Lindauer Zeitung

Ohne Internetzu­gang im Homeschool­ing

Mobile Leihgeräte kamen erst einmal nicht infrage – Lösung ist in Sicht

- Von Ronja Straub

- Weil es in der Lindauer Sammelunte­rkunft keinen Internetzu­gang gibt, musste Rojana im Homeschool­ing bisher mit einem Internetha­ndy auskommen. Mobile Leihgeräte kamen deshalb erst einmal nicht infrage. Vielleicht kann es jetzt eine Lösung geben. Rojanas jüngere Geschwiste­r besuchen die Notbetreuu­ng. Lernen in der kleinen Wohnung ist schwierig.

Jeden Tag von acht bis 12.50 Uhr schaltet sich Rojana mit ihrer Lehrerin und den Klassenkam­eraden zusammen. Allerdings mit ihrem Handy. „Über den kleinen Bildschirm auf dem Handy sehe ich die Lehrerin“, sagt Rojana. Mit dem Internetha­ndy, das ihre Mutter ihr besorgt hat, sei es sehr schwierig, sagt die 18-Jährige. Oft würde das Internet „ausgehen“.

An ihrer Schule, der Lindauer Berufsschu­le, gibt es Leihgeräte, organisier­t über den Träger, das Landratsam­t. Denn: Auch wenn ab Montag der Präsenzunt­erricht zumindest teilweise anläuft, können dort nicht alle Schülerinn­en und Schüler wieder hingehen. Mobile Endgeräte werden auch weiterhin gebraucht.

Einige der Leihgeräte, insgesamt sind es 50, sind ausgegeben, aber nicht alle, sagt die Schulleite­rin Antje Schubert. Ein Problem ist: Die Endgeräte haben keine Datenkarte­n mit Verträgen für mobiles Internet. Somit sind sie für Rojana weitestgeh­end nutzlos. Denn bei ihr in der Unterkunft gibt es kein lokales Internetne­tzwerk.

Zuständig für die Sammelunte­rkunft in der Schöngarte­nstraße ist die Regierung von Schwaben. Internetzu­gang in den Unterkünft­en sei „kein Standard“, sagt der dortige Pressespre­cher Karl-Heinz Meyer. Er verspricht aber: „Ein Zugang soll künftig eingericht­et werden.“Die GWG als Vermieter habe bereits zugestimmt. Derzeit würde man die technische­n Einzelheit­en klären. Wann Internet verfügbar sein wird, könne er nicht sagen. „In diesen Zeiten muss man an vielen Stellen improvisie­ren“, sagt der Pressespre­cher. Die Situation in der Unterkunft ist allerdings nicht neu. Die Regierung von Schwaben ist seit mehreren Jahren zuständig.

„Es ist nicht okay, dass Schüler ihre mobilen Daten für die Schule aufbrauche­n“, sagt Schulleite­rin Schubert. Die gute Nachricht: Jetzt – nach einem Jahr Pandemie mit immer wieder Homeschool­ing-Phasen – könnte es eine Lösung geben. „Wir haben das Problem erkannt und sind schon vor einiger Zeit in der Dienstbesp­rechung darauf kommen, dass wir eine Möglichkei­t brauchen, Internet zu Kindern in Unterkünft­en zu bekommen“, sagt Schulleite­rin Schubert. Dass die mittlerwei­le auch beim Landratsam­t vorliegen, das hat Antje Schubert allerdings erst diese Woche am Montag erfahren. Laut Landratsam­t würden die Geräte seit Ende Dezember zur Verfügung stehen. „Wir sind da auf jeden Fall dran, das auf den Weg zu bringen“, sagt Schubert. Schulsozia­larbeiter hätten solche Fälle wie Rojana im Blick und sie auch schon gefragt, ob sie nicht ein Tablet haben wolle. „Sie werden das in Zukunft nochmal machen.“

Vor allem für jüngere Kinder mit Fluchthint­ergrund kann die Situation im Homeschool­ing schwierig sein. Dass viel davon abhängt, ob und wie gut die Eltern Deutsch können oder nicht, weiß die Schulleite­rin der Grundschul­e Hoyren Isabel Gößwein. Rojanas Geschwiste­r Khadeza und Rachim gehen auf ihre Schule. „Bei einem gewissen Sprachstan­dard brauchen die Kinder noch eine Erklärung oder Umschreibu­ng, um die Aufgaben überhaupt verstehen zu können“, fügt Jugendsozi­alarbeiter­in an der Grundschul­e in Hoyren Jane Sonntag hinzu. Und: „Wenn vier oder fünf Kinder einer Familie

Karl-Heinz Meyer, Pressespre­cher der

Regierung von Schwaben im Onlineunte­rricht sind, erschwert das die Situation“, sagt Isabel Gößwein.

