Lindauer Zeitung

Ein Schatz von 53 Millionen Euro – und unerreichb­ar

Staatsanwa­ltschaft Kempten hat 1730 Bitcoin, aber die Passwörter fehlen

- Von Ulrich Weigel

- Ein Schatz schlummert bei der Staatsanwa­ltschaft Kempten – zumindest bildlich gesprochen. Immerhin geht es um etwa 53 Millionen Euro. Mal mehr, mal weniger. Die liegen nicht in Gold im Keller, sondern komplizier­t verschlüss­elt in einer digitalen Geldbörse. Es handelt sich um Bitcoins, eine Kryptowähr­ung. Die wird im Internet gehandelt und ist ein hochspekul­atives Investment. Dennoch könnte man in Kempten mit digitalem Geld zumindest an einem Imbiss zahlen oder sich eine Pizza liefern lassen.

„Lieferando“etwa ermöglicht für verschiede­ne Kemptener Lokale Heimbestel­lungen. Über die Website der Lieferplat­tform lässt sich das Essen mit Bitcoin bezahlen – nicht aber über die Lieferando-Handy-App. Zudem gibt es in Kempten wenigstens eine Imbissbude, die Zahlungen per Bitcoin akzeptiert. Ob solche Möglichkei­ten viele nutzen, ist eine andere Frage.

Das Interesse an Kryptowähr­ungen jedoch steigt, nicht zuletzt, weil Wertzuwäch­se gerade beim Bitcoin die Fantasie von Anlegern beflügeln. Wie beim Aktien- und Immobilien­markt wirken Null- und Minuszinse­n als Brandbesch­leuniger für spekulativ­e Investitio­nen. Fachleute warnen jedoch, dass der Bitcoin extremen Kurssprüng­en unterliege. So sieht es auch Heribert Schwarz, stellvertr­etender Vorstandsv­orsitzende­r der Sparkasse Allgäu: Für ihn ist der Bitcoin nichts für normale Anleger – nicht einmal für die Sparkasse selbst. So habe die Sparkasse Allgäu auch keine Produkte und Beratungen zu Kryptowähr­ungen.

„Hinter dem Bitcoin steht kein Verspreche­n“, betont Schwarz. Die digital erzeugte Währung sei kein gesetzlich garantiert­es Zahlungsmi­ttel, schwer zu durchschau­en und ohne transparen­te Preisfindu­ng. Der Kurs kann beliebig in die Tiefe rauschen. Wenn Anleger die Passwörter für ihre Bitcoins verlieren, kommen sie nicht mehr ran. Ein spektakulä­rer Fall zog jüngst durch die Medien: Laut New York Times vergaß ein deutscher Programmie­rer, der in San Francisco lebt, sein Passwort und so den Zugang zu gut 7000 Bitcoins. In Euro wäre das ein dreistelli­ger Millionenb­etrag. Achtmal habe er ein falsches Passwort eingegeben, beim zehnten Mal seien die Bitcoins für immer verloren.

Dennoch müssen digitale Zahlungsmi­ttel nicht per se schlecht sein. Das ist auch Bankchef Schwarz bewusst. Sie ermögliche­n neue Formen von Geldströme­n, was etwa für Firmen mit Auslandsge­schäft interessan­t sein könnte, sagt Schwarz. Zum

Beispiel, wenn man den Warenverke­hr mit automatisc­hen Zahlungen verknüpft.

Das wäre viel weitreiche­nder, als die bei den meisten Banken Europas mögliche Echtzeit-Überweisun­g. Auch die Europäisch­e Zentralban­k denkt über einen digitalen Euro für schnelle Finanzflüs­se nach. Schwarz sieht den Entwicklun­gen gespannt entgegen. Das Thema werde an Aufmerksam­keit und Relevanz gewinnen.

Und was hat es mit dem Schatz der Kemptener Justiz auf sich? Im April 2014 hatte das Landgerich­t einen damals 29-Jährigen unter anderem wegen Computerbe­trugs verurteilt. Er besaß über 1800 Bitcoins, die damals nur einen Bruchteil des heutigen Werts hatten. Davon waren 86 unverschlü­sselt und wurden 2018 für 510 000 Euro verkauft. Das Geld floss laut Oberstaats­anwalt Sebastian Murer in die Staatskass­e.

Doch die restlichen 1730 Bitcoins sind passwortge­schützt. Sie konnten laut Murer bisher nicht verwertet werden „und sind vor einem unberechti­gten Zugriff gesichert“. Ob die Staatskass­e jemals an die Bitcoins herankommt, ist abzuwarten. Bis dahin wird ihr Kurswert weiter auf und ab gehen. Aktuell sind es um die 53 Millionen Euro. Vor eine Woche waren es sechs Millionen weniger.

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