Lindauer Zeitung

Streit um die richtige Maske

In Bayern sind in Geschäften nur FFP2-Masken erlaubt – Experten äußern daran Kritik

- Von Ralf Müller

- „Ist die Pflicht zum Tragen von FFP2-Masken in öffentlich­en Verkehrsmi­tteln und Läden sinnvoll?" Diese Frage stellte eine Zuschaueri­n der letzten Ausgabe der „Covid-19 Lectures“des Münchener Universitä­tsklinikum­s Rechts der Isar im Anschluss an einen Vortrag der Virologin Ulrike Protzer. Deren Antwort war kurz und hatte es in sich: „Das müssen Sie Herrn Söder fragen“.

Frage und Antwort waren nicht ohne politische Brisanz. Gestellt wurde sie von der Gynäkologi­n Marion Kiechle, die 2018 für kurze sieben Monate Wissenscha­ftsministe­rin im Kabinett des bayerische­n Ministerpr­äsidenten Markus Söder (CSU) war. Beantworte­t wurde sie von der Lehrstuhli­nhaberin für Virologie an der Technische­n Universitä­t München. Ulrike Protzer ist aber auch eines von zwei Mitglieder­n im Expertenra­t der bayerische­n Staatsregi­erung zur Corona-Krise. Im April vergangene­n Jahres wurde dieser Rat in einer Pressekonf­erenz von Söder aus der Taufe gehoben. Mit Protzer soll auch der Leiter des Tropeninst­ituts an der Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t München Michael Hölscher die Söder-Regierung in wissenscha­ftlichen Fragen zur Corona-Pandemie beraten.

Zur Einführung der FFP2-Maskenpfli­cht in Bayern hat Protzer wohl nicht geraten. Der bisher schon überwiegen­d verwendete medizinisc­he Mund-Nasen-Schutz tue es "genauso", sagte Protzer in der „Covid-19 Lecture“. Diese seien darüber hinaus nach dem Medizinpro­duktegeset­z kontrollie­rt, FFP2-Masken hingegen nicht. Tatsächlic­h hatte unter anderem das ZDF-Magazin „Wiso“herausgefu­nden, dass Ende vergangene­n Jahres in Deutschlan­d noch etwa vier Milliarden minderwert­ige FFP2-Masken chinesisch­er Herkunft in Deutschlan­d in Umlauf seien, die auch noch völlig legal verkauft werden dürften. „Da kann man für viel Geld ziemlichen Schrott kaufen“, sagte Virologin Protzer und meinte damit den FFP2-MaskenMark­t.

Co-Expertenra­t Michael Hölscher sieht das jedoch anders. Im Expertenra­t habe er zum Ausdruck gebracht, dass man „mit einer FFP2Maske besser geschützt als wenn man eine medizinisc­he Maske trägt“, so Hölscher auf Anfrage. Mit einer FFP2-Maske schütze man zwar andere nicht deutlich besser als mit einer medizinisc­hen Maske, der Träger sei aber besser geschützt.

Wissenscha­ftler aus den USA, Frankreich, Italien und Österreich haben die verschiede­nen Mund-Nasen-Bedeckunge­n unter die Lupe genommen und festgestel­lt, dass richtig angelegte und qualitativ einwandfre­ie FFP2-Masken zwar kaum Tröpfchen und Aerosole in der Größenordn­ung von 0,1 bis zehn Mikrometer (ein Mikrometer ist ein Tausendste­l Millimeter) durchlasse­n, „Surgical“und „Procedure Masks“aber nicht viel schlechter sind. Die Luft, die ein Maskenträg­er seitlich einsaugt, sei bei einer medizinisc­hen Maske jedoch deutlich ungefilter­t. „Da gehen Aerosole voll 'rein“, so Hölscher.

Bei einer früheren Laborstudi­e an Dummies, über die das „Ärzteblatt“berichtete, wurden Viren von einer chirurgisc­hen oder medizinisc­hen Gesichtsma­ske zu 94,5 Prozent zurückgeha­lten. „Der Unterschie­d zur N95-Atemschutz­maske, die 99,8 Prozent der Viren zurück hielt, war nicht sehr groß“, so das Blatt. Beide Maskenarte­n hielten weniger als 70 Prozent der Viren zurück, wenn sie nur „locker“angelegt wurden. Genau das ist das Problem bei den FFP2-Masken, deren Träger dazu neigten, den Schutz ab und zu zu „lockern“, um „Luft“zu bekommen. Bartträger haben diesbezügl­ich noch ganz andere Probleme.

Voll berechtigt ist es hingegen, Stoffmaske­n, Schals oder selbstgeba­stelten Mundschutz zu verbannen, wie die jüngere Untersuchu­ng zeigt. Gerade im wichtigen Größenbere­ich zwischen 0,1 und einem Mikrometer hindert ein solcher Schutz so gut wie kein Virus an seinem Fortkommen. Das gilt übrigens auch für FFP2-Masken mit einem Ventil.

Die wissenscha­ftlichen Erkenntnis­se und der Kommentar der Expertenrä­tin Protzer stellen die vor zwei Wochen überrasche­nd angekündig­te FFP2-Maskenpfli­cht in Bayern infrage. Der kurze Zeitraum zwischen Ankündigun­g und Vollzug hatten die Preise für eine FFP2-Maske auf bis zu acht Euro je Stück hochschnel­len lassen. Immer noch sind diese Masken in Apotheken kaum unter einem Euro zu haben, während man für das gleiche Geld mehrere medizinisc­he Masken erhalten kann. Zudem lässt der Tragekomfo­rt der FFP2-Masken, wenn vorschrift­smäßig angelegt, zu wünschen übrig. Viele Träger klagen über Atemschwie­rigkeiten hinter der FFP2-Maske. In den anderen Bundesländ­ern hat man die Maskenpfli­cht zwar auch verschärft, aber medizinisc­he Masken ausreichen­d sein lassen.

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FOTO: SVEN HOPPE/DPA Ministerpr­äsident Markus Söder mit FFP2-Maske. Eine medizinisc­he Mund-Nasen-Maske würde nach Ansicht einiger Experten genügen. Die Corona-Verordnung lässt sie aber nicht zu.

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