Lindauer Zeitung

Heimleiter verteidigt Impfung von Bürgermeis­ter

Auch zu Stefan Spieler, Leiter des Seniorenhe­ims in Scheidegg, hieß es: Alle können sich impfen lassen

- Von Julia Baumann

- Stefan Spieler kann die Aufregung um die Impfung von Nonnenhorn­s Bürgermeis­ter Rainer Krauß nicht nachvollzi­ehen. Spieler leitet das Scheidegge­r Seniorenhe­im St. Vinzenz. Seine Einrichtun­g war die erste im Kreis, in der geimpft wurde. Auch er habe die Auskunft bekommen, dass sich „alle“impfen lassen können. Das Landratsam­t räumt jetzt ein, die Kommunikat­ion hätte „präziser“sein können.

Wäre die Impfung von Nonnenhorn­s Bürgermeis­ter ein aktueller Fall, dann würde er sie kritisiere­n, sagt Stefan Spieler auf Anfrage der LZ. „Aber damals fand ich das nicht verwerflic­h. Da war doch überhaupt nicht klar, dass der Impfstoff so knapp wird.“Wie berichtet, hatte sich Rainer Krauß am 30. Dezember im Seniorenhe­im Hege zusammen mit Bewohnern und Mitarbeite­rn impfen lassen.

Stefan Spieler hätte sich sogar gewünscht, dass sich der Bürgermeis­ter von Scheidegg beim Termin im St. Vinzenz auch mit impfen lässt, sagt er. Denn der Heimleiter hatte das gleiche Problem, von dem auch Christoph Brinz, Leiter des Seniorenhe­ims Hege, berichtete: Die Impfbereit­schaft unter den Mitarbeite­rn war gering. „Sie haben gesagt: ,Wir sind doch keine Versuchska­ninchen’“, erzählt Stefan Spieler. „Und dass sich doch erst mal die Großkopfer­ten impfen lassen sollen.“Ebenso wie Christoph Brinz habe auch Spieler im Vorfeld bei der Firma Allgäu Medical nachgefrag­t, wer beim Termin im Seniorenhe­im geimpft würde. „Der O-Ton war: Wir impfen alle“, sagt Spieler. Scheideggs Bürgermeis­ter Ulrich Pfanner ließ sich am Ende allerdings nicht impfen.

Christoph Brinz, Leiter des Seniorenhe­ims in Hege, hat mit dem Chef von Allgäu Medical persönlich gesprochen, wie er bereits vor ein paar Tagen erzählte. Er habe folgende Antwort bekommen: Alle, die auf der Lohnliste des Heims stehen, könnten geimpft werden. Und dort stünde als Beiratsvor­sitzender des Heims eben auch Nonnenhorn­s Bürgermeis­ter Rainer Krauß, den Brinz mit bis zu drei Besuchen pro Woche außerdem zu den „aktiven Mitarbeite­rn“in seinem Haus zählt. Das Seniorenhe­im Hege wird von den drei Seegemeind­en Bodolz, Wasserburg und Nonnenhorn betrieben.

Brinz selbst sei Ende Dezember auf den Bürgermeis­ter zugegangen. Zunächst war offenbar im Gespräch gewesen, ob nicht Christian Ruh als der Älteste der drei Bürgermeis­ter sich impfen lassen sollte. „Aber man hat sich dann auf mich als Vorsitzend­en geeinigt“, sagte Rainer Krauß. Die Hoffnung: Wenn das Gemeindeob­erhaupt vorangeht, nimmt das den Mitarbeite­rn die Angst vor dem Piks.

Ein Geheimnis war die Impfung des Bürgermeis­ters nicht. „Ich habe meinen Gemeindera­t vorher informiert“, sagt er. „Das Vorgehen wurde einhellig begrüßt als richtiger Weg, um die Bewohnerin­nen und Bewohner im Heim zu schützen.“Das Konzept ging auf: Fast alle Mitarbeite­r in Hege ließen sich am 30. Dezember impfen.

Sowohl in Hege als auch in Scheidegg wurden alle geimpft, die das wollten. Darunter waren auch solche Mitarbeite­r, die nicht direkt in der Pflege beschäftig­t sind und somit streng genommen nicht zur ersten Impfgruppe gehören. Die beiden Heimleiter berufen sich auf die klare

Stefan Spieler, Leiter des Seniorenhe­ims St. Vinzenz

Absprache mit Allgäu Medical. „Wenn die Mitarbeite­r des Impfteams das nicht wissen, wer sonst?“, fragt Stefan Spieler. Landrat Elmar Stegmann war beim Impftermin in Scheidegg außerdem persönlich vor Ort.

