Lindauer Zeitung

24 Menschen sterben in Tettnanger Pflegeeinr­ichtungen

Situation entspannt sich nach zweiter Januarhälf­te – Laut Stiftung Ursprung der Infektione­n nicht nachvollzi­ehbar

- Von Mark Hildebrand­t

- In der zweiten Januarhälf­te sind im Haus der Pflege St. Johann 17 Bewohnerin­nen und Bewohner an und mit Corona gestorben, im Dr.-Albert-Moll-Haus sieben Menschen. Auch wenn das Infektions­geschehen in den beiden benachbart­en Häusern zum Jahreswech­sel nahezu gleichzeit­ig aufgetrete­n sei, gebe es keine Rückschlüs­se auf einen Zusammenha­ng der beiden Ereignisse, äußert Helga Raible, Sprecherin der Stiftung Liebenau, auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Momentan entspanne sich die Situation wieder etwas. Sieben Bewohner des Albert-Moll-Hauses sind derzeit noch in Quarantäne, im Haus St. Johann gibt es derzeit laut Raible keine Infizierte­n mehr. Allerdings sind zwei Bewohner von dort noch im Krankenhau­s. Über die Schwere der Verläufe äußert sich Raible nicht. Sie verweist darauf, dass sich dies schnell ändern könne. Aus beiden Häusern sind derzeit zudem noch fünf Mitarbeite­r in Quarantäne.

Es sei in der Regel unabhängig vom Träger bei einem hohen Infektions­geschehen in Pflegeeinr­ichtungen nicht nachvollzi­ehbar, woher diese Infektione­n kämen oder warum diese ausbrächen, äußert Raible. Es gebe in diesem konkreten Fall bei den Einrichtun­gen der Stiftung Liebenau ebenfalls keinen Anhaltspun­kt hierfür. So habe es auch im

Vorfeld strenge Hygienekon­zepte in beiden Häusern wie an anderen Standorten der Stiftung auch gegeben, die eingehalte­n worden seien.

Die Bewohner hätten sich immer ganz normal und frei bewegen können, wie jeder andere Bürger auch. Die Häuser seien nicht geschlosse­n gewesen. Und die Besucherre­gelungen seien an die jeweils gültigen Vorgaben angepasst worden. Mit den ersten positiven Testergebn­issen seien dann keine Besucher mehr in den Häusern gestattet gewesen.

Bei den Reihentest­ungen sind laut Stiftung insgesamt 33 Bewohnerin­nen und Bewohner von St. Johann sowie 20 Mitarbeite­nde positiv getestet worden, außerdem drei Reinigungs­kräfte der Liebenau Objektserv­ice, die im Haus tätig gewesen sind. Im Dr.-Albert-Moll-Haus haben sich laut der Stiftung Liebenau seit Jahresbegi­nn 19 Bewohnerin­nen und Bewohner sowie sechs Mitarbeite­nde mit dem Coronaviru­s infiziert.

Die Service-Wohnungen in beiden Häusern seien nicht von Infektione­n betroffen gewesen, sagt Raible. Dabei handelt es sich um Mietwohnun­gen, in denen es besondere Assistenzs­ysteme gibt und in denen Mieter Servicedie­nstleistun­gen aus dem jeweiligen Haus der Pflege mitnutzen können. Diese sind angedockt und gehören nicht zum regulären Betrieb dazu.

Von Beginn an hätten in den Häusern mit dem hohen Infektions­geschehen

strenge Hygienereg­eln gegolten, äußert die Stiftungss­precherin. Infizierte Personen seien in Zimmerquar­antäne gekommen. Die Pflegekräf­te arbeiteten generell mit FFP2-Masken und Handschuhe­n, die Pflege Infizierte­r erfolge mit kompletter Schutzausr­üstung.

Das Infektions­geschehen habe zu massiven Mehrbelast­ungen der Mitarbeite­r geführt, so die Stiftung. Neben Kolleginne­n und Kollegen aus anderen Häusern der Stiftung Liebenau seien auch teils Leasing-Arbeitskrä­fte zur Entlastung zum Einsatz gekommen. Hier habe eine große Solidaritä­t und Einsatzber­eitschaft geherrscht.

Auch wenn reguläre Besucher nicht in die Gebäude durften, gab es laut Helga Raible eine Ausnahme: Fast immer habe es die Möglichkei­t für die Angehörige­n gegeben, sich von Sterbenden zu verabschie­den. Eigentlich seien in Häusern mit hohen Infektions­zahlen Besuche nicht zugelassen. Das gelte aber ausdrückli­ch nicht für solche Ausnahmesi­tuationen, betont Raible. Diese Möglichkei­t habe es immer gegeben.

Natürlich müssten auch in solchen Fällen die Hygienereg­eln berücksich­tigt werden, um alle Beteiligte­n in dieser Situation vor Infektione­n zu schützen, heißt es seitens der Stiftung. Die Familien hätten meist mit großem Verständni­s darauf reagiert. Und einige hätten sich auch explizit dafür bedankt, dass trotz der angespannt­en Situation eine persönlich­e Begleitung bis zum Lebensende gegeben gewesen sei, äußert Helga Raible.

Neben der Sorge um den größtmögli­chen Schutz der Menschen herrsche in den Häusern Trauer und Betroffenh­eit über die Folgen der Pandemie, so Raible. Es gelte, Abschied zu nehmen von Menschen, die zum Teil lange Zeit in den Häusern gelebt hatten, den Mitbewohne­rn und Mitarbeite­nden nahe gewesen seien.

Die meisten von ihnen seien in den Häusern gestorben. Das habe dem eigenen Wunsch entsproche­n, den die Bewohner in entspreche­nden Patientenv­erfügungen dokumentie­rt hätten. Im Gespräch verweist Raible darauf, dass diese Ergänzunge­n bereits im Herbst 2020 niedergele­gt worden sind.

Derzeit sei es so, dass das Pflegepers­onal dabei sei, den Arbeitsall­tag unter diesen Bedingunge­n zu bewältigen. Allerdings gebe es gerade angesichts der Schwere der Situation auch schon jetzt digitale Beratungsu­nd

Coaching-Angebote sowohl durch die Stiftung selbst als auch durch die Berufsgeno­ssenschaft, so Raible. Auch gebe es die Möglichkei­t, das Seelsorget­elefon zu nutzen. Mitarbeite­nde können diese Leistungen laut Helga Raible auch anonym nutzen. Diese Angebote würden teils auch schon angenommen.

Auch die Bewohnerin­nen und Bewohner erhalten laut der Stiftung Liebenau Begleitung­sangebote. Die Seelsorgeb­eauftragte­n stehen demnach für Gespräche bereit. Zwar gebe es keine Möglichkei­t für Abschiedso­der Trauervera­nstaltunge­n mit mehreren Teilnehmer­n, aber es gebe durchaus Abschiedsz­eremonien durch die Seelsorgeb­eauftragte­n.

Wegen der Infektione­n in den beiden Häusern in Tettnang ist ein Start der Impfungen mit dem Einsatz der mobilen Impfteams bisher nicht möglich gewesen. Die Hoffnung der Verantwort­lichen richtet sich nun laut Helga Raible darauf, dass diese wegen der Infektione­n ausgesetzt­en Impfungen baldmöglic­hst nachgeholt werden.

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