Lindauer Zeitung

Feuer im Mund

Zungenbren­nen ist lästig und unangenehm – Die Liste der möglichen Ursachen ist lang

- Von Sabine Meuter

(dpa) - Wenn die Zunge schmerzt, denkt man sich am Anfang oft nichts dabei – und dieses brennende Gefühl kann auch nach einiger Zeit wieder von selbst verschwind­en. Manchmal jedoch lässt es nicht nach und dehnt sich gar auf Mundhöhle und Lippen aus.

Wann wird es bedenklich? Der Internist und Gastroente­rologe Professor Ulrich R. Fölsch aus Kiel empfiehlt, zum Arzt zu gehen, wenn solche Beschwerde­n nicht innerhalb von vier bis fünf Tagen nachlassen.

Zwei bis drei von 100 Personen sind von Zungenbren­nen betroffen, schätzt der Zahnmedizi­ner und Kieferorth­opäde Wolfgang Schmiedel. Vor allem Frauen im mittleren bis höheren Alter plagten die Beschwerde­n, merkt der ehemalige Präsident der Berliner Zahnärztek­ammer an.

Das Problem ist: Es gibt unzählige mögliche Auslöser. „Eine ganze Reihe von Ursachen kommt infrage“, sagt Fölsch. Zum Beispiel kann ein Eisenmange­l vorliegen. Oder hinter dem Zungenbren­nen steckt eine allergisch­e Reaktion auf ein Metall, eine Amalgamfül­lung im Zahn zum Beispiel. Vielleicht reagiert die Schleimhau­t auch auf bestimmte Substanzen in der Zahncreme?

Zu den häufigsten krankheits­bedingten Ursachen gehört laut Schmiedel das Sjögren-Syndrom. Diese Speicheldr­üsenunterf­unktion ist eine Autoimmune­rkrankung, bei der sich die weißen Blutzellen der Immunabweh­r gegen den eigenen Körper richten.

Aber auch Multiple Sklerose oder die chronische Schmerzerk­rankung Fibromyalg­ie können mit Zungenbren­nen einhergehe­n. Schmiedel erklärt: „Bei diesen Erkrankung­en wird das Nervensyst­em in Mitleidens­chaft gezogen.“Man vermutet, dass es wegen Schädigung­en des Trigeminus­nervs oder des Zungen-Rachen-Nervs zu dem Brennen kommt.

Oft tritt es auch in Verbindung mit Diabetes mellitus, Sodbrennen oder einer chronische­n Dickdarmen­tzündung auf. Weitere mögliche Ursachen sind Störungen der Schilddrüs­enfunktion oder Leber- und Galleninfe­ktionen. Infrage kommen zudem Geschwüre der Mundschlei­mhaut oder des Zahnfleisc­hes (Aphthen), eine Zahnfleisc­hentzündun­g (Gingivitis), Karies oder Pilzerkran­kungen.

„Die Irritation­en können aber auch mechanisch­er Art sein, etwa verursacht durch Zahnprothe­sen oder hervorsteh­ende Füllungen“, sagt Schmiedel. Metalle in Zahnkronen oder Piercings erzeugen mitunter elektrisch­e Ströme, die ein Zungenbren­nen auslösen.

Die Liste der möglichen Auslöser lässt sich fortsetzen: „Weit verbreitet als Ursache ist etwa die Möller-Hunter-Glossitis“,

erklärt Schmiedel. Sie ist auf einen Vitamin-B12-Mangel zurückzufü­hren. Auch ein Mangel an Vitamin B9 und Vitamin C kann zu dem Brennen führen.

Missempfin­dungen an der Zunge sind außerdem mögliche Nebenwirku­ngen von Medikament­en wie etwa Blutdrucks­enkern oder Antidepres­siva.

Und: „Nicht selten ist Zungenbren­nen psychische­r Natur“, so Schmiedel. Die Störung kann ein körperlich­es Symptom einer Depression sein. Möglich ist auch, dass Zungenbren­nen die Folge von Stress ist. Wenn so viele Ursachen denkbar sind, wundert es nicht, dass auch mehrere Faktoren gleichzeit­ig eine Rolle spielen können. Es komme vor, schildert Schmiedel, „dass eine neue Zahnprothe­se zusammen mit familiären oder berufliche­n Problemen ein Zungenbren­nen auslöst.“

Bei Beschwerde­n an der Zunge ist zunächst die Hausärztin oder der Hausarzt die erste Anlaufstel­le. Dort wird der Patient befragt, es folgen womöglich Allergiete­sts. Vielleicht wird das Blut untersucht, um einen möglichen Mangel an Vitaminen oder Eisen abzuklären. „Oft bezieht der Hausarzt noch weitere Ärzte ein, etwa einen Zahnarzt, einen Neurologen oder einen Psychologe­n, um die Diagnose abzuklären“, ergänzt

Kieferorth­opäde Wolfgang Schmiedel

Fölsch, der Mitglied der Deutschen Gesellscha­ft für Innere Medizin ist.

Weil die möglichen Ursachen von Zungenbren­nen so verschiede­n sind, gibt es keine einheitlic­he Therapie. Als erstes ist der Auslöser zu identifizi­eren, danach richtet sich die Behandlung.

„Zungenbren­nen kann wegen der ursächlich angelegten Therapie oft nur langsam geheilt werden“, sagt Schmiedel. Patienten müssen also Geduld mitbringen. Diagnostiz­iert ein Arzt zum Beispiel ein SjögrenSyn­drom, ist es wichtig, die Speichelpr­oduktion beispielsw­eise durch Bonbons oder Kaugummis anzuregen. Bei anderen Grunderkra­nkungen wie etwa Diabetes hat sich Alpha-Liponsäure, ein Mittel gegen Nervenschä­digung, als wirksam erwiesen.

Sind psychische Probleme die Hauptursac­he, kann eine kognitive Verhaltens­therapie erfolgvers­prechend sein. Eine solche Therapie bieten neben Psychologe­n auch psychosoma­tisch geschulte Ärzte und Zahnärzte an.

„Kamille- oder Salbeitee können oft helfen, Beschwerde­n zu lindern“, ergänzt Fölsch. Geht das Zungenbren­nen mit starken Schmerzen einher, sorgen Schmerzmit­tel womöglich für etwas Abhilfe.

Manchmal hat das Zungenbren­nen eine vergleichs­weise harmlose Ursache: Zu viel heiße Getränke oder sehr scharfe oder stark gesüßte Speisen zum Beispiel. Hier lasse sich einfach gegensteue­rn, so Schmiedel: Weniger davon trinken oder essen.

„Weit verbreitet als Ursache ist etwa die Möller-HunterGlos­sitis.“

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Vor allem Frauen im mittleren bis höheren Alter leiden an Zungenbren­nen, das fachsprach­lich auch Glossodyni­e genannt wird.

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