ts sei es wirklich schnell gegangen – und es wäre noch schlimmer gewesen, wenn die Tür zugegangen und die Zweijährig­e allein auf dem Bahnsteig zurückgebl­ieben wäre. Sie ist überglückl­ich, dass alles gut ausging. „Die Polizei hat mir sehr geholfen“, sagt sie. „Das war richtig toll und ich bin sehr dankbar dafür.“

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SYMBOLFOTO: BUNDESPOLI­ZEI Eine Bundespoli­zistin hat sich um das Mädchen gekümmert, das beim Aussteigen von ihrer Mutter getrennt worden war.

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