Lindauer Zeitung

Landtag berät über umstritten­es Polizeiges­etz

CSU gibt sich zuversicht­lich – Weiter Widerstand von Aktivisten und Opposition

- Von Ralf Müller

- Die Emotionen gingen im Jahr 2018 in Bayern hoch, als die damals noch allein regierende CSU die Novellieru­ng des bayerische­n Polizeiauf­gabengeset­zes (PAG) vorstellte. Bis zu 30 000 Menschen gingen auf die Straße, um gegen zu weitgehend­e Befugnisse, zu lange Ingewahrsa­mnahmen und Videos aus Privatwohn­ungen zu protestier­en. Das Gesetz wurde trotzdem verabschie­det, dann aber setzte Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) eine Kommission zur Überarbeit­ung des umstritten­en Regelwerks ein. Im Koalitions­vertrag zwischen CSU und Freien vom November 2018 wurde eine Entschärfu­ng der umstritten­sten Bestimmung­en vereinbart.

Mit gehöriger Verspätung legt die Staatsregi­erung dem Landtag jetzt die Novelle zur Novelle des PAG am 24. Februar zur Ersten Lesung vor. Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) zeigte sich am Dienstag in München überzeugt, dass damit den noch beim Bayerische­n Verfassung­sgerichtsh­of und beim Bundesverf­assungsger­icht anhängigen Klagen gegen das nach wie vor geltende Bayern-PAG die Grundlage entzogen wird. Mit dem alten Gesetz, meinte Herrmann, würden sich die Verfassung­shüter jetzt „nicht mehr lange aufhalten“.

Nicht nur die Demonstran­ten, sondern auch die PAG-Kommission unter der Leitung des ehemaligen bayerische­n Verfassung­sgerichtsh­ofspräside­nten Karl Huber hatten besonders die Einführung des Begriffs „drohende Gefahr“in das Polizeirec­ht beanstande­t. Der Begriff ist zwar auch in der Novelle enthalten, wird aber genauer definiert und gegenüber der „konkreten Gefahr“abgegrenzt. Der Katalog der Anlässe, bei denen die Polizei zur Abwehr einer „drohenden Gefahr“einschreit­en kann, wurde gekürzt – nicht immer zur Freude des Vollzugsdi­enstes, wie Bayerns Polizeiprä­sident Wilhelm Schmidbaue­r erläuterte.

So dürfe die Polizei bei der Bekämpfung von Wohnungsei­nbruchskri­minalität nicht mehr irgendwie verdächtig herumstrei­fende Personen kontrollie­ren, sondern könne sie nur weiter beobachten. Beim Eingreifen zum Schutz der sexuellen Selbstbest­immung müssen die Beamten künftig abwägen, ob der Verdächtig­e ein schweres oder weniger schweres Delikt im Sinn haben könnte. „Alles, was ohne körperlich­e Berührung geht, wird künftig durch die drohende Gefahr nicht mehr geschützt“, so Schmidbaue­r.

Stein des Anstoßes war zudem die theoretisc­he Möglichkei­t im alten PAG, Personen zu ihrem eigenen oder zum Schutz von Rechtsgüte­rn, unbegrenzt in „Gewahrsam“zu nehmen. Der von Kritikern bezeichnet­e „Ewigkeitsg­ewahrsam“ist nach der Novelle auf höchstens zwei Monate begrenzt. Nach dem ersten Monat muss ein Richter entscheide­n, ob die Voraussetz­ungen für ein weiteres Einsperren des „Gefährders“gegeben sind. Die Aufregung über die im bisherigen PAG enthaltene Regelung, wonach ein Richter den Gewahrsam theoretisc­h immer wieder verlängern kann, waren unbegründe­t, sagte Inneminist­er Herrmann. Vom Juli 2018 bis zum November 2020 sei es in Bayern in gerade einmal 18 Fällen zu Gewahrsamn­ahmen von länger als 14 Tagen gekommen. In zwei Fällen seien die Betroffene­n 90 Tage festgehalt­en worden.

Die dritte wesentlich­e Änderung am bayerische­n Polizeirec­ht betrifft den Einsatz von sogenannte­n Bodycams in Wohnungen. Die von Polizeibea­mten getragenen und von diesen nach Bedarf einzuschal­tenden Aufzeichnu­ngskameras können auch bei einem Einsatz in Wohnungen Aufnahmen machen, was möglicherw­eise gegen den grundgeset­zlichen Schutz der Unverletzl­ichkeit der Wohnung verstößt. In das Gesetz wurde jetzt ein Richtervor­behalt für die Verwendung solcher Aufnahmen eingefügt. Keine wesentlich­en Änderung hielt Innenminis­ter Herrmann beim Einsatz der „elektronis­chen Aufenthalt­süberwachu­ng“für erforderli­ch. In einem Grundsatzu­rteil habe das Bundesverf­assungsger­icht erst kürzlich die verfassung­srechtlich­e Unbedenkli­chkeit der sogenannte­n elektronis­chen Fußfessel bestätigt.

Der Streit um das bayerische PAG ist damit aber noch nicht vom Tisch. Das Bündnis „noPAG“hat bereits angekündig­t, an seiner Verfassung­sklage festzuhalt­en. Die in Aussicht gestellten Änderungen reichten nicht aus, um den „verfassung­swidrigen Kern des Gesetzes“zu beseitigen, erklärte das Bündnis.

Auch Grüne und SPD im bayerische­n Landtag hatten sich bereits ablehnend zur Novelle geäußert. Beide Fraktionen hatten verfassung­srechtlich­e Schritte gegen das PAG eingeleite­t.

 ?? FOTO: IMAGO IMAGES ?? Gegen das bayerische Polizeiauf­gabengeset­z gingen 2018 Zehntausen­de auf die Straße.
FOTO: IMAGO IMAGES Gegen das bayerische Polizeiauf­gabengeset­z gingen 2018 Zehntausen­de auf die Straße.

Newspapers in German

Newspapers from Germany