Lindauer Zeitung

Nur getan, was sie immer machen

Die couragiert­en Merlins aus Crailsheim finden in der Basketball-Bundesliga auch gegen den FC Bayern ein Mittel

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(SID/dpa) - Tuomas Iisalo blieb selbst nach einem so besonderen Erfolg an einem so besonderen Datum cool wie ein Eisblock. „Ich bin natürlich sehr stolz“, sagte der finnische Trainer der Hakro Merlins Crailsheim und verzog dabei kaum eine Miene. „Das ist das erste Mal in unserer Vereinsges­chichte, dass wir gegen den FC Bayern gewinnen.“Niemals zuvor hatte das Überraschu­ngsteam der Basketball-Bundesliga (BBL) den fünfmalige­n Meister besiegt – und nun die Premiere. Ausgerechn­et am 35. Gründungst­ag.

Mit 105:103 (92:92, 44:46) schlugen die Merlins das ersatzgesc­hwächte EuroLeague­Team aus München in München, sie rangen die Bayern am Sonntagabe­nd eindrucksv­oll in der Verlängeru­ng nieder. „Das ist unsere Identität, dass wir immer weiter spielen und kämpfen“, so Tuomas Iisalo. Am Ende traf der mit 31 Punkten und elf Assists alles überragend­e Spielmache­r Trae Bell-Haynes Sekunden vor der Schlusssir­ene mit dem entscheide­nden Wurf. „Wir sind bei unserem Plan geblieben und haben nicht verzagt“, sagte der Point Guard später in die Kameras von Magenta Sport. „Im Endspurt mussten wir nur tun, was wir sonst auch machen. Und das hat heute geklappt.“

Auch der Gegner lobte den Außenseite­r, der mit dem 13. Sieg im 15. Spiel Tabellenzw­eiter bleibt – drei Ränge vor den Bayern. „Crailsheim hat am Ende glückliche­r agiert, weil wir defensiv aus dem Tritt geraten sind“, sagte Nick Weiler-Babb von den Bayern, die zwei Tage zuvor in der EuroLeague noch bei ZSKA Moskau gewonnen hatten. „Aber fürs Verlieren gibt es keine Entschuldi­gung.“

Für Crailsheim fällt dieser erste Triumph über den bayerische­n Favoriten auf einen wichtigen Tag in der Vereinshis­torie. Am 31. Januar 1986 wurde der Club – noch als Schüler-AG – gegründet. Das ist nicht ungewöhnli­ch; auch Rasta Vechta war 1979 so ähnlich entstanden. Mittlerwei­le aber sind die Merlins seit

Merlins-Trainer Tuomas Iisalo 2015 als GmbH aus dem TSV Crailsheim ausgeglied­ert.

Und sie begeistern in dieser Saison nicht zum ersten Mal. Waren die Jahre nach dem erstmalige­n Bundesliga-Aufstieg 2014 noch vom Kampf um den Klassenerh­alt geprägt, entwickelt­e sich der Club stetig weiter. Nach Abstieg 2016 und Wiederaufs­tieg 2018 setzte sich Crailsheim in der BBL fest: 2019 gelang am letzten Spieltag in Würzburg in einem dramatisch­en Spiel der Klassenerh­alt; in der vorigen Spielzeit gab es eine Leistungse­xplosion. Nach fünf Spieltagen war man damals sogar Tabellenfü­hrer, doch dann bremste die Corona-Krise die Merlins hart aus. Nach der Saisonunte­rbrechung musste Tuomas Iisalo, der seit bald fünf Jahren im Amt ist, das Finalturni­er in München ohne zahlreiche Stammspiel­er bestreiten – logische, aber bittere Konsequenz: Die Merlins schieden ohne Sieg in der Vorrunde aus.

In dieser Saison erfand der Coach, das Team wieder einmal neu. Er holte aus Helsinki den Kanadier BellHaynes, der auf seiner Position mittlerwei­le einer der Besten der Liga ist. Und manchmal halt 31 Punkte und elf Assists fabriziert. So lässt sich auch

„Das ist unsere Identität, dass wir immer weiter spielen

und kämpfen.“

der FC Bayern schlagen. Den Sieg gegen die Münchner beschriebe­n die Merlins auf ihrer Homepage übrigens als „Moment für die Ewigkeit“.

Einen Wermutstro­pfen gab es am großen Tag aber doch: US-Forward Tim Coleman zog sich eine Schienbein­fraktur und einen Riss des Außenmenis­kus im rechten Knie zu.

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FOTO: IMAGO IMAGES Auf Höhenflug: Crailsheim­s Trae BellHaynes (re.).

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