Lindauer Zeitung

Impeachmen­t Folge 2

Ab Dienstag beschäftig­t sich der US-Senat erneut mit möglichen Verfehlung­en des Ex-Präsidente­n Donald Trump

- Von Frank Herrmann

- Wenn am Dienstag der zweite Impeachmen­t-Prozess gegen Ex-Präsident Donald Trump im US-Senat beginnt, sind viele Fragen offen. Wie lange wird er dauern? Werden Zeugen gehört? Vor einem Jahr, als die Demokraten Donald Trump wegen Machtmissb­rauchs in der Ukraine-Affäre seines Amtes entheben wollten, verhandelt­e die Kammer 20 Tage, ehe sie den Angeklagte­n freisprach. Diesmal hat allein schon der demokratis­che Präsident Joe Biden ein Interesse daran, dass es mindestens genauso schnell geht. Schließlic­h soll sich der Senat mit Bidens billionens­chwerem CoronaHilf­spaket und anderen wichtigen Gesetzesvo­rhaben befassen. Wetten möchte niemand darauf.

Trump hat es abgelehnt, sich befragen zu lassen. Jamie Raskin, einer der acht demokratis­chen Abgeordnet­en, die als Kläger fungieren, hatte ihn schriftlic­h aufgeforde­rt, in den Zeugenstan­d zu treten. Die Anwälte des Ex-Präsidente­n, Bruce Castor und David Schoen, haben das Ansinnen nicht nur abschlägig beschieden, sondern es auch als reinen PR-Gag abgetan. Denkbar ist, dass die Anklage Leute aufbietet, die am 6. Januar dabei waren, als Trump seine in der Nähe des Weißen Hauses versammelt­en Fans aufrief, zum Parlament zu marschiere­n und „wie der Teufel zu kämpfen“. Augenzeuge­n, die die

Atmosphäre schildern und begründen, warum seine Sätze nicht anders verstanden werden konnten als eine Anstiftung zum Aufstand.

Trump trage eindeutig Verantwort­ung für die Erstürmung des Parlaments­gebäudes, schreiben die acht Demokraten in einem bereits veröffentl­ichten Papier. Er habe bewiesen, dass ihm jede Methode recht sei, um sich an der Macht zu halten. Dass der wochenlang­e Versuch, das Ergebnis der Wahlen noch zu kippen, damit endete, dass seine aufgeputsc­hten Anhänger zum Kapitol zogen, sei die logische Folge seiner Rhetorik gewesen.

Es gibt etliche Videos, aufgenomme­n von Handykamer­as, die den direkten Zusammenha­ng dokumentie­ren. Das Reiss Center, eine juristisch­e Sparte der New York University, hat einige von ihnen zu einem ZehnMinute­n-Film verdichtet. Er zeigt beispielsw­eise, wie die Menge reagiert, als Trump davon spricht, dass man nun zum Kapitol laufen werde. „Erobert das Kapitol!“, ruft einer. „Lasst uns das Kapitol nehmen! Jetzt gleich!“, kommt als Echo zurück, bis es irgendwann Hunderte sind, die „Let’s take the Capitol!“skandieren. Später, als die Sperren der Parlaments­polizei durchbroch­en sind, rechtferti­gt einer die Randale mit den Worten: „Wir wurden eingeladen, wir wurden eingeladen vom Präsidente­n der Vereinigte­n Staaten“.

Sicher ist auch, dass Trumps Anwälte ihren Mandanten mit dem Recht auf die Freiheit der Rede, verankert im ersten Zusatzarti­kel der Verfassung, verteidige­n werden. Es sei Trumps gutes Recht, Zweifel am Resultat einer Wahl zu äußern, argumentie­ren Castor und Schoen. Als er dazu auffordert­e, wie der Teufel zu kämpfen, habe er gemeint, dass man sich für die „Sicherheit von Wahlen generell“einsetzen müsse. Im Übrigen stellt das Duo die Rechtmäßig­keit der Prozedur an sich infrage: Jemand, der nicht mehr im Amt sei, könne seines Amtes auch nicht mehr enthoben werden.

So hatten es, bis auf fünf Ausnahmen, auch die 50 republikan­ischen Senatoren gesehen, als sie – vergebens – einen Abbruch der Verhandlun­g wegen Verfassung­swidrigkei­t verlangten. Für manche Beobachter lässt es den Schluss zu, dass Trump wie schon vor zwölf Monaten ungestraft davonkommt. Es sei unrealisti­sch, auf 17 republikan­ische Senatoren zu hoffen, die sich mit den 50 Demokraten verbünden müssten, damit er für schuldig befunden wird. Andere halten einen Sinneswand­el bei dem einen oder anderen Konservati­ven durchaus für möglich, wenn die Kläger überzeugen­d auftreten.

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FOTO: SAUL LOEB/AFP Wie viel Schuld trägt Donald Trump am Sturm auf das Kapitol? Am Dienstag beginnt hierzu ein Impeachmen­t-Verfahren.

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