Nun hat das Landratsamt das letzte Wort
Schulden steigen auf Rekordhöhe, Stadt verkauft Immobilien – Elf Stadträte lehnen den Haushaltsplan ab
- So viele Gegenstimmen wie seit Jahren nicht – Lindaus finanzielle Lage ist umstritten. Die Schulden steigen auf Rekordhöhen, obwohl die Stadt Immobilien verkauft. Nun muss das Landratsamt entscheiden.
Zwei, drei oder vier Gegenstimmen gab es in den vergangenen Jahren, wenn der Stadtrat den Haushaltsplan für das kommende Jahr verabschiedet hat. Heuer stimmten elf Stadträte dagegen – aus ganz unterschiedlichen Gründen. Den einen sind die Schulden zu hoch, die anderen wollen lieber mehr Schulden machen als Grundstücke zu verkaufen. Einige wollen noch mehr Geld für Klimaschutz, andere höhere Ausgaben für Schulen.
Anders als in Vorjahren ist auch, dass die Verantwortlichen der Stadt heuer bangen müssen, was die Rechtsaufsicht zu den Ausgabenplänen sagt. Denn in früheren Jahren hat die Stadt das Zahlenwerk in enger Abstimmung mit dem Landratsamt zusammengestellt, nachdem die Behörde 2017 Nachbesserungen gefordert hatte. Heuer habe es vorab keinen derart engen Kontakt gegeben, berichtete der ebenso gespannt ist wie
und die Stadträte, ob das Landratsamt den Haushaltsplan so genehmigt, wie ihn 18 Stadträte verabschiedet haben. Das Ergebnis liegt erfahrungsgemäß in etwa einem Vierteljahr vor.
Dass Lindaus Schulden weiter ansteigen – und zwar um etwa 15 Millionen Euro – hat laut Kämmerer nichts mit Corona zu tun, sondern vielmehr mit den laufenden und anstehenden Projekten. Diese Schuldensteigerung sei bereits im Finanzplan des Vorjahres enthalten gewesen. Neu sind aber weitere Grundstücksverkäufe in diesem und vor allem in den kommenden Jahren, mit denen Lindau einen Großteil der Steuerausfälle durch die Corona-Krise ausgleichen will. Wobei Räte darauf hinwiesen, dass die Stadt die Immobilien nicht meistbietend auf dem freien Markt versilbern wolle, sondern an die eigene Tochter GWG verkaufen wolle, sodass sie sozusagen in der Familie bleiben.
stellte fest, dass der Haushaltsplan kaum neue Projekte enthalte, sondern vor allem die Fertigstellung der begonnenen Maßnahmen wie Cavazzen, Inselhalle und Bahnprojekte. Auch die Ausgaben für die Kitas, Schulen und Jugendarbeit gründen auf alten Beschlüssen. Neben diesen MillionenProjekten enthalte der Haushalt auch „ein paar schöne Posten“, die 2021 zu einem erfreulichen Jahr für die Lindauer machen sollen, die erst über Jahre Baustellen und nun den Lockdown zumeist verständnisvoll ertragen mussten. Die Oberbürgermeisterin erinnerte daran, dass der
Kämmerer Felix Eisenbach, OB Claudia Alfons
OB Claudia Alfons
Gartenstrand auf der Hinteren Insel und die Therme vor allem den eigenen Bürgern zugute kommen und erst in zweiter Linie auch den Gästen.
„Ohne Geld geht nichts“, sagte
und stellte das Zahlenwerk vor. „Ohne Corona hätten wir einen sehr guten Haushalt“, sagte Eisenbach, und diesen Einbruch habe niemand vorhersehen können. Der Kämmerer hofft deshalb auch in diesem und im kommenden Jahr auf Ausgleichszahlungen vom Bund und dem Freistaat. Gut sei es aber auch, dass aufgrund alter Beschlüsse die Einnahmen aus der Zweitwohnungssteuer und dem Kurbeitrag steigen und dass der Teil der Parkgebühren, die aus Stellplätzen im öffentlichen Straßenraum stammen, nicht mehr an den Regiebetrieb, sondern an die Stadt direkt fließen.
