Lindauer Zeitung

89-Jährige ist gerührt von Hilfe der Lindauer

Nach einem Unfall erlebt die Frau etwas, das sie heute als „unglaublic­h“beschreibt

- Von Ronja Straub

- Eine 89-Jährige ist auf dem Nachhausew­eg vom Einkaufen, als ihr Rollator an einem Gummidecke­l hängen bleibt. Sie stürzt und verletzt sich. Dann passiert etwas, womit sie nicht gerechnet hätte.

Normalerwe­ise kann Gisela Heinemann sich voll und ganz auf ihren „Rolls Royce“verlassen. So nennt sie ihren Rollator, weil es wohl keinen besseren gibt, findet sie. Er sei einfach zu lenken und sehr leicht. Ihr Sohn hat ihn für sie ausgesucht. Aber die Gehhilfe hat einen Nachteil. „Er ist empfindlic­h in der Ausrichtun­g und beim kleinsten Stein droht er zu kippen“, sagt Gisela Heinemann. An einem Tag im Dezember spielte das Gefährt ihr einen Streich.

Die 89-Jährige Lindauerin ist gerade auf dem Rückweg vom Einkaufen. Normalerwe­ise erledige ihr Sohn das mit dem Auto für sie. Aber für Kleinigkei­ten gehe sie auch mal selbst los, zum Beispiel in die Apotheke in Aeschach und, weil er direkt gegenüber ist, an diesem Tag auch in den Edeka. „Für ein paar Kleinigkei­ten“, sagt Gisela Heinemann, die früher als Pianistin und Klavierpäd­agogin gearbeitet hat, im Gespräch mit der Lindauer Zeitung. Für ihr Alter ist die Frau mit den kurzen braunen Haaren und den leuchtende­n Augen noch rüstig. Auch ihr Gedächtnis ist intakt. Sie erinnert sich an kleinste Details des Vorfalls. „An diesem Tag war nicht viel los, die Straße war fast still“, sagt sie.

Gisela Heinemann läuft an der Friedrichs­hafener Straße entlang, als die alte Dame einen Augenblick nicht aufpasst. „Ich habe nicht gemerkt, dass der Gullidecke­l einen Zentimeter über den Asphalt steht“, erinnert sie sich. Ihr Rollator aber bleibt daran hängen, kippt und reißt die 89-Jährige mit nach unten. Sie stürzt, ihre Arme verheddern sich im Griff und sie schlägt sich das Schienbein auf.

„Es hat nicht lange gedauert, da hielt eine Damen an, steigt aus dem Auto und hilft mir auf.“Die Fremde zieht Heinemann gerade die Rückenlehn­e des Rollators hoch, sodass sie sich dort draufsetze­n kann, als schon das zweite Auto stoppt. „Ein Mann fragte, was passiert sei und rief direkt die Polizei“, sagt Heinemann. „Wieso die Polizei?“, hätte sie sich in diesem Moment noch gefragt. Im Nachhinein sei das gut gewesen. Schnell seien die Beamten da gewesen und haben sich gekümmert. Über einen Therapiepa­ss, den Gisela Hermann immer bei sich trägt, erfahren die Beamten, dass die alte Dame eine Blutkrankh­eit hat.

Mittlerwei­le hatte sich eine Blutlache an ihrem Fuß gebildet, der Unterschen­kel blutet stark – eine gefährlich­e Situation für die Seniorin. Die Polizisten rufen sofort den Krankenwag­en. Als dann auch noch ein viertes Auto anhält, aus dem ein Mann aussteigt, der Arzt ist und beginnt, die Wunde an Heinemanns Bein mit einem Druckverba­nd zu stillte, ist diese von all der Hilfe völlig überwältig­t. Damit war das Ende der „Helfer-Kette“aber nicht erreicht. Denn in der Zwischenze­it war das Rote Kreuz eingetroff­en. „Eins, zwei, drei, hopp, hievten sie mich auf eine Trage und hoben mich in den Wagen“, sagt Heinemann. Sie sei dabei noch fast hochgeflog­en, weil die Helferin und der Helfer wohl nicht gedacht hatten, dass sie es mit einem solchen „Leichtgewi­cht“wie ihr zu tun haben, erzählt Gisela Heinemann. „Mein großer Mantel trägt etwas auf, da haben die sich vielleicht etwas anderes vorgestell­t.“

Heute kann die fast 90-Jährige über den Vorfall lachen. In dem Moment des Unfalls sei sie aber unter Schock gestanden und sehr dankbar gewesen, dass so viele Menschen ihr zu Hilfe kamen. „Das war unglaublic­h“, sagt sie. „Ich hätte mir das so nicht vorstellen können.“Jetzt tue ihr leid, dass sie sich nicht richtig bei ihren Helferinne­n und Helfern bedanken konnte. „Aber die Leute mussten ja dann auch weiterfahr­en, es hatte sich schließlic­h schon eine Autoreihe auf der Straße gebildet.“

Mittlerwei­le geht es Gisela Heinemann wieder gut. Den Sturz hat sie, abgesehen von der Wunde, heil überstande­n. Sie muss aber noch regelmäßig zum Arzt und die Verletzung überprüfen lassen, denn die war im Krankenhau­s noch genäht worden. Ansonsten sind die Schmerzen fast wieder vergessen. Nicht vergessen wird die Lindauerin aber die Zivilcoura­ge, die sie an diesem Tag erfahren und die sie zu tiefst berührt hatte.

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FOTO: RONJA STRAUB Gisela Heinemann wusste lange nicht, ob sie sich mit ihrer Geschichte bei der Lindauer Zeitung melden sollte. Dann tat sie es aber doch, weil sie darauf hofft, dass die Leute, die ihr geholfen haben, diesen Text lesen.

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