Schrittweise Öffnung wäre den Kitas lieber gewesen
Kindergarten-Leiterinnen freuen sich auf die Kinder, aber halten Ansteckunsgefahr für zu hoch
- Ab kommenden Montag dürfen wieder alle Kinder aus Lindau und den Gemeinden in die Kita gehen. Denn der Landkreis hat eine Sieben-Tages-Inzidenz von unter 100. Was Eltern aufatmen lässt, bereitet Kita-Personal Bedenken.
Anne Kristin Stadler ist besorgt. Sie ist die Leiterin des Nonnenhorner Kindergartens, in den ab nächster Woche zum ersten Mal seit drei Monaten wieder alle 61 Kinder kommen. „Ich habe Bange, wenn alle Kinder da sind“, sagt Stadler. Sie würde eine schrittweise Öffnung besser finden – so wie es im Frühjahr letzten Jahres der Fall war. „Zuerst die Vorschulkinder und nach zwei Wochen könnte man schauen, ob sie Zahlen unten bleiben“, findet die Kita-Leiterin. Während Geschäfte noch geschlossen haben, wolle man im Kindergarten von null auf 100 fahren – das mache keinen Sinn.
Hinzu kommt, dass die Umsetzung im Kindergarten-Alltag schwierig sei: Seit einem dreiviertel Jahr seien Kinder und Erzieherinnen auch in der Notbetreuung streng in ihren Gruppen geblieben, sowohl in den Räumen, als auch im Garten. Im Krankheitsfall einer Mitarbeiterin müsse die Kollegin mit 20 Kindern alleine klarkomme. Erst letztens sei das der Fall gewesen. „In der einen Gruppe waren drei Erzieherinnen und in der anderen musste eine alleine rödeln, weil sie nicht tauschen dürfen“, sagt Stadler.
Helfen sollen Tests in den Kitas. Das kündigte das bayerische Familienministerium an. Der Übergang in den eingeschränkten Regelbetrieb solle von Reihentestungen und von „Antigen-Selbsttests für Beschäftigte“begleitet werden, so die Pressemitteilung des Ministeriums. „Wir warten noch darauf, wie wir das umsetzen“, sagt der Pressesprecher der Stadt Lindau, Jürgen Widmer. Auch die drei städtischen Kindergärten „Am Hoyerberg“, „Arche Noah“und „Villa Engel“öffnen nächste Woche.
Elisabeth Kopp, Leiterin der Arche Noah, findet es gut, dass in ihrer Kita getestet werden soll: „So kann man sich zumindest etwas sicherer sein.“Auch die 20 Masken pro Erzieherin oder Erzieher, die der Freistaat zur Verfügung stellt, findet Kopp eine gute Maßnahme.
Anne Kristin Stadler vom Nonnenhorner Kindergarten hingegen hält wenig von den Testungen. „Wenn ich den Test mache und dann einkaufen gehe oder andere Kontakte habe, kann der nach einer Stunde schon nicht mehr gelten.“Sie sehe darin wenig Sinn.
Neben all ihrer Bedenken versteht Stadler auch die Familien, die sich auf die Öffnung freuen. „Die Eltern sind ausgelaugt und auch die Kinder brauchen dringend die sozialen Kontakte.“
In einem ähnlichen Dilemma ist Claudia Eden, stellvertretende Leiterin des katholischen Kindergartens Sankt Johannes der Täufer in Bodolz. Sie freut sich einerseits, dass die Kinder wieder in den Kindergarten kommen dürfen – hat aber auch Bedenken: „Kindergärten sind nun mal Hotspots für Ansteckungen.“Auch sie wäre für einzelne Schritte gewesen. „In der Schule geht es schrittweise voran und bei uns
Schlag auf Schlag.“. Ihre Sorge: Wenn wegen Lockerungen der Inzidenzwert in Lindau steigt und der Kindergarten in ein paar Wochen wieder schließen muss. „Viele denken, im Kindergarten passiert nichts, aber so ist es nicht“, sagt Claudia Eden.
In einem sind sich fast alle KitaLeiterinnen einig: Eine Öffnung nach und nach wäre besser gewesen. Damit hätte auch Iris ReuleinMerk vom Kindergarten Sankt Ambrosius in Hergensweiler eher leben können. Denn im Hergensweiler Kindergarten gibt es sowieso schon Platzmangel. Die Räumlichkeiten sind zu klein für die 75 Kinder. Ab März nimmt die Einrichtung zehn weitere Kinder auf. „Wir sind am Limit“, sagt ReuleinMerk. Deswegen ist man gerade dabei, eine rotierende Waldgruppe aufzubauen, die dann in die Natur oder auf Räume im Pfarrhaus der Gemeinde ausweicht. Soweit sein wird es allerdings erst im Laufe des März, sagt
Claudia Eden, stellvertretende Leiterin des Bodolzer Kindergartens
Bürgermeister Wolfgang Strohmaier zum gemeindeeigenen Kindergarten. „Das Pfarrhaus muss noch fertig renoviert werden.“Man sei gerade noch dabei, Mobiliar zu beschaffen und zu streichen.
Strohmaier findet aber auch: „Es ist kritisch, wenn sich gerade so viele Menschen in einem Raum aufhalten“– auch in einem Kindergarten. In Hergensweiler ist man auch deshalb vor besondere Herausforderungen gestellt, weil viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Teilzeit und somit in Schichten arbeiten. „Eine strikte Trennung der Gruppen und Erzieherinnen ist bei uns leider gar nicht möglich“, sagt Reulin-Merk.
Zumindest die Eltern sollen ab nächster Woche nicht in die Räume der Kita kommen, sondern ihre Kinder am Eingang abgeben. „Wir nehmen sie in Empfang und begleiten sie ins Haus“, sagt Reulein-Merk. Sie habe die Eltern diese Woche gebeten, ihre Kinder gut vorzubereiten. „Sie hatten jetzt eine lange Pause“, sagt Reulein-Merk.
Viele würden nach drei Monaten wieder in den Kindergarten kommen und das werde ungewohnt sein für die Kinder. 30 der 75 Kinder waren bisher in der Notbetreuung. Ein etwas anderes Bild zeichnet sich im Familienzentrum Minimaxi in Lindau ab. Dort waren auch während der Notbetreuung 16 der 28 Krippenkinder jeden Tag da. Eine Öffnung „von null auf hundert“sei das also nicht, sagt Leiterin Katrin Höferlin. Sie könne die Situation nicht mit einem Kindergarten vergleichen, stehe der Öffnung aber positiv gegenüber. „Wir merken, dass der Bedarf sehr groß ist“, sagt Höferlin. Viele Familien im Minimaxi seien neu in Lindau und deswegen nicht besonders gut sozial vernetzt und hätten somit Schwierigkeiten, eine Betreuung für ihre Kinder zu finden. „Mit einem eineinhalbjährigen Kind ist Homeoffice nicht wirklich möglich“, sagt die Leiterin. Sie freue sich, dass sie am Montag den nächsten Schritt gehen können.
Elisabeth Kopp von der Arche Noah in Lindau weiß, wie schwer es ist mit vor allem jüngeren Kindern auf Abstand zu gehen. Und auch bei den Eltern, die ihre Kinder in den Kindergarten bringen, könne man sich nie sicher sein. „Man weiß nie, inwieweit sie Abstand halten. Da kann man nur vertrauen.“
„Viele denken, im Kindergarten passiert nichts, aber so ist es nicht.“