Raupe soll Lawinengefahr bannen
Zwei Jahre nach dem Unglück in Balderschwang gibt es noch keine technische Sicherung
- Zwei Jahre ist es her, dass eine 20 000 Kubikmeter große Schneelawine in den Wellnessbereich des Hotels Hubertus in Balderschwang gekracht ist. Jetzt steht an dieser Stelle der zehn Millionen Euro teure neue Wellnessbereich des Hauses. Im Mai soll er öffnen, sagt Hotelier Marc Traubel. Doch Gäste dürfen ihn im nächsten Winter womöglich nicht betreten. Denn es gibt immer noch keinen wirksamen Lawinenschutz für den östlichen Bereich des Dorfes. Derzeit müsse bei Lawinengefahr eine Pistenraupe den Schnee verdichten, um das Risiko zu mindern, sagt Bürgermeister Konrad Kienle.
Im Sommer 2019 war davon die Rede, dass mit der Verbauung Mitte 2020 begonnen wird. Doch das Projekt sei bisher an „abnormalen Vorstellungen der Grundbesitzer“gescheitert, kritisierte der frühere Oberallgäuer Landrat Anton Klotz als Beiratsvorsitzender der Bergwald-Offensive im November. Bürgermeister Kienle, der die Verhandlungen führt, äußert Verständnis für die Belange der Bauern. „Man kann die Flächen nicht finanziell werten. Deshalb kaufen wir sie auch nicht ab“, schildert Kienle.
Die Gemeinde habe mit den Grundstücksbesitzern einen Vertrag ausgehandelt, der den Ertragsausfall der Landwirte ausgleiche und in die
Zukunft gerichtet sei. Kienle geht fest davon aus, dass die Bauarbeiten in diesem Frühjahr beginnen können.
Dann wollen Gemeinde und Kreis Oberallgäu als Bauträger in einem ersten Schritt den Hang oberhalb des „Hubertus“für 1,5 Millionen Euro mit Stahlgitternetzen sichern. Das soll das Hotel sowie das Feuerwehrund Bergwachtgebäude vor Lawinen schützen. Die Sicherung des ganzen Ortes sei mit zehn Millionen Euro kalkuliert, sagt Kienle.
Besonders teuer sei der Schutz im Bereich „Fehrhalde“zwischen dem
Gemeindehaus und dem Hotel Ifenblick, wo die Planer die Hauptstraße nach Österreich teilweise überbauen wollen. „Das wäre ein wahnsinniger Eingriff ins Ortsbild“, findet der Bürgermeister. Dafür suche man nach Alternativen.
Unklar ist laut Kienle aber auch noch, wie der Hang oberhalb des „Hubertus“langfristig gesichert wird. Bisher ist geplant, zwischen den Stahlgitternetzen Bäume zu pflanzen. Der so entstehende Schutzwald würde die Hangsicherung übernehmen, wenn die technische Verbauung in 20 bis 30 Jahren marode wird, erläutert der Bürgermeister. Doch der Schutzwald sei umstritten – aus ökologischen Gründen. Auf der Wiese würden nämlich seltene Schmetterlinge wie beispielsweise der Apollofalter leben.
Bewegung kam jetzt in die Diskussion, wie stark der erste Bauabschnitt bezuschusst wird. Laut Wasserwirtschaftsamts-Chef Karl Schindele hat der Freistaat zugesichert, 70 Prozent der Kosten zu übernehmen. Kienle spricht von einer unverhältnismäßigen Belastung für die kleine Gemeinde mit ihren rund 350 Einwohnern. Seinen Angaben zufolge hat der frühere bayerische Bauminister Hans Reichhart (CSU) zugesagt, dass der Freistaat 90 Prozent der Kosten übernehme.
Doch nachdem Reichhart sein Minister-Amt abgegeben hatte, musste Kienle von Neuem um die Förderhöhe kämpfen. Nun berichtet der Bürgermeister, dass der Freistaat eingelenkt habe. Völlig ungeklärt sei aber nach wie vor, wie teuer für die Kommune der Unterhalt der Verbauung kommt.
Fest steht: Im Herbst soll die Hangsicherung fertig sein, damit die Hotelgäste den Wellnessbereich auch nutzen können. „Ich habe sehr großes Vertrauen, dass das klappt“, sagt der Juniorchef des Hauses. Bis dahin stehe man in regem Austausch mit der Lawinenschutzkommission. Sie entscheidet, wann die Pistenraupe ran muss.