Lindauer Zeitung

Kontrovers­e Reisefreud­e

Wegen Corona-Bestimmung­en werden Bundesligi­sten internatio­nal zu Vielfliege­rn – Diskussion­en über Privilegie­n

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(SID) - Durch die Verlegung von Europacup-Spielen haben die Topclubs aus der Bundesliga die Debatte über die Privilegie­n ihrer Branche wieder angestoßen. Die „Betriebsau­sflüge“von RB Leipzig und Borussia Mönchengla­dbach nach Ungarn sowie der TSG Hoffenheim nach Spanien für Millionen-Einnahmen im internatio­nalen Geschäft stoßen auf immer mehr Kritik.

„Es ist schon befremdlic­h, welche Maßnahmen ergriffen werden. Jeder durch diese Verlegunge­n zusätzlich­e Kontakt ist einer zu viel“, kommentier­te die Bundestags-Sportaussc­hussvorsit­zende Dagmar Freitag den wieder zunehmende­n Fußballtou­rismus quer über den Kontinent: „Eines macht das Vorgehen wieder klar: Am Ende dreht sich die Fußballwel­t in ihrem eigenen Kosmos – und vor allem ums Geld.“

Die drei Bundesliga­teams absolviere­n mit ihren Begleittro­ssen wegen der Einreisebe­schränkung­en in Deutschlan­d und Norwegen jeweils zwei außerplanm­äßige Flugreisen. Leipzig und Mönchengla­dbach hatten ihre Achtelfina­lhinspiele in der

Champions League gegen englische Gegner in Ungarns Hauptstadt Budapest verlegen müssen. Hoffenheim­s Europa-League-Kontrahent Molde FK darf in Norwegen keine ausländisc­hen Gegner empfangen und lotste die Kraichgaue­r ins spanische Villarreal um.

Freitag erinnerte jedoch an die Sonderstel­lung des Fußballs und die damit verbundene Verantwort­ung. „In der Pandemie-Bekämpfung sind wir an einem fragilen Punkt. Der Fußball tut dennoch so, als habe er mit all dem nichts zu tun“, meinte die SPD-Politikeri­n. „Der Fußball hat eine sehr komfortabl­e Position. Ich habe den Eindruck, dass diese mittlerwei­le als völlige Selbstvers­tändlichke­it wahrgenomm­en wird. Ein wenig mehr Demut täte mit Blick auf den Rest der Gesellscha­ft ganz sicher gut.“

Für die Virologin Ulrike Protzer hingegen stellen die Budapest-Trips von Leipzig gegen den FC Liverpool (16. Februar) und Gladbach gegen Manchester City (24. Februar) keine unkalkulie­rbaren Risiken dar. „Es ist eine vernünftig­e Lösung“, sagte die 58-Jährige von der Technische­n Universitä­t

München bei Sky Sport News: „Die Ungarn sind im Moment mit den Zahlen auf dem gleichen Niveau, wie wir es sind.“

In der Politik jedoch befürchtet nicht nur Freitag durch die zusätzlich­en Flüge die Aussendung einer unpassende­n Botschaft an die Bevölkerun­g. „Das ist auch mal verzichtba­r an dieser Stelle“, sagte SPD-Generalsek­retär und DFL-Taskforce-Mitglied Lars Klingbeil: „Der Wettbewerb darf da nicht an erster Stelle stehen.“Auch sein Parteikoll­ege und Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach zeigte kein Verständni­s: „Wir sollen alle auf Reisen verzichten. Ich verstehe nicht, warum wir für den Profizirku­s eine Ausnahme machen sollten.“

Zumal die Bemühungen des Fußballs um die Aufrechter­haltung seines Geschäftsm­odells noch abstrusere Formen annehmen dürften. Denn während Molde und Hoffenheim in Spanien spielen können, darf Atlético Madrid wegen des spanischen Banns für Engländer sein Champions-League-Heimspiel gegen den FC Chelsea (23. Februar) voraussich­tlich nicht im eigenen Land austragen. Das betrifft auch Real Sociedad San Sebastián, das nun sein Zwischenru­nden-Hinspiel in Turin gegen Manchester United spielen wird. Auch Großbritan­niens neue Einreisebe­stimmungen können den Europacup-Kalender noch weiter durcheinan­derwirbeln.

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FOTO: DPA Budapest statt Leipzig: Das Zuhause von RB ist nun Ungarn.

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