Größter Einzelauftrag im Lastwagengeschäft für ZF
Konzern schafft mit Getriebe „Powerline“den Durchbruch im US-Nutzfahrzeugmarkt
- 260 Standorte in 41 Ländern: Der Zulieferer ZF ist wahrlich ein Weltkonzern, fast jeder Autohersteller weltweit verbaut Teile des Unternehmens mit Sitz in Friedrichshafen. Dieser globale Fußabdruck hat aber ein paar Aussparungen. So hat der Konzern bislang im amerikanischen Nutzfahrzeugmarkt ausgerechnet beim Getriebebau, dem Ursprung der ZF, bislang nur wenige Zahnräder in die Trucks und Pick-ups gebracht. Bis jetzt. Denn am Dienstag hat der Konzern mehrere Großaufträge für das Nutzfahrzeuggetriebe Powerline vermeldet. Gesamtvolumen: mehrere Milliarden Euro.
Powerline ist ein Achtgang-Automatikgetriebe, das technisch seine Wurzeln im 8HP hat, einem Pkw-Getriebe, das ZF über drei Millionen Mal pro Jahr verkauft. Es wird in modularer Bauweise angeboten, kann demnächst als Mild- oder Plug-inHybrid auch elektrifiziert werden und wird in Bussen, mittelschweren Lastwagen bis zu 26 Tonnen und in die in den USA besonders beliebten Pick-ups eingebaut. Laut Pressemitteilung vermindert Powerline den
CO2-Ausstoß um bis zu zehn Prozent im Vergleich zu Produkten der Wettbewerber. Seit Ende 2020 wird es in Friedrichshafen produziert, zunächst in kleiner Serie für einen europäischen Kunden.
Jetzt hat ZF mitgeteilt, dass mehrere große Kunden in Nordamerika Powerline bestellt haben. Einer dieser Aufträge ist laut Konzern die größte Einzelorder im Nutzfahrzeugsegment
in der Unternehmensgeschichte. Wer die Kunden sind und in welchen Modellen das Getriebe zum Einsatz kommt, teilt das Unternehmen nicht mit. Produziert wird Powerline ab 2023 in Gray Court im US-Bundesstaat South Carolina. ZF baut das dortige Getriebewerk für gut 150 Millionen Euro aus und schafft 500 neue Arbeitsplätze. Im Moment arbeiten in der Fabrik rund 2200 Mitarbeiter. Der Standort wurde im Jahr 2012 eröffnet. Dort werden heute 8HP- und 9HP-Automatikgetriebe für Pkw gefertigt. Weltweiter Produktionsstart für das Getriebe war im Oktober 2020 in Friedrichshafen, dem Sitz der ZF-Division Nutzfahrzeugtechnik; hier wurde das Produkt auch entwickelt.
Zunächst sollte es in Eger (Ungarn) gebaut werden. Im Zuge der Verhandlungen zur Standort- und Beschäftigungssicherung im Jahr 2016 wurde die Fertigung Friedrichshafen zugesprochen. Das Produkt soll helfen, eine Produktionslücke zu schließen, die entsteht, weil MAN viele seiner Lkw-Getriebe künftig im VW-Konzernverbund selbst entwickeln und bauen wird. Weil mögliche weitere Entwicklungsstufen von Powerline sicher zunächst am See gebaut werden, profitiert auch der Produktionsstandort Friedrichshafen von den milliardenschweren Bestellungen aus Amerika.
Nach mehreren gewonnenen Großaufträgen im Auto-Segment – 2019 hat ZF von BMW, Fiat-Chrysler und Jaguar-Landrover Aufträge für das 8HP an Lang gezogen – erweitert der Konzern seinen Kundenkreis bei den Lastwagen- und Pick-up-Herstellern. „Dank seiner flexibel einsetzbaren Technologie können wir mit Powerline die Erfolgsgeschichte dieses Produktes nun auch im Nutzfahrzeugsegment fortschreiben“, sagt Wilhelm Rehm, der im ZF-Vorstand unter anderem die Nutzfahrzeugtechnik verantwortet, laut einer Pressemitteilung. „Damit sind wir mit unseren Nutzfahrzeuggetrieben nach Europa und China nun auch im wichtigen Markt Nordamerika präsent. Aufträge wie diese tragen mit dazu bei, jene Erlöse zu erwirtschaften, die wir für Investitionen in weitere Zukunftstechnologien und den Wandel unseres Unternehmens brauchen.“
Der jetzt kommunizierte Verkaufserfolg hängt auch mit einer Veränderung in der Einkaufspolitik amerikanischer Autohersteller zusammen. Bisher galt deren Blick vor allem dem Preis, die Lebenszeitkosten eines Getriebes spielten keine große Rolle. Das wandelt sich gerade – und macht ZF-Produkte interessanter. Hinzu kommt, dass in den USA der Trend zum Automatikgetriebe, das dort im Pkw viel stärker und schon seit vielen Jahren nachgefragt wird, auch im Lastwagen, der in den Staaten bislang traditionell von Hand geschaltet wird, immer spürbarer wird.