Räte debattieren: weniger Abstand zum Nachbarn
Räte sehen den dörflichen Charakter in Gefahr – Andere halten Auswirkungen für gering
- Wie sollen kleine Ortschaften in Zukunft aussehen? Eine Änderung im Abstandsflächenrecht des Landes hat unter den Hergensweiler Räten eine Debatte über die Dorfgestaltung ausgelöst. Die Entscheidung fiel knapp aus.
Mehr Abstand zum Nachbarn oder weniger? Um diese Frage hat sich eine Debatte in der jüngsten Sitzung des Hergensweiler Gemeinderates gedreht. Denn: Ab Februar gilt in Bayern eine neue Bauordnung. Darin wird unter anderem das Abstandsflächenrecht geändert. Vereinfacht gesagt geht es um die Frage, wie groß bei einem Neubau der Abstand zum Haus des Nachbarn sein muss.
„Die Regelung verändert den Charakter unseres Dorfs. Durch die kleinen Abstände können die Grünflächen zwischen den Häusern sehr eng werden“, gab Rätin Sibylle Engelmann zu bedenken.
Die geänderte Bauordnung sieht vor, dass die Abstandsflächen zwischen Wohnbauten auf weniger als die Hälfte der Wandhöhe verringert werden können, sofern Bauherr oder Bauherrin das wollen. Bislang galt meist die ganze Wandhöhe. Allerdings ist ein Mindestabstand von drei Metern auch nach der Neuerung Pflicht. Und: Mehr Abstand zwischen seinem Haus und dem des Nachbarn zu lassen, ist natürlich immer möglich. Eine Folge, wenn weniger Platz gelassen werden muss: Die Grundstücke werden zwar kleiner, aber auch günstiger. Für Hergensweiler würde das unter anderem bedeuten, dass in Baugebieten künftige Anwohner enger aneinander bauen können. Denn die Neuerung betrifft nur, wer neu baut.
Allerdings sind die bayerischen Gemeinden und Städte nicht gezwungen, diese Neuerung zu übernehmen, sondern sie können selbst entscheiden, ob sie das wollen oder eben nicht. Zielrichtung des Landtags ist es, dass mit der neuen Regelung weniger Flächen verbraucht werden, indem Gebäude näher beieinander stehen können. Aber passt diese Struktur auch zu einem kleinen Dorf auf dem Land? Die Gemeinde
Nonnenhorn entschied sich zum Beispiel gegen die neue Verordnung. In Hergensweiler sind die Räte geteilter Meinung.
„Die Veränderung würde sich weniger auf das Ortsbild auswirken, als man im ersten Moment denkt“, sagte Ratsmitglied Martin Heimpel. Er habe das Ganze anhand von Beispielen ausgerechnet, und es würde sich oft nur um wenige Zentimeter handeln. Außerdem seien die drei Meter, die es auch weiterhin geben wird, „nicht wenig“.
Neben Sibylle Engelmann, die die Veränderung für das Dorfgeschehen skeptisch sah, weil sie damit rechnet, dass es mit der neuen Verordnung auch weniger individuelle Häuser mit großen Gärten geben wird, äußerte auch Michael Rehm seine Bedenken: „Meiner Meinung nach tun da jede 20 bis 30 Zentimeter gut.“Gerade auch wegen der Neubaugebiete sollte die alte Regelung bleiben. Und Rehm weiter: „Das ist einer der Gründe, warum ich Gemeinderat geworden bin, weil ich solche kleinen Kröten eben nicht schlucken will.“
Widerspruch kam von Ratsmitglied
Frank Wawrzyniak, er ist für die neue Verordnung. „Wenn wir Wohnraum bieten wollen“, müsse man da mitgehen, sagte er. „Die dörfliche Struktur wird nicht zu sehr verschandelt.“
Mit dieser Meinung gehörte Wawrzyniak – wie die Abstimmung am Ende der Diskussion zeigte – zur knappen Mehrheit im Gemeinderat. Sieben Räte stimmten für die neue Verordnung und damit dafür, den Mindestabstand zwischen zwei Wohnbauten in Zukunft auf weniger als die Hälfte der Wandhöhe zu verringern. Sechs Räte waren für die alte Regelung.
Die neue Regelung ist damit aber nicht für immer in Stein gemeißelt. Bürgermeister Wolfgang Strohmaier wies darauf hin, dass der Gemeinderat jederzeit die alte Ordnung wieder geltend machen kann. Dabei könnte es nur zu einem Problem kommen: Denn wenn ein Bauherr schon geplant hat und Kosten und Aufwendungen hatte, und die Verordnung dann zurückgenommen wird, „dann könnte es sein, dass eine Schadensersatzpflicht auf uns zukommt“.