Investitionen fließen in die laufenden Projekte, letztmals in die Gartenschau, auch die Unterführung Bregenzer Straße wird heuer fertig. Viel Geld wendet die Stadt für den neuen Kindergarten in Zech und für die Erweiterung des Kindergartens Oberreitnau auf. In den kommenden Jahren folgen weitere Kindergartenprojekte. Dann stehen auch große Investitionen in Schulen an, kündigte Eisenbach an: „Das wird die nächsten Haushalte prägen.“In diesem
Kämmerer Eisenbach
Kämmerer Felix Eisenbach
Jahr sei vor allem Geld für entsprechende Planungen nötig.
Die Schulden steigen zwar gemäß Planung heuer und im kommenden Jahr, hinzu kommen Grundstücksverkäufe im Gesamtwert von etwa 19 Millionen Euro, zu denen unter anderem die Flächen von Stadtgärtnerei und Bauhof gehören. Dennoch hält Eisenbach die Planung für solide.
Denn ab dem Jahr 2023 werde Lindau trotz der Corona-Folgen Schulden abbauen – wenn sich der Stadtrat weiterhin auf die Projekte beschränkt, die wirklich nötig sind.
Die Redner der Fraktionen nutzten ihre Haushaltsreden auch heuer für den Blick auf die gesamte Politik. Und weil die weder den Kauf von Dieselfahrzeugen für den Stadtbus noch Grundstücksverkäufe in diesem Maß will, lehnten die Bunten das Zahlenwerk ab, wie Daniel Obermayr erläuterte. Er unterstütze die neuen Stellen für Bürgerbeteiligung und Organisationsentwicklung, will aber Vorgaben machen, um das weitere Ansteigen der Personalkosten zu verhindern. Obermayr forderte zudem, Lindau sollte besser Grundstücke kaufen und für das Gemeinwohl sichern, als solche zu verkaufen.
Die stimmte zu, erklärte Thomas Hummler, der allerdings vor allem vor weiter steigenden Personalkosten warnte und forderte, sich von Wünschen und Zielen zu verabschieden: „Wir werden uns all das Vorgenommene nicht leisten können.“Mehr Geld als bisher gedacht
CSU
Bunte Liste
werde dagegen für die Digitalisierung nötig sein. Die Wohnprojekte der GWG auf bisher der Stadt gehörenden Grundstücken seien dagegen wichtig und richtig. Zusätzlich bräuchte Lindau neue Gewerbeflächen, forderte Hummler. Eine Verkehrswende erfordere mehr als das Fahrrad, deshalb müsse Lindau heuer die Frage der Parkplätze klären. Und auch für die Schulen brauche die Stadt ein zeitgemäßes Konzept.
Für die sei schon lange klar, dass sich Lindau nur Pflicht und kaum Kür leisten könne, sagte Angelika Rundel. Allerdings sei im Einzelfall oft umstritten, was denn Pflicht und was Kür ist. Grundstücksverkäufe an die GWG halte sie für klug, weil das nicht nur Einnahmen für die Stadt bringe, sondern die Voraussetzung für bezahlbaren Wohnraum schaffe. Sie habe für die beiden neuen Stellen für Bürgerbeteiligung und Organisiationsentwicklung gestimmt, weitere neue Stellen lehne die SPD aber ab. Rundel forderte eine zügige Planung des Umbaus der Grundschule Zech. Sie kritisierte, dass der Freistaat den versprochenen Ausgleich für die fehlenden Straßenausbaubeiträge schuldig bleibe. Die SPD stimmte für den Haushaltsplan.
JA
SPD
Mathias Hotz
freut sich, dass Lindau trotz Corona keinen Spar-Haushalt verabschieden muss, sondern weiter investieren kann, um begonnene Projekte abzuschließen. Vor diesem Hintergrund stimme auch die für den Haushalt. Da ein großer Teil des Geldes für Kitas, Schulen,
Jugendarbeit, Sport und Vereine aufgewendet werde, könne trotz der Schulden auch die junge Generation zustimmen. Hotz bedauert, dass die Räte wegen Corona sich kaum treffen und auch nach den Sitzungen nicht noch zusammensitzen können. Aber das werde im Laufe des Jahres hoffentlich wieder besser.
