Der schwierige Weg zu Mehrweg
Ein neues System für die Gastronomie soll Wegwerfverpackungen vermeiden
- In der Corona-Krise verkaufen Gastro-Betriebe Essen und Getränke zum Mitnehmen – größtenteils in Einweggeschirr. Ab 3. Juli ist der Verkauf der Wegwerfartikel aus Plastik und Styropor allerdings verboten. Die Stadt, der Abfallzweckverband ZAK und das Münchner Start-up Relevo haben sich zusammengetan und wollen ein Mehrwegsystem in Kempten etablieren. Trotz weitgehend geschlossener Gastronomie soll das Projekt nun ins Rollen kommen.
In den vergangenen Tagen war ein Team von Relevo in Kempten und gewann zwei weitere Betriebe für das Mehrwegsystem. Somit gibt es bislang acht Partnerbetriebe. Ein Weiterer kommt vielleicht bald dazu: Die Allgäuer Werkstätten haben Interesse bekundet. Über einen Artikel in der AZwurde Matthias Zimmermann, Prokurist und Werkstattleiter in Kempten, auf die Münchner Firma aufmerksam.
Vergangene Woche kamen die Unternehmen ins Gespräch. Durch die Corona-Regelungen sei auch im Werkshop der Werkstätten die Zahl der Bestellungen zum Mitnehmen gestiegen. „Immer mehr Kunden bringen eigenes Geschirr mit, also gibt es auch Nachfrage“, sagt Zimmermann. „Es geht nur noch um den Feinschliff“, bestätigt er die baldige Teilnahme des Werkshops am Mehrwegprogramm.
Das Restaurant Alpensteig an der Freitreppe war einer der ersten Teilnehmer in Kempten. Die Erfahrungen seien bisher sehr gut. „Immer mehr Kunden fragen, was sie machen müssen, um das Mehrweggeschirr nutzen zu können?“, erzählt Inhaberin Sandra Hössl. An einem Aushang könnten alle Abholer sehen, dass es die Möglichkeit gibt. Knapp die Hälfte der Kunden wähle bereits die Mehrweglösung – Tendenz steigend. „Die Boxen, die wir sonst mitgeben, sind kostspielig“, sagt Hössl: „Deswegen sind wir um jeden froh, der Relevo nutzt.“
Der verlängerte Lockdown erschwert freilich die Umsetzung des Konzepts. „Es lief schleppend“, erzählt
Matthias Potthast, Mitbegründer von Relevo und ursprünglich aus Kempten, über den Vertrieb vor Ort. „70 Prozent der Betriebe hatten geschlossen“, sagt der Unternehmer. Die Situation in der Gastronomie sei extrem angespannt. „Viele Wirte wollen keine Geschäftsentscheidungen treffen, sondern warten, wo die Reise hingeht.“
Die Stadt habe zusätzlich die lokalen Gastro-Betriebe per Mail auf das Mehrwegsystem aufmerksam gemacht. Die Lösung komme auch gut an, „aber das Timing ist schwierig“, erklärt Potthast.
Nach dem Lockdown will Relevo die Kemptener Gastronomen erneut ansprechen. Bis dahin sollen Cafés, Bars und Restaurants über andere Werbekanäle informiert werden. Ziel seien 20 Partner im Stadtgebiet.
In München, der Heimatstadt des jungen Start-ups, ist die Zahl der Teilnehmer seit Mitte Dezember von 80 auf 150 gestiegen.
Bestellung: Kunden bestellen Speisen oder Getränke to go und erhalten die Ware in einem Relevo-Behälter. Mittels App scannt man den QR-Code und bucht das Geschirr so in den persönlichen Bestand.
Rückgabe: Bei der Rückgabe wird der QR-Code im Betrieb gescannt.
Frist: Das Geschirr muss binnen 14 Tagen in einem Partnerbetrieb zurückgegeben werden. Sonst werden fünf Euro pro Becher oder zehn pro Schüssel fällig.
Übergabe: Benutzer können Schüssel übertragen. So muss nur einer das gesammelte Geschirr zurückbringen.
Kosten: Der Betrieb entrichtet pro benutztem Geschirrstück eine Gebühr, die in etwa dem Preis einer Einweglösung entspricht.