Der Unerschrockene
Astra-Zeneca-Vorstandschef Pascal Soriot lässt sich von der EU nicht einschüchtern
- Eine Abwehrschlacht hat Pascal Soriot 2014 in Großbritannien bekannt gemacht. Damals wollte das amerikanische Pharma-Unternehmen Pfizer den britisch-schwedischen Astra-Zeneca-Konzern (AZ) übernehmen. Als dessen Vorstandschef kämpfte der Franzose hartnäckig und sehr öffentlich gegen den Plan, der Pfizer riesige Steuerersparnisse gebracht, aber die wissenschaftliche Forschung auf der Insel gefährdet hätte. Am Ende musste der Viagra-Hersteller sein großzügiges Angebot zurückziehen, weil das AZManagement die wichtigsten Aktionäre hinter sich wusste.
Deren Vertrauen in den studierten Veterinärmediziner und erfahrenen Manager hat sich ausgezahlt. Seit Soriot 2012 vom Basler RocheKonzern kommend das in Cambridge angesiedelte Unternehmen leitet, hat sich dessen Börsenwert beinahe verdreifacht. Nach harten Einsparungen und Entlassungen beschäftigt AZ heute 70 000 Mitarbeiter, hat im Jahr 2019 seinen Umsatz um zehn Prozent auf 24,3 Milliarden gesteigert und operativ fast drei Milliarden Dollar verdient.
Die Pharma-Branche gehört zu den Wirtschaftssektoren, in denen Großbritannien weiterhin führend ist. Jahrelang war Glaxo-Smith-Kline (GSK) unangefochtener Primus, zuletzt machte das 1999 aus der Fusion von Astra aus Schweden und Zeneca hervorgegangene Unternehmen dem großen Rivalen immer wieder den Spitzenplatz streitig. Beide Unternehmen zählen zu den Weltmarktführern und den industriellen
Leuchttürmen der Insel, ihre Wissenschaftler leisten Spitzenforschung. Unterfüttert ist der Erfolg der Unternehmen durch die herausragende Stellung britischer Universitäten und eine vergleichsweise wissenschaftsfreundliche Grundstimmung im Land.
Beides hat sich Soriot in der Corona-Pandemie früh zunutze gemacht. Bereits im Frühjahr verkündete der AZ-Chef die Kooperation mit dem berühmten Jenner-Institut der Universität Oxford. Im Lockdown präsentierte sich der 61-Jährige werbewirksam im weißen Hemd vor imposanter Bücherwand und beteuerte, es gehe nicht um Wettbewerb gegen die Konkurrenz, sondern um den Kampf gegen Sars-CoV-2. „Wir machen hier keinen Gewinn“, sagte der Franzose. Ausdrücklich schloss AZ mit der Uni Oxford eine Non-Profit-Vereinbarung für die Dauer der Pandemie.
Dass sowohl Großbritannien als auch die EU – letztere mit insgesamt 336 Millionen Euro – Entwicklung und Produktion des Impfstoffes von AZ erheblich vorfinanzierten, kommunizierte Soriot dagegen bedeutend defensiver. Noch während die Wissenschaftler das Vakzin an 30 000 Freiwilligen in Großbritannien, Brasilien und Südafrika erprobten, erweiterte das Unternehmen weltweit seine Produktionskapazität. So standen Millionen von Impfdosen bereit, ehe die britische Arzneimittelbehörde MHRA Ende vergangenen Jahres dem Wirkstoff von Az und der Universität Oxford grünes Licht erteilte. Anders als der Impfstoff von Biontech und seinem amerikanischen Partner Pfizer kann das AZ-Vakzin in normalen Kühlschränken aufbewahrt werden und ist noch – jedenfalls für die EU – mit 1,78 Euro pro Dosis (Biontech: mehr als 15 Euro) erheblich günstiger.
Die Klage der Europäischen Union, AZ kommuniziere schlecht und lückenhaft, gründet sich auf den Herbst, als das Unternehmen stolz den Erfolg der klinischen Studien verkündete, gleichzeitig aber Daten veröffentlichte, die zunächst Zweifel an der Wirksamkeit des Impfstoffs weckten. Aus Sicht der britischen Aufseher sind diese ausgeräumt, längst tragen Millionen von AZ-Dosen zum Erfolg des Impfprogramms auf der Insel bei. Bis Wochenbeginn hatten dort schon mehr als zehn Prozent der Bevölkerung, darunter drei Viertel der besonders gefährdeten über 80-Jährigen, ihre erste Immunisierung erhalten. Das Vakzin soll voraussichtlich am Freitag in der EU zugelassen werden.