24 Menschen sterben in Tettnanger Pflegeeinrichtungen
Situation entspannt sich nach zweiter Januarhälfte – Laut Stiftung Ursprung der Infektionen nicht nachvollziehbar
- In der zweiten Januarhälfte sind im Haus der Pflege St. Johann 17 Bewohnerinnen und Bewohner an und mit Corona gestorben, im Dr.-Albert-Moll-Haus sieben Menschen. Auch wenn das Infektionsgeschehen in den beiden benachbarten Häusern zum Jahreswechsel nahezu gleichzeitig aufgetreten sei, gebe es keine Rückschlüsse auf einen Zusammenhang der beiden Ereignisse, äußert Helga Raible, Sprecherin der Stiftung Liebenau, auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“.
Momentan entspanne sich die Situation wieder etwas. Sieben Bewohner des Albert-Moll-Hauses sind derzeit noch in Quarantäne, im Haus St. Johann gibt es derzeit laut Raible keine Infizierten mehr. Allerdings sind zwei Bewohner von dort noch im Krankenhaus. Über die Schwere der Verläufe äußert sich Raible nicht. Sie verweist darauf, dass sich dies schnell ändern könne. Aus beiden Häusern sind derzeit zudem noch fünf Mitarbeiter in Quarantäne.
Es sei in der Regel unabhängig vom Träger bei einem hohen Infektionsgeschehen in Pflegeeinrichtungen nicht nachvollziehbar, woher diese Infektionen kämen oder warum diese ausbrächen, äußert Raible. Es gebe in diesem konkreten Fall bei den Einrichtungen der Stiftung Liebenau ebenfalls keinen Anhaltspunkt hierfür. So habe es auch im
Vorfeld strenge Hygienekonzepte in beiden Häusern wie an anderen Standorten der Stiftung auch gegeben, die eingehalten worden seien.
Die Bewohner hätten sich immer ganz normal und frei bewegen können, wie jeder andere Bürger auch. Die Häuser seien nicht geschlossen gewesen. Und die Besucherregelungen seien an die jeweils gültigen Vorgaben angepasst worden. Mit den ersten positiven Testergebnissen seien dann keine Besucher mehr in den Häusern gestattet gewesen.
Bei den Reihentestungen sind laut Stiftung insgesamt 33 Bewohnerinnen und Bewohner von St. Johann sowie 20 Mitarbeitende positiv getestet worden, außerdem drei Reinigungskräfte der Liebenau Objektservice, die im Haus tätig gewesen sind. Im Dr.-Albert-Moll-Haus haben sich laut der Stiftung Liebenau seit Jahresbeginn 19 Bewohnerinnen und Bewohner sowie sechs Mitarbeitende mit dem Coronavirus infiziert.
Die Service-Wohnungen in beiden Häusern seien nicht von Infektionen betroffen gewesen, sagt Raible. Dabei handelt es sich um Mietwohnungen, in denen es besondere Assistenzsysteme gibt und in denen Mieter Servicedienstleistungen aus dem jeweiligen Haus der Pflege mitnutzen können. Diese sind angedockt und gehören nicht zum regulären Betrieb dazu.
Von Beginn an hätten in den Häusern mit dem hohen Infektionsgeschehen
strenge Hygieneregeln gegolten, äußert die Stiftungssprecherin. Infizierte Personen seien in Zimmerquarantäne gekommen. Die Pflegekräfte arbeiteten generell mit FFP2-Masken und Handschuhen, die Pflege Infizierter erfolge mit kompletter Schutzausrüstung.
Das Infektionsgeschehen habe zu massiven Mehrbelastungen der Mitarbeiter geführt, so die Stiftung. Neben Kolleginnen und Kollegen aus anderen Häusern der Stiftung Liebenau seien auch teils Leasing-Arbeitskräfte zur Entlastung zum Einsatz gekommen. Hier habe eine große Solidarität und Einsatzbereitschaft geherrscht.
Auch wenn reguläre Besucher nicht in die Gebäude durften, gab es laut Helga Raible eine Ausnahme: Fast immer habe es die Möglichkeit für die Angehörigen gegeben, sich von Sterbenden zu verabschieden. Eigentlich seien in Häusern mit hohen Infektionszahlen Besuche nicht zugelassen. Das gelte aber ausdrücklich nicht für solche Ausnahmesituationen, betont Raible. Diese Möglichkeit habe es immer gegeben.
Natürlich müssten auch in solchen Fällen die Hygieneregeln berücksichtigt werden, um alle Beteiligten in dieser Situation vor Infektionen zu schützen, heißt es seitens der Stiftung. Die Familien hätten meist mit großem Verständnis darauf reagiert. Und einige hätten sich auch explizit dafür bedankt, dass trotz der angespannten Situation eine persönliche Begleitung bis zum Lebensende gegeben gewesen sei, äußert Helga Raible.
Neben der Sorge um den größtmöglichen Schutz der Menschen herrsche in den Häusern Trauer und Betroffenheit über die Folgen der Pandemie, so Raible. Es gelte, Abschied zu nehmen von Menschen, die zum Teil lange Zeit in den Häusern gelebt hatten, den Mitbewohnern und Mitarbeitenden nahe gewesen seien.
Die meisten von ihnen seien in den Häusern gestorben. Das habe dem eigenen Wunsch entsprochen, den die Bewohner in entsprechenden Patientenverfügungen dokumentiert hätten. Im Gespräch verweist Raible darauf, dass diese Ergänzungen bereits im Herbst 2020 niedergelegt worden sind.
Derzeit sei es so, dass das Pflegepersonal dabei sei, den Arbeitsalltag unter diesen Bedingungen zu bewältigen. Allerdings gebe es gerade angesichts der Schwere der Situation auch schon jetzt digitale Beratungsund
Coaching-Angebote sowohl durch die Stiftung selbst als auch durch die Berufsgenossenschaft, so Raible. Auch gebe es die Möglichkeit, das Seelsorgetelefon zu nutzen. Mitarbeitende können diese Leistungen laut Helga Raible auch anonym nutzen. Diese Angebote würden teils auch schon angenommen.
Auch die Bewohnerinnen und Bewohner erhalten laut der Stiftung Liebenau Begleitungsangebote. Die Seelsorgebeauftragten stehen demnach für Gespräche bereit. Zwar gebe es keine Möglichkeit für Abschiedsoder Trauerveranstaltungen mit mehreren Teilnehmern, aber es gebe durchaus Abschiedszeremonien durch die Seelsorgebeauftragten.
Wegen der Infektionen in den beiden Häusern in Tettnang ist ein Start der Impfungen mit dem Einsatz der mobilen Impfteams bisher nicht möglich gewesen. Die Hoffnung der Verantwortlichen richtet sich nun laut Helga Raible darauf, dass diese wegen der Infektionen ausgesetzten Impfungen baldmöglichst nachgeholt werden.