Hoffnungsträger mit Nebenwirkungen
Der Impfstoff von Astra-Zeneca steht in der Kritik – Drosten und Spahn verteidigen ihn
- Der Corona-Impfstoff von Astra-Zeneca galt zunächst als neue Hoffnung im Kampf gegen die Pandemie: Er ist billiger und einfacher zu lagern als die Stoffe von Biontech und Moderna. Doch mittlerweile sind Zweifel aufgekommen. Ein Überblick.
Wie ist die aktuelle Situation?
Astra-Zeneca ist ein seit Januar zugelassener Impfstoff des gleichnamigen britisch-schwedischen Herstellers. Die Ständige Impfkommission am Robert-Koch-Institut (Stiko) empfiehlt ihn nur für Menschen zwischen 18 und 64 Jahren. Zur Wirksamkeit bei Menschen über 65 liegen derzeit nicht genügend Daten vor, heißt es. Wegen der Empfehlung der Stiko wurde der Impfstoff bislang fast nur Krankenhausmitarbeitern, die zur Risikogruppe eins gehören, verabreicht.
Welche Probleme gibt es mit dem Astra-Zeneca-Impfstoff?
Die Impfungen schreiten bislang nicht wirklich voran. Viele Bundesländer verweigern sich der Nutzung des Astra-Zeneca-Impfstoffs, weil sie Zweifel an seiner Wirksamkeit haben. Nach aktuellen Studien wirkt der Impfstoff bloß zu 82 Prozent – und damit etwa 13 Prozent weniger als die Vakzine von Biontech und Moderna. Bereits Geimpfte klagten zudem über Nebenwirkungen nach einer Impfung mit dem Vakzin, darunter schweren Erscheinungen wie Fieber. Im schwedischen Sörmland meldeten sich 100 von 400 geimpften Krankenhausmitarbeitern krank, wodurch es vorübergehend zu einem Personalnotstand kam.
Auch in Deutschland kam es zu Nebenwirkungen durch den AstraZeneca-Impfstoff. Im Landkreis Minden-Lübbecke in NordrheinWestfalen sollen Mitarbeiter des Rettungsdienstes und der Feuerwehr nach ihrer Impfung über Fieber, Schüttelfrost und Schmerzen geklagt haben. In den niedersächsischen Kliniken Braunschweig und Emden wurden Lieferungen des Astra-Zeneca-Impfstoffs vorübergehend gestoppt, nachdem mehrere geimpfte Krankenhausmitarbeiter unter Nebenwirkungen litten. Laut Astra-Zeneca sind die Reaktionen allerdings so, wie man sie aufgrund der eigenen Studien erwartet habe.
Wie schätzen Mediziner die Lage ein?
Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, fordert, den Astra-Zeneca-Impfstoff nicht an medizinisches Personal zu verimpfen. Der Impfstoff sei zwar genauso sicher wie die anderen. „Doch die geringere Wirksamkeit lässt sich nicht wegdiskutieren“, sagte Montgomery der „Rheinischen Post“. „Daher halte ich es für geboten, Menschen mit hohem Infektionsrisiko, zu denen medizinisches Personal oder Pflegekräfte gehören, mit besser wirksamen Vakzinen zu impfen.“Er habe Verständnis für medizinisches Personal, das sich nicht mit dem Astra-Zeneca-Impfstoff impfen lassen wolle.
Jüngere Menschen mit weniger Kontakten und einem geringeren Risiko für schwere Verläufe könnten hingegen von Astra-Zeneca profitieren, sagte Montgomery weiter. Er forderte: „Es muss eine Auswahlmöglichkeit der Impfstoffe für die Menschen geben, damit die Impfbereitschaft hoch bleibt.“
Gibt es Gegenstimmen?
Ja. Der Virologe Christian Drosten hält grundsätzliche Bedenken gegen den Astra-Zeneca-Impfstoff für unbegründet und ist für einen breiten Einsatz des Präparats, wie er am
Dienstag im Podcast „CoronavirusUpdate“bei NDR-Info mitteilte. An der Studie, nach der der Astra-Zeneca-Impfstoff bei der südafrikanischen Variante wohl weniger vor milden und schweren Verläufen von Covid-19 schütze, sieht Drosten Einschränkungen. Für die britische Corona-Variante B 1.1.7, die sich aktuell in Deutschland ausbreite, gebe es laut einer Studie keinen Nachteil für die Schutzwirkung des Astra-Zeneca-Impfstoffs, fügte er hinzu.
Diese Meinung teilt der Ulmer Virologe und Stiko-Vorsitzende Thomas Mertens. „Bislang gibt es keinen Hinweis darauf, dass die drei zugelassenen Impfstoffe gegen die britische Mutante, die es bereits bei uns gibt, nicht mehr ausreichend wirksam sind“, sagte er der „Schwäbischen Zeitung“. Zwar bestehe tatsächlich der Verdacht, dass der Astra-Zeneca-Impfstoff nicht mehr sicher vor Erkrankung schützt, wenn sich Menschen mit der SüdafrikaMutante infiziert haben. „Die Daten zu diesem Befund sind aber noch nicht vollständig verfügbar, sollen aber umgehend veröffentlicht werden“, so Mertens weiter.
Was sagt die Politik?
Auch sie spricht sich für den AstraZeneca-Impfstoff aus. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) warb ausdrücklich dafür, sich impfen zu lassen, wenn dies angeboten werde. Das Vakzin sei wirksam, sicher und für 18- bis 64Jährige empfohlen. Impfreaktionen wie Fieber seien ein Zeichen dafür, dass das Immunsystem auf die Injektion reagiere. Wer lieber abwarte, ob er einen anderen Impfstoff erhalten könne, „riskiert, schwer zu erkranken“.
Spahn selbst würde sich mit dem Impfstoff impfen lassen. Gleiches verkündete der SPD-Politiker Karl Lauterbach auf Twitter.
Wie geht es jetzt mit dem AstraZeneca-Impfstoff weiter?
Astra-Zeneca kündigte jüngst eine neue Impfstoff-Generation für den Herbst an, die besser vor Varianten schützen soll. Drosten riet allerdings davon ab, deshalb mit der Impfung abzuwarten. „Nach der derzeitigen Auffassung sollte man sich sofort impfen lassen, sobald man dran ist“, sagte er.