Fünf Euro Belohnung für Nutzung der Corona-App
Eine Mannheimer Politikwissenschaftlerin plädiert für positive Anreize, um die Akzeptanz der Corona-Maßnahmen zu erhöhen
(dpa) - Mit Pragmatismus gegen die Pandemiemüdigkeit – so in etwa lässt sich das Credo der Mannheimer Sozialwissenschaftlerin Annelies Blom auf den Punkt bringen. Um die Akzeptanz von Maskenpflicht, Homeschooling und Ausgangsbeschränkungen in der Bevölkerung zu bewahren, sei ein Umdenken nötig. „Es werden so gut wie keine Anreize dafür geschaffen, dass Menschen die Regeln weiterhin ernst nehmen oder spezielle Angebote nutzen“, kritisiert die Professorin für Politikwissenschaft und Data Science.
Ein Beispiel dafür sei die CoronaApp. Um deren Akzeptanz zu erhöhen, plädiert Blom für positive Anreize. So wäre es etwa sinnvoll, für das Herunterladen der App bestimmte Vorteile anzubieten. „Dabei könnte es sich etwa um kleinere Geldbeträge für den Download oder die regelmäßige Nutzung handeln, aber auch um die individuelle Aufhebung von einschränkenden Maßnahmen“, sagt die Professorin. Würden Nutzern beispielsweise fünf Euro gutgeschrieben, könne die Motivation steigen. Volkswirtschaftlich sei das vertretbar, zumal sich so beispielsweise Infektionsketten leichter nachverfolgen ließen.
Blom und ihr Team haben ein Papier zum Thema veröffentlicht. Demnach waren vor einigen Monaten gerade einmal 35 Prozent der deutschen Bevölkerung im Alter von 18 bis 78 Jahren bereit, die Warn-App zu nutzen. Viel dürfte sich daran kaum geändert haben. Daten legten nahe, dass gesetzlicher Zwang – beispielsweise bei der Warn-App – wenig bewirken würde.
Zuletzt hatte sich das Freiburger Centrum für Europäische Politik (cep) in diesem Sinne geäußert. Mit Blick auf die hohen Zahlen der Corona-Infektionen sei eine verpflichtende Nutzung von Corona-Warn-Apps innerhalb der Europäischen Union vertretbar, hieß es in einer entsprechenden Mitteilung Mitte Januar. Die positiven Effekte seien höher zu bewerten als die verhältnismäßig geringen Eingriffe in den Datenschutz und die Privatsphäre des Einzelnen, lautete ein Argument.
Das sieht Blom kritisch. Zum einen sei es schwierig zu kontrollieren, wer eine solche Vorschrift überhaupt einhält. „Zum anderen müsste die Politik bei einer solchen Regelung mit massivem Protest rechnen“, sagt sie. Im Wettlauf mit dem Coronavirus sei die gesellschaftliche Akzeptanz aber besonders wichtig. Gescheitert sei die App nicht, weil die Technik unausgereift gewesen sei oder wegen möglicher Datenlecks. Problematisch sei, dass die Diskussion auf technische Probleme und den Datenschutz verengt worden sei. Das habe die Akzeptanz verringert. Ein grundsätzliches Problem, wie Blom hinzufügt. Stellten Menschen den Sinn geforderter Verhaltensänderungen
infrage, ließen sich Infektionszahlen nicht in den Griff bekommen.
Blom hat sich als Datenwissenschaftlerin einen Namen gemacht. Sie und ihr Team an der Mannheimer Universität haben etwa zu Beginn der Pandemie innerhalb weniger Tage mit der „Mannheimer CoronaStudie“täglich Einschätzungen zu den gesellschaftlichen Auswirkungen der Pandemie vorgelegt. Die Daten werden inzwischen intensiv ausgewertet. „Wir können aufgrund unserer Erhebungen abschätzen, wie Menschen langfristig auf Ausgangssperren reagieren oder welche Auswirkungen durch die Schließung von Schulen oder Geschäften zu erwarten sind“, sagt Blom.
Die 42 Jahre alte Datenwissenschaftlerin, die in Utrecht und Oxford Sozial- und Politikwissenschaften studiert hat, leitet außerdem das „German Internet Panel“, eine seit 2012 zweimonatlich stattfindende Befragung von über 5000 Erwachsenen. Solche wissenschaftlichen Erhebungen müssten von der Politik stärker in Betracht gezogen werden, fordert Blom. „Natürlich haben wir es in erster Linie mit einem medizinischen Problem zu tun“, fügt sie hinzu. Erkenntnisse aus der sozialwissenschaftlichen Forschung könnten aber dabei unterstützen, Sichtweisen
und Einstellungen in der Bevölkerung einzuordnen.
Das geschieht zumindest aus Sicht der Bundesregierung in ausreichendem Umfang. Sie beschäftige sich etwa neben virologischen und medizinischen Aspekten auch intensiv mit weiteren Fragestellungen. Mit Blick auf „Akzeptanz und Kommunikation“stehe man in engem Austausch mit verschiedenen Wissenschaftlern, teilt ein Regierungssprecher dazu mit.
Nach Angaben des Berufsverbandes Deutscher Soziologinnen und Soziologen gibt es allerdings noch Luft nach oben. „In der Tat scheint die Beratung der Bundesregierung hauptsächlich durch die medizinische und die juristische Profession bestimmt“, gibt Carsten Stark aus dem Vorstand des Verbandes zu bedenken.
Dabei setze die Politik vornehmlich auf sachliche Aufklärung. Man gehe davon aus, dass der aufgeklärte und gebildete Bürger den Vorgaben der Bundesregierung letztlich nur zustimmen könne. Das setze aber Vertrauen in die Politik und vor allem Vertrauen in Experten voraus. Das aber gehe an der sozialen Realität der Bundesrepublik vorbei und missachte den Umstand, dass Vertrauen stetig neu geschaffen werden müsse, betont der Soziologe.