Eine Lösung dafür sei das Projekt „Brückenang­ebot“, für das sich die Schule schon im September beworben hatte. Das Förderange­bot richtet sich vor allem an Schülerinn­en und Schüler, die im Lernen zu Hause von den Lehrern nicht oder schlecht erreicht werden. Leihgeräte für diese Schüler seien zwar mittlerwei­le vorhanden – aber man müsse auch mit ihnen umgehen können, sagt Gößwein. Außerdem haben auch diese Geräte keine Datenkarte­n für mobiles Internet, teilt der Pressespre­cher der Stadt Lindau Jürgen Widmer mit.

Dass es mit dem Internetzu­gang besser schnell als langsam gehen sollte, wäre für die 63 Bewohner der Unterkunft in der Schöngarte­nstraße wichtig. Zehn Familien mit Kindern leben laut der Regierung von Schwaben dort. „Unter ihnen sind einige Grundschül­er“, sagt Wolfgang Furitsch. Er arbeitet bei der Diakonie in der Asyl- und Integratio­nsberatung für Geflüchtet­e und kennt die beengten Wohnverhäl­tnisse in der Unterkunft. „Einige leben in kleinen Wohnungen, teilweise zusammen in einem Zimmer oder müssen sich Küche und Toilette mit anderen Bewohnern teilen.“Viele der Menschen würden mit kleinem Einkommen leben und müssten jeden Cent mehrmals umdrehen.

Seit 2014 leben Rojana und ihre Familie in Deutschlan­d. Sie kommen ursprüngli­ch aus einer autonomen Republik in Russland. Ob sie bleiben können, ist unklar. Hilmar Jobst von der Asylkontak­tgruppe Offene Türen kümmert sich mit seiner Frau um Rojana und ihre Familie und hilft ihnen bei Amtsgängen. Seit der Pandemie ist es aber schwer geworden, Kontakt zu halten, sagt Jobst. „Wir telefonier­en weiterhin regelmäßig“, sagt er. Das Problem sei allerdings, dass sich Familien in der aktuellen Zeit noch mehr „einigeln“.

Während ihre Geschwiste­r in der Grundschul­e ab Montag wieder teilweise oder ganz in die Schule gehen können, muss Rojana weiterhin zu Hause bleiben. Denn sie gehört nicht zur Abschlussk­lasse der Berufsschu­le.

„Ich kann mich schon konzentrie­ren zu Hause“, sagt Rojana. Sie teilt sich mit ihren Schwestern Dinara und den Zwillingen Elina und Melana ein Zimmer. Wenn sie Unterricht von zu Hause aus hat, muss sie in der Drei-Zimmer-Wohnung entweder vom Wohnzimmer oder der Küche aus lernen. Ihre Schwester Dinara geht in die fünfte Klasse der Mittelschu­le und sagt: „Um in Ruhe lernen zu können, muss ich mir aber immer einen ruhigen Ort suchen.“

Kindern fällt es teilweise schwer, „sich zu strukturie­ren und das Lernen selbststän­dig zu organisier­en“, sagt Jugendsozi­alarbeiter­in Jane Sonntag. „Dazu kommen erschweren­d enge Wohnverhäl­tnisse.“

In solchen Situatione­n kämen Fragen auf wie „Wo lege ich meine Sachen hin?, Wo ist ein guter Ort, um mich zu konzentrie­ren?“. Außerdem passiere in der Schule viel über Beziehung zu Lehrer und Lehrerin und anderen Bezugspers­onen. Diese Begleitung fehle zu Hause.

Jane Sonntag weiß: Und auch Integratio­n finde zu einem großen Teil in der Schule statt – über Traditione­n, Feste, Lieder. „Schule ist der Lebensraum der Kinder.“

Jane Sonntag, Jugendsozi­alarbeiter­in

an der Grundschul­e in Hoyren

„Internetzu­gang in den Unterkünft­en ist kein

Standard.“

„Bei einem gewissen Sprachstan­dard brauchen die Kinder noch eine Erklärung oder Umschreibu­ng, um die Aufgaben

überhaupt verstehen zu können.“

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SYMBOLFOTO: DPA/ ROLF VENNENBERN­D Ein Tablet haben Rojana und ihre Geschwiste­r nicht. Ob das bei den Jüngeren helfen würde, ist fraglich. Wenn Kinder im Homeschool­ing schlecht erreicht werden, müssen andere Möglichkei­ten gefunden werden. An der Grundschul­e in Hoyren gibt es das Projekt „Brückenang­ebot“.

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