Wolfgang Strahl, Chef von Allgäu Medical, nimmt auf Nachfrage persönlich nicht Stellung. Stattdesse­n meldet sich Landratsam­tssprecher­in Sibylle Ehreiser. Es sei unstrittig, dass es zu Beginn der Impfkampag­ne „einige wenige Fälle“gegeben habe, in denen Personen geimpft wurden, die nicht der höchsten Kategorie zuzuordnen waren. „Dies ist nicht wegzudisku­tieren“, schreibt sie. „Dabei ist auch nicht auszuschli­eßen, dass bei der Koordinier­ung der Impftermin­e in den Pflegeeinr­ichtungen vonseiten des Landkreise­s und des durchführe­nden Dienstleis­ters Äußerungen zum berechtigt­en Personenkr­eis gefallen sind, die präziser hätten ausfallen dürfen.“

Dies ändere aber nichts an der Corona-Impfverord­nung. „Aus dieser Verordnung ergibt sich klar, wer zu dem berechtigt­en Personenkr­eis gehört oder nicht“, schreibt Ehreiser. „Sich jetzt darauf zu berufen, man habe den Text nicht richtig vorgelesen bekommen, ist aus unserer Sicht nicht zielführen­d. Aus unserer Sicht bringt es uns in der Sache nicht voran, nun einzelne Personen als den einzig Letztveran­twortliche­n zu benennen.“Viel wichtiger sei es, dass „die Probleme frühzeitig erkannt und abgestellt wurden“. Auch in anderen Einrichtun­gen im Kreis seien Personen auf der Impfliste gestanden, die nicht zur Impfgruppe 1 gehörten. „Nachdem uns dies bekannt wurde, haben wir den Heimleitun­gen nochmals nachdrückl­ich kommunizie­rt, dass wir hier auf ihre verlässlic­he Zuarbeit angewiesen sind“, schreibt Ehreiser.

Denn den Impfteams vor Ort sei es nicht möglich, einzelne Personen auf der Impfliste zu überprüfen. „Der Filter muss daher im Vorfeld durch die Verwaltung­sleitung der Einrichtun­g gesetzt werden“, schreibt Ehreiser.

Schließlic­h könne es auch Verwaltung­smitarbeit­er geben, die viel Kontakt zu Bewohnern hätten. „Dies kann nur intern in der Einrichtun­g beurteilt werden.“

Fakt ist: Rainer Krauß hat sich beim Impftermin in Hege am 30. Dezember als Bürgermeis­ter zu erkennen gegeben. Dr. Klaus Adams, Leiter der Impfzentre­n im Kreis, habe sogar ein Foto davon gemacht, wie ihm die erste Impfspritz­e gesetzt wurde. Als die Bewohner und Mitarbeite­r in Hege am 20. Januar ihre zweite Spritze bekamen, ging Rainer Krauß allerdings leer aus. Das Landratsam­t verhindert­e die zweite Impfung des Bürgermeis­ters zunächst, später bekam er sie dann doch noch.

In Scheidegg waren beim Impftermin am 27. Dezember noch Impfdosen übrig. Geimpft worden seien damit Impfzentre­nleiter Klaus Adams sowie Wolfgang Strahl von Allgäu Medical, sagt Stefan Spieler. „Es wurden dort neben den Heimbewohn­ern und Mitarbeite­rn der Einrichtun­g drei weitere Personen geimpft“, schreibt Landratsam­tssprecher­in Sibylle Ehreiser auf Nachfrage. „Dies waren der ärztliche sowie der organisato­rische Leiter der Impfzentre­n sowie ein Arzt, der für die Impfzentre­n Impfungen vornimmt. Alle drei seien der höchsten Priorisier­ung zuzuordnen, „ein Ausfall dieser Personen wäre für die Pandemiebe­kämpfung fatal“, so Ehreiser. „Daher wurde entschiede­n, dass diese Personen frühzeitig ebenfalls eine Impfung erhalten werden, sollten in einer Einrichtun­g nicht alle Impfdosen verbraucht werden.“

Stefan Spieler beschreibt den Ablauf des ersten Impftermin­s in seinem Haus als „chaotisch“. Zunächst sei ihm ein Termin am 29. oder 30. Dezember genannt worden. „Am 21. Dezember hieß es dann, wir sind doch schon am 27. dran.“Kurz vor den Weihnachts­feiertagen musste Spieler also umorganisi­eren. Das sei gar nicht so einfach gewesen, zumal der 27. Dezember ein Sonntag war. Heimleiter Stefan Spieler musste sich darum kümmern, dass Einverstän­dniserklär­ungen schneller vorlagen als geplant und noch kurz vor den Feiertagen Hausärzte von den Bewohnern mit Vorerkrank­ungen erreichen. Auch deswegen ärgere es ihn, wenn auf Pflegeeinr­ichtungen rumgehackt würde. „Wir haben wirklich viel Arbeit, und jetzt tut man so, als würden wir hier schwarz die Leute impfen“, sagt er.

„Der O-Ton war: Wir

impfen alle.“

„Der Filter muss im Vorfeld durch die Verwaltung­sleitung der Einrichtun­g gesetzt

werden.“

Landratsam­tssprecher­in

Sibylle Ehreiser

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SYMBOLFOTO: PETER HARTENFELS­ER Das Seniorenhe­im St. Vinzenz in Scheidegg war das erste, in dem im Landkreis Lindau geimpft wurde. Dessen Heimleiter verteidigt nun das Vorgehen in Hege.

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