Weil Lindau die nötigen Investitionen für die Schulen weiter schiebt, werde die gegen das Zahlenwerk stimmen, erklärte Günther Brombeiß. Denn damit verstoße die Ratsmehrheit gegen frühere Verabredungen und eigene Beschlüsse. Brombeiß fürchtet zudem, dass auch in den kommenden Jahren zu wenig Geld für die Schulen bereitstehen wird, denn die in dem Finanzplan enthaltenen Summen reichen seiner Meinung nach nicht. Dabei sei absehbar, dass Lindau bereits in diesem Sommer Platzprobleme an den Grundschulen bekommen wird. Brombeiß beklagte die fehlende Glaubwürdigkeit des Stadtrats, wenn man sich auf solche Zusagen nicht mehr verlassen könne.
Die stimmten zu, wie Andreas Reich erläuterte. Der Haushaltsplan enthalte nur Pflicht und keinen Posten, der verzichtbar wäre. Das gelte für Bahnprojekte ebenso wie für Maßnahmen auf Festland-Spielplätzen oder Therme, Gartenschau und Cavazzen. Reich dankte OB Alfons,
FW
FB
die seit ihrem Amtsantritt im Mai die finanzielle Leistungsfähigkeit der Stadt im Blick behalten habe. Lob hatte er auch für die Mitarbeiter der Stadt: „Sie alle machen einen Super-Job.“
Manches würde sich die anders wünschen, erklärte Oliver Eschbaumer. Aber den Beschlüssen lägen Kompromisse zugrunde, die er mittrage, deshalb stimme seine Fraktion dem Haushalt inmitten dieser „Krise epochalen Ausmaßes“zu. Es sei richtig, die angefangenen Projekte zu Ende zu bringen, auch wenn er zum Beispiel wegen Corona Mindereinnahmen bei der Gartenschau fürchtet. Ähnliches gelte für die LTK, denn es werde ein paar Jahre dauern, bis es in der Inselhalle ein Tagungsgeschäft im vor Corona erwarteten Maß geben werde. Florierendes Gewerbe brauche motorisierte Mobilität, deshalb sei ein Konzept für das Parken so wichtig. Auch Eschbaumer sprach sich eher gegen Immobilienverkäufe aus: „Lindau sollte seine Immobilien wie Kronjuwelen behandeln.“Stattdessen forderte Eschbaumer den Mut der Stadträte, bei laufenden Kosten zu sparen.
Die war geteilter Meinung, denn Ulrich Jöckel lehnte den Haushaltsplan auch heuer ab, Florian Nüberlin aber stimmte zu. Früher hätten Steuerzahlungen florierender Unternehmen Lindaus Finanzlöcher gestopft, das fehle jetzt. Jöckel kritisierte, dass der Erhalt des Hoyerbergschlössles weiter auf die lange Bank geschoben sei. Zusätzliche Schulden lehne er ab. In vielen Bereichen sei zudem ein völlig neues Denken nötig.
Jürgen Müller stimmte für die dem Haushaltsplan heuer zu, auch wenn er nicht mit allem einverstanden sei. Gartenschau oder GTL-Neubau sind für ihn Beispiele unnötiger Projekte. Bei der Vorberatung im Finanzausschuss sei bei anderen Stadträten kein Sparwille erkennbar gewesen, man habe sogar Geld für zusätzliche Projekte zur Ergänzung der Gartenschau bewilligt. Grundsätzlich sprach sich Müller zudem erneut gegen einen Ausbau der Schachener Straße zur Fahrradstraße aus, zumal eine Sanierung des Heuriedwegs dringender sei. Weil Christiane Norff aus gesundheitlichen Gründen verhindert war, gab es heuer keine Haushaltsrede der
Rainer Rothfuß nutzte die Haushaltsrede, um die Kritik der an der Corona-Politik von Bund und Freistaat deutlich zu machen. Das werde Firmenpleiten und Schuldenberge zur Folge haben. Hinzu komme falsche Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. Lindau habe in den vergangenen Jahren ebenfalls auf falsche Großprojekte gesetzt. Weil der Stadtrat außerdem die Parkgebühren auf dem neuen Parkplatz in Zech zu niedrig angesetzt habe, lehnte er den Haushalt ab.
FDP
Thomas Hummler von der CSU
ÖDP.
BU
AfD
LI
„Ohne Corona hätten wir einen sehr guten
Haushalt.“
„Wir werden uns all das Vorgenommene nicht leisten können.“